POLITIK
Privatbehandlung: Privatliquidation im Krankenhaus massiv gefährdet


Vieles deutet darauf hin, dass das Liquidationsrecht leitender Krankenhausärzte für stationäre Wahlleistungen auf der Basis der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mittelfristig beseitigt werden soll. Es bahnen sich Entwicklungen an, die die ärztliche Berufsausübung in ihrer freiberuflichen Ausprägung als leitender Krankenhausarzt, aber auch als am Honorar partizipierender ärztlicher Mitarbeiter erheblich erschweren. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als beabsichtigte die Politik, die ärztliche Berufstätigkeit in ihren Rahmenbedingungen so zu reglementieren, dass nur noch die Flucht in einen Angestelltenstatus zwar mit medizinischer Verantwortung und Haftung des Arztes, aber mit strikten rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgaben Dritter als Ausweg erscheint.
Wahlleistungsvereinbarung wird rechtlich erschwert
Da ist zunächst die Rechtsprechung, die immer neue Hürden schafft. Das Oberlandesgericht Thüringen hat mit Urteil vom 16. Oktober 2002 (Az.: 4 U 277/02) die Anforderungen an eine wirksame Wahlleistungsvereinbarung – im Vorgriff auf Regelungen im Fallpauscha-
lengesetz – verschärft. Ein Chefarzt wurde vom Gericht abgewiesen, er habe gegen die Beklagte – ein Versicherungsunternehmen – keinen Honoraranspruch, weil die Wahlleistungsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sei. Als Grund wird die aus Sicht des Gerichts unzulängliche Unterrichtung über den Umfang der voraussichtlich anfallenden ärztlichen Wahlleistungen und deren Kosten angeführt. Bislang reichte es aus, den Patienten vor der Behandlung über die Entgelte der Wahlleistungen zu unterrichten; dazu diente die Einsichtnahme in die GOÄ. Nun wird gefordert, dass der Chefarzt detailliert über den voraussichtlichen Umfang seiner Leistungen und über
die hierfür zu berechnenden Entgelte informiert: welche Gebührenpositionen er ansetzen wird, ob er Schwellenwerte überschreiten und wie hoch seine Rechnung für den Patienten voraussichtlich sein wird. Zwar sei – so das Gericht – eine genaue Angabe der zu erwartenden Kosten – wie im Rahmen eines Kostenvoranschlages nach § 650 BGB – dabei letztlich nicht erforderlich, sondern es reiche auch hier eine „im Wesentlichen zutreffende Angabe“ aus. Dies ist aber keine große Entlastung. Das Urteil verlangt vor der Chefarztbehandlung eine Kostenübersicht. Wird diese nicht erstellt, entfällt die Grundlage für die Privatliquidation.
Ein anderes Urteil wird dazu führen, dass der ärztliche Privatbehandlungssektor schrumpft. Kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass Krankenhaus-Wahlleistungen von der Beihilfe nicht erstattet werden müssen. Mit Urteil vom November 2002 (Az.: 2 BvR 1053/98) stellte es fest, dass die Grundsätze des Berufsbeamtentums – Fürsorgepflicht und Alimentationsprinzip – nicht beeinträchtigt werden, wenn der Umfang der Beihilfe begrenzt wird: hier begrenzt auf das Niveau des GKV-Regelleistungspatienten. Das Karlsruher Gericht argumentiert, die Gewährung von Beihilfe bei Aufwendungen für Krankenhauswahlleistungen sei nicht erforderlich. Diese seien für eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall in der Regel nicht notwendig. Eine medizinische Vollversorgung sei nach der geltenden Bundespflegesatzverordnung bereits aufgrund der allgemeinen Krankenhausleistungen gewährleistet.
Folge dieses Urteils: Der bereits vollzogene Ausschluss der Wahlleistungen aus der Beihilfe in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein ist jetzt höchstrichterlich bestätigt worden. Die im Bund und in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geltenden Beihilferegelungen sehen dagegen die Beihilfefähigkeit – auch der Aufwendungen für Wahlleistungen – noch vor. Inwieweit diese vor dem Hintergrund des Ausschlusses in den übrigen Bundesländern aufrechterhalten werden kann, ist offen. Zwar sind Versorgungsempfänger, Schwerbehinderte und Personen ab Vollendung des 55. Lebensjahres von dieser Beschränkung nicht betroffen, weil bei ihnen eine ergänzende Zusatzversicherung mit zumutbaren Beiträgen nicht möglich ist. Der Stellenwert der wahlärztlichen Leistungen wird aber dennoch geschmälert, weil junge Beamte des unteren oder mittleren Dienstes demnächst in vollem Umfang selbst Mittel für eine Zusatzversicherung aufbringen müssen, wenn sie Wahlleistungen im Krankenhaus in Anspruch nehmen wollen.
Herr-im-Hause-Standpunkt
In diesen Trend passen weitere Entwicklungen, die das Privatliquidationsrecht im Krankenhaus infrage stellen, wie zum Beispiel der Mustervertrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG), der das Liquidationsrecht auf GOÄ-Basis nur mehr noch als Ausnahmeregelung vorsieht. Bereits im Vorgriff auf politische Planungen zur Einführung von diagnosebezogenen Fallpauschalen im Krankenhaus soll damit die Behandlung von Privatpatienten dem Dienstaufgabenbereich des leitenden Arztes zugeordnet werden. Der Krankenhausträger will die Liquidation selbst übernehmen oder erhält Zusatzvergütungen für die Behandlung von Privatversicherten. Ärzte sollen aus den vom Träger erzielten Einnahmen für die Behandlung von Privatpatienten pauschal vergütet werden. Die finanzielle Schlechterstellung des Chefarztes ist wegen der enger werdenden finanziellen Spielräume der Krankenhäuser absehbar. Die Bundesärztekammer hat gemeinsam mit dem Marburger Bund und dem Verband leitender Krankenhausärzte Deutschlands e.V. ihre Kritik an den rechtlich und politisch fragwürdigen Regelungen in Form von Hinweisen zum DKG-Mustervertrag formuliert. Diese werden in Kürze im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht, um künftigen Chefärzten Argumente gegen diesen „Herr-im-Hause-Vertrag“ an die Hand zu geben.
DRGs und Privatliquidation
Am gravierendsten wird sich die Einführung des DRG-Vergütungssystems für Krankenhäuser auswirken, das zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist und bis zum Jahre 2007 in drei gesetzlich
definierten Stufen eine völlige Neuausrichtung der Krankenhausentgelte auf diagnosebezogene Fallpauschalen (DRGs) vorsieht. Politische Weichenstellungen in diese Richtung – im früheren Referentenentwurf eines Fallpauschalengesetzes oder im Beschluss des Finanzausschusses des Bundesrates zur Abschaffung der „Liquidationskette“ – wurden zwar wieder zurückgenommen, was jedoch nicht mit der politischen Zusage, das bisherige Privatliquidationsrecht für wahlärztliche Leistungen zu wahren, gleichzusetzen ist. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass die Entscheidung über das Schicksal der Privatliquidation lediglich auf einen späteren Zeitpunkt vertagt worden ist – so auch der Tenor des Schreibens
von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt an den Präsidenten der Bundesärztekammer, Professor Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, wonach „die Frage der Erbringung von ärztlichen Wahlleistungen erst im Rahmen eines gesonderten Gesetzgebungsverfahrens zu klären sein wird, mit dem der ordnungspolitische Rahmen des DRG-Fallpauschalensystems ab dem Jahr 2007 festgelegt werden wird“. Im Klartext bedeutet dies: Für die Ärzteschaft ändert sich vorerst noch nichts bis zu dem Zeitpunkt – voraussichtlich im Jahr 2006 –, in welchem die Klinikbudgets entfallen und die diagnosegestützten Fallpauschalen als Preise „scharf geschaltet“ werden.
Schiefe Begründung
Aus Sicht der Fachebene im Bundesgesundheits- und Sozialministerium bleibt für die wahlärztliche Privatliquidation bei Krankenhausbehandlung in der bisherigen Form dann kein Raum mehr. Begründet wird dies wie folgt: Bei der Kalkulation der Fallpauschalen werden sämtliche Kosten – auch die der wahlärztlichen Leistungen – erfasst und abgebildet. Die mit der Umstellung der Krankenhäuser auf ein DRG-Erlösbudget faktisch resultierende Einfrierung des Kostenabzuges bei wahlärztlichen Leistungen gemäß § 7 Absatz 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) soll in ihrer Konsequenz zwischen den Krankenhäusern zu „Wettbewerbsverzerrungen“ durch ungleich hohe Erlöse aus ärztlichen Wahlleistungen führen.
Diese finanzierungstechnische und politische Wertung des Ministeriums überzeugt nicht. Auch im geltenden Finanzierungssystem werden Kosten der ärztlichen Behandlung in Fallpauschalen abgebildet und daneben das Chefarzthonorar berechnet. Bereinigt wird die Kostenbelastung des Privatpatienten durch die Minderung des Honorars um 25 Prozent. Von daher ließe sich auch im Zeitalter der DRGs die bisherige sinnvolle Verzahnung von Wahlarztliquidation und Fallpauschale fortführen oder aber zum Beispiel durch Ausgliederung der Kosten des Chefarztes und des ärztlichen Dienstes und Wiedereinführung eines Wahlarztabschlags auf die Fallpauschale erreichen. Dies würde zu der notwendigen Entlastung des mit der DRG-Fallpauschale und dem Honorar des Chefarztes belasteten Privatpatienten führen. Das bisherige Privatliquidationsrecht würde in seinen wesentlichen Grundsätzen erhalten bleiben, das wesentlich dazu beigetragen hat, qualifizierte Ärzte langfristig an das Krankenhaus zu binden und auch die Mitarbeiter an diesen Einnahmen zu beteiligen sowie auch weiterhin dem Krankenhausträger in Form des Vorteilsausgleichs finanzielle Mittel bereitzustellen.
Der anstelle der Privatliquidation diskutierte pauschale Zuschlag zur DRG-Fallpauschale trägt diesen Gesichtspunkten keinesfalls Rechnung, entkoppelt die Privatliquidation von der individuellen ärztlichen Verantwortung für die Behandlung, ist intransparent und wird mehr als Gehaltszulage anzusehen sein, die je nach Wirtschaftssituation und Gutdünken vom Krankenhausträger eher als Zuteilung denn als individuelle Honorierung ärztlicher Leistungen gehandhabt werden dürfte. Diese würde dann zur abhängigen Größe der Basisfallwertgestaltung im DRG-System degenerieren. Abwegig ist auch das Argument der Wettbewerbsverzerrung. Verkannt wird, dass in jedem Fall der wesentliche Wettbewerbsparameter die Kompetenz des leitenden Krankenhausarztes ist. Darauf gründet sich in der Regel der Ruf des Krankenhauses beziehungsweise einer Krankenhausabteilung.
Alle Kräfte mobilisieren
Wenn die Ärzteschaft das Privatliquidationsrecht vor diesem Hintergrund erhalten will, müssen schon jetzt alle Kräfte mobilisiert werden, um die Vorteile einer individuellen Behandlung durch qualifizierte Krankenhausärzte der Politik, der privaten Krankenversicherung und den Krankenhausträgern zu verdeutlichen. Dies schließt auch Überlegungen ein, das Liquidationsrecht im Krankenhaus auf eine breitere Basis
zu stellen. Renate Hess
Brusis, T.
Rösecke, Klaus