

„ohne Titel“, Buntstifte auf Papier, 43 cm × 61 cm, 1983
Foto: Eberhard Hahne
Foto: Eberhard Hahne
Bruno H. kann sich sprachlich nicht verständlich machen; er bringt nur unzusammenhängende Laute hervor. Bei den Verrichtungen des täglichen Lebens ist er auf Hilfe angewiesen. Konkrete Aufforderungen versteht er nicht dem Wortsinne nach, durch geduldige Zusprache und praktische Anleitung kann er jedoch beeinflusst werden, beispielsweise zum Zeichnen angeleitet werden.
In der Beschäftigungs- und Maltherapie schien er sich spontan wohl zu fühlen. Von Anfang an fertigte er täglich mehrere Zeichnungen an, wobei er eine erstaunliche Ausdauer zeigte. Seine Zeichnungen wirken spontan, frisch, lebendig, manchmal auch fahrig-unruhig. Vom Hieb- und Schwingkritzeln, wie aus Kinderzeichnungen bekannt, bis zu Kreisformen reicht sein Formenrepertoire. Es lässt sich mit den bildnerischen Möglichkeiten eines zwei- bis zweieinhalbjährigen Kindes vergleichen, weist aber eine vergleichbar größere Dynamik und eine stets flächenfüllende Gestaltungsweise auf.
Es geht hier um die Anfänge des Zeichnens, besonders hinsichtlich der minimalen Unterschiede zu Kinderzeichnungen. Dass wir in diesen Bildern ästhetische Qualitäten wahrnehmen können, verdanken wir der Schulung unseres Sehens – vor allem durch informelle Künstler, wie zum Beispiel Peter Brüning, Jackson Pollock oder Georges Matthieu bis hin zu einem Künstler der Gegenwart wie Cy Twombly. Für ihre Arbeiten ernteten sie anfänglich Hohn und Spott – heute gehören sie zu den gefragten Protagonisten des Kunstmarkts. Hartmut Kraft
Biografie Bruno H.: Geboren 1943. Angeborene Mikrozephalie. Lebt seit 1983 in einem Heim für geistig Behinderte, wo er unter Anleitung zu zeichnen begann.
Literatur
Kraft H: Grenzgänger zwischen Kunst und Psychiatrie. Köln: DuMont 1998.
Schuster M: Kinderzeichnungen. München, Basel: Ernst Reinhardt Verlag 2001.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.