Versicherungen
Gesetzliche Krankenversicherung: Teures Urteil des Bundessozialgerichts


Um die finanziell angeschlagene Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zu entlasten, hat Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. März vorgeschlagen, das von den Krankenkassen gezahlte Krankengeld aus dem Leistungskatalog zu streichen. Da passt es kaum ins Konzept, dass das Bundessozialgericht in Kassel der GKV neue Belastungen aufbürdet. Es bejahte die seit Jahren ungeklärte Frage, ob aus einmalig gezahltem Arbeitsentgelt wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld auch rückwirkend Krankengeldansprüche entstehen.
Vom Urlaubs- und Weihnachtsgeld waren schon immer Beiträge an die Krankenversicherung zu zahlen. Bei der Berechnung des Krankengeldes blieben die Einmalzahlungen früher aber unberücksichtigt. Bereits 1995 hat das Bundesverfassungsgericht dieses Prozedere als verfassungswidrig eingestuft und den Gesetzgeber aufgefordert, bis zum 1. Januar 1997 eine Neuregelung zu finden.
Doch auch danach gab es verfassungsrechtliche Bedenken, sodass die Versicherten von verschiedenen Seiten aufgefordert wurden, erneut gegen die Bescheide ihrer Krankenkasse Widerspruch einzulegen. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben deshalb am 28. Juli 1998 unter Berufung auf mehrere beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren klargestellt, dass ein Widerspruch unnötig sei: Nach einem Urteilsspruch bezüglich der Beitragspflicht von Einmalzahlungen würden alle Versicherten – gegebenenfalls rückwirkend – gleichgestellt.
Das Bundesverfassungsgericht hat im Mai 2000 erneut zugunsten der Versicherten entschieden. Das Gesetz wurde abermals geändert, allerdings mit einer Übergangsvorschrift: Die Neuregelung sollte nur für die Fälle gelten, die zum Zeitpunkt der Urteilsveröffentlichung noch nicht endgültig entschieden waren, um die Krankenkassen finanziell nicht zu überfordern. Genau diesen Haken haben die Richter des Bundessozialgerichts in ihrem aktuellen Urteil (Az.: B 1 KR 36/01 R) geradegebogen. „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ muss nun in all jenen Fällen gewährt werden, in denen die entsprechenden Bescheide am Tag der Erklärung der Spitzenverbände (28. Juli 1998) noch nicht bestandskräftig waren. All diejenigen, die aufgrund der publizierten Erklärung der Sozialversicherer auf einen Widerspruch verzichtet haben, können nun auf eine Krankengeld-Nachzahlung hoffen. Das gilt nach Ansicht von Experten auch für nach dem 28. Juli 1998 angefallene Krankengeldzahlungen.
Die Krankenkassen dürfen sich nicht auf den Ablauf der „Rechtsbehelfsfrist“ (bei Bescheiden mit Rechtsbehelfsbelehrung: ein Monat, ohne: ein Jahr) berufen, weil sie ihre Versicherten mit einer irreführenden öffentlichen Informationskampagne dazu gebracht haben, auf Widersprüche zu verzichten. Diese durften davon ausgehen, dass sich die Aufforderung sowohl auf die Beitrags- als auch auf die Krankengeldbescheide bezog.
Nachdem sich die meisten Krankenkassen über Jahre vor ihrer Zahlungspflicht gedrückt haben – Ausnahmen gelten für die AOKen –, müssen sie nun zahlen. Das gilt nicht nur für die vor dem Bundessozialgericht unterlegene DAK, sondern für viele der anderen Krankenkassen. Ein formloser Antrag genügt. Wolfgang Büser
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