ArchivDeutsches Ärzteblatt26/2003Private Krankenversicherung: Plädoyer für kapitalgedeckte Krankengeldversicherung

VARIA: Wirtschaft

Private Krankenversicherung: Plädoyer für kapitalgedeckte Krankengeldversicherung

Clade, Harald

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Reinhold Schulte, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V., Köln/Dortmund. Foto: Signal Iduna
Reinhold Schulte, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V., Köln/Dortmund. Foto: Signal Iduna
Die private Krankenversicherung (PKV) will das Risiko der Krankengeldzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit über eine kapitalgedeckte Pflichtversicherung abdecken. Nach den Absichten der Bundesregierung – verankert im Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform – soll die Krankengeldzahlung künftig privatisiert und aus dem Pflichtleistungskatalog der gesetzlichen Versicherung eliminiert werden. Dadurch würden die Krankenkassen jährlich um fast acht Milliarden Euro (einschließlich der Verwaltungskosten) entlastet werden, hofft die Bundesregierung.
Die privaten Krankenversicherungsgesellschaften wären, wie deren Verband in Berlin erklärte, bereit, die Aufgaben einer privaten Zusatzkrankengeldversicherung zu übernehmen. Allerdings hänge die Ausgestaltung und damit die Prämiengestaltung von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab. Der PKV-Verband, der sich bei der Absicherung des Krankengeldrisikos ausschließlich in der Privatassekuranz auf ein Sozialrechtsgutachten von Prof. Dr. jur. Bernd Baron von Maydell, München, und Prof. Dr. jur. Beatrix Karl, Graz, stützt, knüpft an das Privatversicherungsmodell folgende Voraussetzungen und Rahmenbedingungen:
- Wenn eine Versicherungspflicht für abhängig Beschäftigte mit Krankengeld in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) besteht, würden sich die privaten Krankenversicherungsgesellschaften einer Aufnahmepflicht von Versicherten unterwerfen (Kontrahierungszwang).
- Versicherte, die einer privaten Krankengeldpflichtversicherung beitreten, würden nicht aus Risikogründen bei der Aufnahme abgelehnt werden. Es findet mithin weder eine Risikoprüfung statt, noch gibt es Zuschläge, noch risikobezogene Differenzierungen nach Berufen.
- Eine Dynamisierung des Versicherungsschutzes bei steigenden Entgelten sei ebenfalls ohne Risikoprüfung möglich.
- Auch geschlechtsneutrale Prämien seien möglich.
- Die private Krankenversicherung würde bei einer Übertragung der neuen privaten Krankengeldpflichtversicherung auf die PKV Höchstbeiträge akzeptieren, die durch die Politik festzulegen wären (analog zur Pflegepflichtversicherung in der PKV).
- Im Unternehmen, zu dem ein Versicherter wechselt, zählt zum Wechselzeitpunkt das alte Eintrittsalter des Versicherten. Eine Risikoprüfung findet ebenfalls dann nicht statt.
Folgende Umsetzungsmodalitäten müssten beim PKV-Modell realisiert sein:
- Bei Einführung einer Krankengeldpflichtversicherung sollen bis zu einem Eintrittsalter von 39 Jahren Alterungsrückstellungen gebildet werden (analog zur Krankheitskostenversicherung in der PKV). Dabei handelt es sich um kapitalgedeckte Rückstellungen in der privaten Krankenversicherung.
- Mit Beginn des Eintritts-alters 40 werden die derzeitigen Versicherten in einem Pool (unternehmensübergreifender Ausgleich) versichert. Die monatlich Prämie hängt dabei von der Höhe des versicherten Krankengeldes ab.
- Sämtliche erwerbstätigen Versicherten in der GKV mit Krankengeldanspruch würden in der GKV nach Maßgabe des Anteils des Krankengeldes beim Kollektivbeitrag entlastet. Die Beiträge zur GKV würden in dem Umfang sinken, wie die Krankengeldzahlungen eingespart und das Risiko verlagert werden. Dadurch würden die Lohnzusatzkosten der Arbeitgeber reduziert.
Der Verband der privaten Krankenversicherung nennt folgende Vorteile des von der Branche propagierten Modells:
- Die Monatsprämie gibt eine äquivalent gerecht kalkulierte Belastung des Versicherten wieder. Bei einer Übertragung der Zusatzversicherung für das Krankengeld auf die PKV würde zudem eine generationengerechte Belastung der Versicherten infolge der Berücksichtigung der Demographie-Komponente gewährleistet werden.
- Die Bezugsdauer des Krankengeldes könnte durch eine entsprechende Wahl des Versicherungstarifs zeitlich unbegrenzt werden, nicht aber – im Gegensatz zur GKV – auf höchstens 78 Wochen Krankengeldzahlung.
- Bei Übertragung des Krankengeldrisikos und der Versicherung auf die Privatassekuranz könnte schrittweise eine kapitalgedeckte Versicherung aufgebaut werden.
- Den Versicherten würde eingeräumt, den Zusatzversicherungsschutz individuell zu gestalten. Er hätte die Wahlmöglichkeit, den Krankengeldanspruch bei Variation der Prämie und des entsprechenden Tarifs aufzustocken oder die Prämien zu reduzieren, indem der Beginn der Krankengeldzahlung auf einen späteren Termin verlagert wird, wenn der Arbeitgeber eine längere Zeit (länger als sechs Wochen) das Entgelt fortzahlt.
- Bei einer Übertragung der Krankengeldversicherung auf die PKV würden Quersubventionierungen zwischen Gesetzlicher und privater Krankenversicherung unterbunden werden.
- Die Versicherungsmodalitäten bei einer Anbindung der Versicherung an die PKV wären rechtlich solide und für den Versicherten überblickbar.
- Die bisherige paritätische Finanzierung der GKV zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern würde beim übrigen Pflichtleistungskatalog erhalten bleiben.
- Bei einer privaten Krankengeldzusatzversicherung, durchgeführt und organisiert durch die gesetzlichen Krankenkassen, würden wirtschaftlich orientierte Elemente der Gesetzlichen Krankenversicherung zugeordnet werden, was aber auf sozialversicherungs-, wettbewerbs- und europarechtliche ebenso wie auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt.
Unrealistischer Vorstoß
Inzwischen haben die Krankenkassenspitzenverbände den Vorstoß der PKV als nicht realisierbar und zu kostspielig zurückgewiesen. Das Bundeskanzleramt hat in einem Schreiben die Krankenkassen unterstützt. Zudem: Die PKV-Unternehmen müssten einen eigenen medizinischen Dienst zur Krankenstandskontrolle aufbauen, was auch der PKV-getragene Prüfdienst für die Pflegeversicherung (Medicproof) nicht bewältigen könnte. Dr. rer. pol. Harald Clade

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