ArchivDeutsches Ärzteblatt PP2/2003Psychoneuroimmunologie: Stress erhöht Infektanfälligkeit

WISSENSCHAFT

Psychoneuroimmunologie: Stress erhöht Infektanfälligkeit

Hoc, Siegfried

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LNSLNS Zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem bestehen Wechselbeziehungen.

Entstehung und Verlauf von somatischen Krankheiten werden schon länger durch psychosomatische Ansätze zu erklären versucht. Über die biochemischen Voraussetzungen für die Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper konnte bis vor wenigen Jahren jedoch nur spekuliert werden. Es war noch zu wenig über die Funktionsweise des Immunsystems und den damit korrespondierenden Vorgängen im Nerven- und Hormonsystem bekannt. Inzwischen ist die Psychoneuroimmunologie ein anerkanntes interdisziplinäres Forschungsgebiet. Obwohl viele Kommunikationswege zwischen dem Immun-, Nerven- und Hormonsystem noch unbekannt sind, ist gut dokumentiert, dass das Immunsystem in der Lage ist, auf neurochemische Signale von Nerven- und Hormonsystem zu reagieren. Umgekehrt vermag das Immunsystem über humorale und zelluläre Mediatoren die Funktion des Nerven- und Hormonsystems zu beeinflussen, erläuterte Prof. Dr. Manfred Schedlowski, Essen, bei einem Pressegespräch des Förderkreises Immunschutz, Wehrheim, in München.
Akute Atemwegsinfektionen häufig bei psychischem Stress
Unbestritten ist heute, dass sowohl akuter als auch chronischer psychischer und körperlicher Stress, die Funktionen der Immunabwehr beeinflussen. Auf einen Nenner gebracht bedeutet dies, die Infektionsanfälligkeit durch Stress. Retrospektive epidemiologische Studien belegen, dass Patienten mit häufigen akuten Infektionen der oberen Atemwege unter starken psychischen Belastungen stehen. Experimentelle virologische Studien haben gezeigt, dass psychische Belastungen die Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern erhöhen. Erwiesen ist auch, dass chronischer Stress die Konzentration von sekretorischem Immunglobulin A im Speichel senkt.
Emotionale und mentale Belastungen bewirken eine vermehrte Freisetzung von Neurotransmittern und Hormonen. Über Rezeptoren an Lymphozyten können so stressbedingte Veränderungen immunologischer Funktionen induziert werden. Bekannt ist, dass in Stresssituationen beispielsweise Glukokortikoide verstärkt ausgeschüttet werden. Diese Hormone beeinflussen alle immunkompetenten Zellen. In der Therapie werden Glukokortikoide als Immunsuppressiva appliziert, wobei sowohl humorale als auch zelluläre Immunfunktionen betroffen sind. Beispielsweise hemmen Kortikosteroide die Zytokin-Produktion, mindern die Reaktivität von T- und B-Lymphozyten und die Aktivität der natürlichen Killerzellen. Über diese Mechanismen kann lang anhaltender Stress die Abwehrfunktionen dauerhaft einschränken, wodurch die Infektanfälligkeit ansteigt.
Chronischer Stress, den das Gehirn auf Dauer nicht kompensieren kann, führt neben den Funktionseinbußen des Immunsystems auch zu Ermüdungszuständen. In der Sport- und Präventivmedizin spricht man dann von einem „Open-Window-Phänomen“, das heißt, ein supprimiertes Immunsystem wirkt auf Krankheitserreger sehr anziehend. Es gibt jedoch Möglichkeiten, das „Open Window“ klein zu halten und damit die Risiken zu minimieren. Prof. Dr. med. Heinz Liesen, Paderborn, nannte Bewegung und körperliches Training (auch im Sinne der Psychoregulation), optimale Versorgung mit Mikronährstoffen sowie Immunmodulation. Siegfried Hoc

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