ArchivDeutsches Ärzteblatt19/2003Agenda 2010: Grüner Stempel
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LNSLNS Bunt sprießende Frühlingsblüher, einige Stühle in der Sonne und in der Ecke ein alter Grill. Beschaulich geht es zu in der Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem idyllisch gestalteten Innenhof in Berlin-Mitte. Gut schien die Stimmung auch im Bundesvorstand der Partei, der sich am Montag vergangener Woche über die umstrittene Reformagenda 2010 verständigte. „Die Grundlinien stehen“, verkündete Parteichef Reinhard Bütikofer gut gelaunt im Anschluss an die Sitzung. Die Grünen scheinen somit weit entfernt von dem an Selbstzerfleischung grenzenden Streit, wie ihn die SPD dieser Tage erlebt.
Nur Stunden zuvor musste Bundeskanzler Gerhard Schröder gar mit Rücktritt drohen, um in der eigenen Parteispitze eine tragfähige Mehrheit für sein Reformpaket zu erringen. Auf Regionalkonferenzen soll die Basis von der Notwendigkeit der Einschnitte überzeugt werden, bevor es auf dem SPD-Sonderparteitag am 1. Juni in Berlin zum Schwur kommt.
Grünen-Chef Bütikofer sieht in seiner Partei allenfalls Gesprächsbedarf „bei einzelnen Punkten“. Grundsätzlich sei man sich aber über die Notwendigkeit der angestrebten Reformen einig. Doch das grüne Idyll könnte trügen. An der Parteibasis formiert sich Widerstand. So wollen aufmüpfige Grünen-Kreisverbände auf dem Cottbuser Sonderparteitag am 14. Juni mit einem eigenen Antrag die „Agenda 2010“ ins Wanken bringen. Ob dies tatsächlich gelingt, ist ungewiss. Vorsorglich setzt die Parteispitze jedoch „auf Transparenz und auf Visionen“, um für das Reformpaket zu werben. Man müsse vermitteln, wohin „die Reise gehen soll“, sagte Bütikofer.
Dafür scheint die Führung insbesondere die Gesundheitspolitik wiederentdeckt zu haben und formuliert als langfristiges Reformziel die Einführung einer Bürgerversicherung für alle. Diese Idee gehe über die vorgelegte Agenda 2010 hinaus und stelle das „spezifisch Grüne“ an den Reformplänen dar, erklärte der Parteichef.
Den Kanzlerplänen wird damit ein deutlich sichtbarer grüner Stempel aufgedrückt – wenn auch fernab der tagespolitischen Aktualität. Beim Cottbuser Sonderparteitag könnte dies dennoch helfen, manchem Delegierten bittere Pillen zu versüßen und die Parteispitze wie auch den Kanzler vor unangenehmen Überraschungen zu bewahren.
Samir Rabbata

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