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Krankenkassenbeiträge: Verspielter Kredit


Als im November 2002 immer mehr Krankenkassen diese gesetzlichen Vorgaben nicht mehr ohne deutliche Beitragssatzanhebungen einhalten konnten, hat ihnen dies die Bundesregierung kurzerhand verboten. Im Beitragssatzsicherungsgesetz wurde festgeschrieben, dass es den Krankenkassen bis zum 31. Dezember 2003 untersagt ist, die Beiträge zu erhöhen – es sei denn, sie weisen nach, dass sie ohne Beitragssatzanhebungen zur Deckung ihrer Leistungen Kredite aufnehmen müssten. Mit dem Gesetz versuchte Ulla Schmidt ihr Gesicht zu wahren. Denn sie hatte noch drei Monate zuvor – es war Wahlkampf – felsenfest behauptet, dass die Krankenkassenbeiträge stabil blieben.
Auch das im Beitragssatzsicherungsgesetz (immerhin) noch enthaltene Verbot für die Krankenkassen, Kredite aufzunehmen, ist mittlerweile Makulatur. Als Kassenfunktionäre andeuteten, dass sie die durch die
anstehende Gesundheitsreform erhofften Einsparungen zunächst zum Schuldenabbau statt zur Beitragssatzsenkung verwenden wollten (wie es ja auch gesetzlich vorgeschrieben ist), bestellte das Bundesgesundheitsministerium die Kassenchefs zu einem Spitzengespräch ein. Am 30. Juli wurde ein Kompromiss ausgehandelt: Die Krankenkassen verpflichteten sich, die Einsparungen der Reform größtenteils für Beitragssatzsenkungen zu verwenden. Im Gegenzug will die Bundesregierung den Krankenkassen gestatten, die in diesem Jahr auflaufenden Schulden und Defizite von mehr als sieben Milliarden Euro (!) über mehrere Jahre abzubauen.
Somit wird also in den nächsten Jahren ein Teil der Krankenkassenbeiträge für Zinszahlungen an die Banken ver(sch)wendet. Aber dafür kann sich die Bundesregierung – zumindest kurzfristig – mit sinkenden Beitragssätzen rühmen. Jens Flintrop