BRIEFE
Erfundene Krankheiten: Empfehlung – diagnostische Zurückhaltung


Neben wirtschaftlichen oder narzisstischen ärztlichen und pekuniären pharmazeutischen Interessen spielt hier offensichtlich das Bedürfnis oder zumindest die Bereitschaft vieler Menschen eine Rolle, lieber „unverschuldet“ in eine Krankenrolle zu geraten, als aus anderen Gründen als dysfunktional zu gelten. Die diffusen Diagnosen exkulpieren die Betroffenen. Sie sind nicht mehr nur einfach so müde, faul, leistungsschwach, unkonzentriert, verstimmt oder nur alt, sondern weil sie als krank erklärt werden. Dies aber passt gut in die Tendenz unserer Zeit, in der „dysfunktionale“ Züge nicht gerne ins gesellschaftliche Gesamtbild integriert, sondern pathologisiert mit medizinisch-therapeutischer Zuwendung „belohnt“ werden.
Aber ist das alles nicht nachvollziehbar? Wenn Ressourcen und Budgets enger werden, verschärfen sich die Verteilungskämpfe. Außerdem – wenn Sie versuchen, die Begriffe „gesund“ und „krank“ zu definieren, werden Sie feststellen, dass es hier tatsächlich keine scharfe Grenze gibt. Wie weit wir aber in dieses Grenzland medizinisch und pharmakologisch vorstoßen sollten, ist die Frage. Ich selbst empfehle eine diagnostische Zurückhaltung. Außerdem habe ich jetzt schon Angst vor der Diagnose einer „posttraumatischen Verbitterungsstörung“, die mir noch nicht mal die EU-Rente einbringen wird. Aber dagegen hilft hoffentlich eine andere Erkrankung: die „generalisierte Heiterkeitsstörung“. Die brauchen wir wirklich. Ehrlich.
Dr. med. Dirk Arenz, Gottfried-Disse-Straße 40, 53879 Euskirchen
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.