

„ohne Titel“, Graphit, roter Farbstift
und Wachskreide auf Papier.
29,7 cm x 21 cm, signiert, datiert
(unleserlich, circa 1975)
Foto: Eberhard Hahne
Die Kombination von vorherrschender schwarzer und sparsam eingesetzter roter Farbe signalisiert Spannung, Gefahr. Die rote Farbe taucht bei der rechten Figur als angedeutetes Auge auf, die gespaltenen Zungen sind rot akzentuiert. Nimmt man die blitzartigen Striche zwischen den Köpfen und die Intensität der Strichführung hinzu, geht es offensichtlich um eine hitzige Auseinandersetzung. Es wird geschrien, es wird gekämpft. Es wird mit gespaltenen Zungen geredet, wie zwei spitze Zangen greifen die Zungen einander an. Unter der Wucht des zeichnerischen Entstehungsprozesses ist das Papier an mehreren Stellen ein- und auch ausgerissen.
Was sich inhaltlich (Profildarstellungen, gespaltene Zungen) und formal (Strichführung, Papierverluste) herausarbeiten ließ, wird von Peter Gilles dahingehend präzisiert, dass sich die Darstellung auf Erinnerungen an Streitereien der Eltern bezieht. Über die persönliche Erinnerung hinaus ist es dem Künstler gelungen, die eindringliche Darstellung einer vehementen Streitsituation zu gestalten. Die Zeichnung kann etwas von den existenziellen Ängsten eines Teilnehmers oder bloßen Zuschauers eines dramatischen Streits vermitteln – erst recht, wenn es sich bei diesem Zuschauer um ein (mitleidendes) Kind handelt. Die Formalisierung der Darstellung, die zunächst an ein abstraktes Zeichen und ein Vexierbild denken ließ, kann als Schutz angesichts der Dramatik des erlebten und gezeichneten Geschehens aufgefasst werden. Hartmut Kraft
Biografie Peter Gilles: Geboren 1953 in Köln. Studium an den Kölner Werkkunstschulen, die er nach eigenen Aussagen allerdings nie betreten hat. Seit 1978 Aktionen mit eigenem Blut. 1982 Friedrich-Vordemberge-Preis der Stadt Köln, 1984 Kunstpreis der Künstler auf der Kunstausstellung NRW in Düsseldorf. Lebt in Köln und Stresa (Italien).
Literatur
Peter Gilles: Stromboli – 68 Selbstportraits. Museum Schloss Morsbroich, Leverkusen 1994.
Peter Gilles: Theatrum anatomicum. Salon Verlag, Köln 1997.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.