MEDIZIN: Diskussion
Psychische Erkrankungen in der Allgemeinpraxis
Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Wolfgang Maier, Prof. Dr. med. Michael Linden und Prof. Dr. med. Norman Sartorius in Heft 18/1996


Den Autoren ist uneingeschränkt für diese hervorragende empirisch gestützte Übersicht über die Häufigkeit psychischer Störungen in den allgemeinärztlichen Praxen zu danken. Es müßte jede Ärztin und jeden Arzt mit Sorge erfüllen, wie selten die betroffenen Patienten psychotherapeutisch oder psychopharmakologisch behandelt werden.
Dabei besteht zum Beispiel für die Patienten mit Alkoholproblemen in Deutschland ein engmaschiges stationär-ambulantes Hilfssystem. Über Kooperationen mit psychiatrischen und SuchtfachKliniken (Entgiftungs-, Motivations- und Entwöhnungsbehandlung), Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen könnten diese Patienten wirkungsvollen Behandlungen zugeführt werden.
In allgemeinärztlichen Praxen hat die Motivationsarbeit ausschlaggebende Bedeutung – sowohl für die Bereitschaft zu den nächsten Schritten als auch für die Konsequenz in bezug auf das Einhalten bewährter Konzepte: Neben einer fundierten Diagnostik ist bei vielen Patienten mit depressiven Störungen oder AngstStörungen sowie mit "psychosomatischen" Störungen Motivationsarbeit erforderlich, bevor diese Patienten, die sich zunächst oft als körperlich krank erleben, bereit sind, fachspezifische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Befunde kontrollierter Studien sowie zahlreicher Anwendungsbeobachtungen aus der Praxis belegen, daß sich besonders bei "psychosomatisch" Erkrankten und zum Beispiel auch bei Kindern das autogene Training bewährt. Viele dieser Patienten können das autogene Training als ersten Therapieschritt akzeptieren. Mit der Anleitung zum Wahrnehmen, zum kognitiven Neuattribuieren und zum Trainieren physiologischer Entspannungsvorgänge holen wir als Ärzte diese Patienten da ab, wo sie initial in ihrem Erleben stehen. Schritt für Schritt, in dem Maße, in dem die Arzt-Patient-Beziehung Gestalt gewinnt, werden psychosomatische Zusammenhänge übend verdeutlicht. Das autogene Training eignet sich zur Gestaltung des Therapieeinstiegs in der Praxis, wobei je nach Situation und Persönlichkeit des Patienten in der Initialphase Kombinationen mit Elementen der progressiven Relaxation oder Biofeedback-Verfahren sinnvoll und hilfreich sein können. Kann schwerer gestörten Patienten hiermit nicht hinreichend geholfen werden, wird der Übergang in andere systematische Psycho- oder Pharmakotherapien erleichtert.
Derartige Hilfen zu einem Therapieeinstieg sollten wir im Sinne unserer Patienten in breitem Umfang anbieten, auch wenn die Honorierungssituation immer noch problematisch ist.
Priv.-Doz. Dr. med. Friedhelm Stetter
Chefarzt der Oberberg-Klinik für Psychosomatische Medizin
Brede 29
32699 Extertal-Laßbruch
Der Autor hat auf ein Schlußwort verzichtet