ArchivDeutsches Ärzteblatt6/2003Krankenhäuser: Anhaltender Bettenabbau

POLITIK

Krankenhäuser: Anhaltender Bettenabbau

Merten, Martina

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LNSLNS Ein Vergleich der Krankenhauspläne aller Bundesländer zeigt einen eindeutigen Trend: weniger Betten, kürzere Verweildauer, mehr stationär behandelte Patienten. Auch in den kommenden Jahren ist keine Wende in Sicht.

Nach § 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) ist eine wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser durch öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen zu bewerkstelligen, um eine bedarfsgerechte Versorgung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern gewährleisten zu können. Deshalb müssen die Länder, so will es § 6 des KHG, Krankenhausbedarfspläne (KHP) aufstellen. Was juristisch unter „bedarfsgerechter Versorgung“ zu verstehen ist, ist seit der Einführung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes 1972 umstritten und nicht operational definiert. Ein Vergleich der aktuellen Krankenhausbedarfspläne zeigt jedoch, dass die Bundesländer bedarfsgerechte Versorgung offenbar nicht (mehr) in Verbindung mit der Anzahl der Betten in Krankenhäusern bringen. Denn diese ist seit Jahren in allen Bundesländern kontinuierlich gesunken. Zugleich zeigen die immer kürzer werdende Verweildauer und die steigende Zahl stationär behandelter Patienten (heute: 16,5 Millionen per annum), welcher Weg, vor allem im Hinblick auf das neue Entgeltsystem, eingeschlagen wird: hin zu mehr Leistungsverdichtung, weg vom bisherig dominierenden Finanzierungsparameter Krankenhausbett.
Wie sich die Bedarfsdeterminanten in den letzten fünf Jahren in den Bundesländern, auch in spezifischen Fachabteilungen, entwickelt haben, welche Länder besonders vom Abbau betroffen sind und wie die Prognosen für die nächsten Jahren aussehen, zeigt folgender Zahlenspiegel: Gab es 1997 noch 580 425 vollstationäre Betten in zugelassenen Krankenhäusern (Plankrankenhäusern, Vertragskrankenhäusern, Hochschulkliniken), waren es vier Jahre später nur noch 550 760. Somit sank auch die Bettenziffer (Bettenzahl pro
10 000 Einwohner) von 70,73 (1997) auf 67,0 (2001). Während Bremen mit einer Bevölkerung von 663 065 (2001) 86,5 Betten je 10 000 Einwohner zur Verfügung stellte (Platz 1), entfielen in Schleswig-Holstein mit einer Bevölkerungsgröße von 2 777 275 nur 56,3 Betten auf 10 000 Einwohner (Platz 16). An erster Stelle, bezogen auf die Bettenanzahl, liegt, der Größe des Bundeslandes entsprechend, Nordrhein-Westfalen mit 134 603 Betten (2001), gefolgt von Bayern mit 82 145 Betten und Baden-Württemberg mit 63 699 Betten. Schlusslicht ist Bremen mit 5 735 Betten (2001). Verglichen mit der Bettenzahl 1997, wird deutlich, dass die Länder drastisch Betten und auch komplette Krankenhäuser stillgelegt haben. So befanden sich 1997 in NRW-Krankenhäusern noch 141 238 vollstationäre Betten, in Bayern 84 478 und in Baden-Württemberg 66 478 Betten. Auch die restlichen 13 Bundesländern mussten Betten abbauen.
Besonders anschaulich wird der Bettenabbau, wenn man die großen Fachabteilungen der Krankenhäuser heranzieht. Allein in der Chirurgie wurden von 1997 auf 2001 16 964 Betten bundesweit abgebaut, die Bettendichte sank von 17,49 Betten je 10 000 Einwohner 1997 auf 15,4 2001. Ähnlich sieht es in der Inneren Medizin aus: 9 154 Betten wurden von 1997 bis 2001 abgebaut, die Bettendichte lag mit 21,6 Betten 2001 um 1,15 niedriger als noch 1997. Die Reihenfolge der Bundesländer nach Fachabteilungen stimmt mit der bundesweiten Reihenfolge, bezogen auf die Anzahl an Betten, überein. Vor allem der Geburtenrückgang und die höhere Lebenserwartung führten darüber hinaus zu einem deutlichen Bettenabbau in der Gynäkologie/Geburtshilfe. So sank die bundesweite Bettenzahl von 53 485 Betten (1997) auf 47 686 (2001). Ein gegenläufiger Trend zeichnet sich in einigen Bundesländern für die Fachgebiete Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychotherapeutische Medizin ab. In Baden-Württemberg stieg die Bettenzahl in der Psychotherapeutischen Medizin von 114 Betten (1999) auf 776 Betten (2002), Niedersachsen verzeichnete einen leichten Anstieg von 2000 bis 2002; gleich geblieben ist die Zahl der Betten von 2000 bis 2002 auf diesem Gebiet in Hessen. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales geht in seiner sechsten Fortschreibung des Krankenhausbedarfsplans vom 1. Januar 2001 von einem künftigen Anstieg der Bettenzahl in der Psychotherapeutischen Medizin aus; eine ähnliche Entwicklung sieht der Krankenhausbedarfsplan von Schleswig-Holstein bis 2005 in der Psychotherapeutischen Medizin und der Psychosomatik vor. Ist die Zahl der Betten in diesem Gebiet auch relativ klein, so ist es doch der einzige nicht konsequent rückläufige Bereich.
Während die Zahl der Betten lediglich das Ergebnis der Bedarfsermittlung ist, zeigt ein Blick auf die Verweildauer als Teilkriterium der Bedarfsplanung, warum überhaupt Betten reduziert werden konnten: infolge der höheren Fluktuation. Die schnellere Entlassung von Patienten in allen Bundesländern führte zu einem Rückgang der Verweildauer von 15,3 Tagen (1990) auf 11,0 Tage (1997) und 10,1 Tage (2000). Am schnellsten aus dem Krankenhaus entlassen wurden die Patienten in Mecklenburg-Vorpommern. Schon nach durchschnittlich 8,8 Tagen konnten sie das Krankenhaus verlassen, gefolgt vom Saarland mit 9,3 Tagen. Die längste Liegezeit gab es in Hamburg und Berlin mit 10,8 Tagen. Ein Rückblick auf die Jahre 1990 bis 1999 zeigt, dass in allen Bundesländern die durchschnittliche Verweildauer sank. Waren die Patienten vor allem in den neuen Bundesländern kurz nach der Wiedervereinigung noch überdurchschnittlich lange im Krankenhaus, lagen sie 2002 bereits bei der Verweildauerverkürzung vorn.
Trotz Bettenabbaus und kürzerer Liegezeiten stieg die Häufigkeit der Krankenhausfälle (Einweisungen je 1 000 Einwohner) erheblich. Lag diese 1996 bundesweit noch bei 185,3 aus dem Krankenhaus entlassenen vollstationären Patienten (ohne Stundenfälle) je 1 000 Einwohner, waren es 1999 bereits 197,1; 106,4 Prozent mehr als noch 1996. Sowohl 1996 als auch 1999 lag das Saarland mit jeweils 215,4 und 229,5 Krankenhausfällen je 1 000 Einwohner an erster Stelle, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 205,1 (1996) und 220,9 (1999). Am niedrigsten war die Krankenhaushäufigkeit in Baden-Württemberg. Hier wurden 1999 nur 169,4 vollstationäre Patienten je 1 000 Einwohner aus dem Krankenhaus entlassen.
Zukünftig ändert sich nichts: die Krankenhäuser haben sich auf weiteren Bettenabbau einzurichten. Einige Bundesländer halten sich zwar mit Prognosen noch zurück, der Trend bis 2005, gleichviel, ob bei Betten, Bettenziffer oder Verweildauer, bleibt jedoch derselbe wie in den letzten zehn Jahren. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium geht in seinen Rahmendaten für den neuen KHP ab 2003 von einem Abbau der Planbetten von 119 000 (2001) auf 110 000 bis 2003 aus, Bayern hat allein von 2001 bis 2002 202 voll- und teilstationäre Betten abgebaut, und Baden-Württemberg rechnet mit einer baldigen Bettenreduktion von 63 155 vollstationären Betten (2002) auf 62 638.
Ähnlich sieht es in den Ländern mit niedrigerer Bettenzahl aus. Berlin wird bis 2005 über 1 000 Planbetten abbauen, Hamburg prognostiziert einen Abbau von 13 390 vollstationären Betten in zugelassenen Krankenhäusern (2001) auf 11 948 Betten bis 2005, und das Saarland baut bis 2004 807 vollstationäre Betten ab. Dr. Ernst Bruckenberger, Lehrbeauftragter der Medizinischen Hochschule Hannover und Referatsleiter für Krankenhausplanung,
-finanzierung und -bauplanung sowie ärztliche Weiterbildungsstätten im Niedersächsischen Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales, rechnet bis 2005 mit einem Rückgang der Bettendichte auf 50,9 Betten je 10 000 Einwohner (2002: 66,6 in Plankrankenhäusern). Bei einer Verweildauerreduzierung von 20 Prozent und unter Berücksichtigung der Fallzahl des Jahres 2001 geht der Ökonom von einem Abbau von insgesamt 135 330 Betten aus (siehe Grafik). Dort, wo Angaben zur Entwicklung der Verweildauer gemacht werden, bestätigt sich der Trend. Sachsen betreute seine Patienten 2002 mit 9,1 Tagen bereits 1,4 Tage kürzer als noch 2000, Hessen will die Liegezeiten bis 2005 von 9,1 Tagen auf 8,1 Tage (2000: 9,9) drücken, und auch Niedersachsen geht von einem Rückgang der Verweildauer bis 2005 auf 7,2 Tage (2000: 9,9) aus. Martina Merten

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