BRIEFE
Bali-Terroranschlag: Hilflosigkeit und naiver Aktionismus
Erfahrungsbericht über Schwierigkeiten der Koordination bei der Notfall- oder Katastrophenmedizin:


Spätere Nachfragen bleiben ebenso frustran, lediglich zwei britische Mediziner schaffen es nach zwei Tagen doch noch, erfolgreich ihre Dienste anzubieten, wie eine Diplomatenfrau berichtet. In den Medien dann Aussagen, dass die Schwerbrandverletzten vom Militär umgehend nach Singapur und Australien ausgeflogen seien. Komisch, denn erst nach zwei Tagen hört man vermehrt das charakteristische Brummen von Militärmaschinen über dem Hotel. Hätte man doch früher realisieren können, denkt man sich.
In Tunesien lief die Hilfe ja, wie man hörte, auch erst relativ spät richtig an. Selbst Tage später ist nicht mal Blutspenden gewünscht. Mitarbeiter des deutschen Generalkonsulates und der deutschen Botschaft wiegeln ab: Es gäbe keine Verletzten, „alle tot“ ist eine der wirren Aussagen. Die aus der Zeitung bekannte Zahl von 300 Verletzten ist schon zu diesem Zeitpunkt „kein Thema“ mehr. In Deutschland wären wahrscheinlich alle vorhandenen Brandbetten hoffnungslos belegt gewesen.
Auch ein Anruf in einer Klinik bringt von einem deutschsprachigen Mitarbeiter die Aussage, dass zumindest seine Blutbank keinen Spenderbedarf hat. Komisch nur: In der ganzen Stadt Kuta, in der der Anschlag stattfand, werden am nächsten Tag überall Aufrufe zum Blutspenden aufgehängt. Fünf Tage nach dem Anschlag dann ein letzter Anruf beim deutschen Honorarkonsul mit der Frage, warum es denn nicht möglich war, vorhandene hoch qualifizierte Mediziner aus ganz Europa einzusetzen: Deutsche Ärzte dürften, mangels Arbeitserlaubnis, nicht in Bali tätig werden. Es würden sogar zwei deutsche Ärzte in Bali leben. Die dürften ja auch nicht ihr Handwerk ausüben, auch im Notfall nicht?
Der Glaube, dass alle Brandopfer ausgeflogen worden seien, löst sich spätestens an diesem Tag in Wohlgefallen auf: Ein Einheimischer berichtet, dass er viele schwer Brandverletzte bei einem Besuch in einer „Klinik“ (der Begriff ist dafür kaum passend) gesehen habe. Balinesen seien nicht ausgeflogen worden. „Because of the
money“, wie er nachlegt. Ausländer, ja die sind nun alle weg. Die Balinesen fügen sich in ihr Schicksal, wissen es nicht besser . . .
Gerhard Schuster, 11, Rue Scribe, F-75009 Paris
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