MEDIZIN: Editorial
Schlafstörungen durch nächtlichen Reflux


Nach einer Gallup-Umfrage im Auftrag der American Gastroenterological Association (AGA) haben 79 Prozent der Patienten, die mindestens einmal pro Woche unter Sodbrennen leiden, auch Symptome in der Nacht, wenngleich ausschließliche nächtliche Refluxsymptome mit 13 Prozent relativ selten sind (8). Immerhin jeder Zweite empfindet das nächtliche Sodbrennen als beeinträchtigender als die Refluxsymptome während des Tages (3, 8).
Neben den Schmerzen, die naturgemäß eine Beeinträchtigung der Lebensqualität hervorrufen, führt nächtliches Sodbrennen aber auch zu qualitativen und quantitativen Veränderungen des Schlafs.
Nach der Umfrage der AGA berichteten 75 Prozent der Patienten mit nächtlichem Sodbrennen über Schlafstörungen, die sich als Einschlaf- oder Durchschlafstörungen manifestieren können. Außer durch nächtliche retrosternale Schmerzen dürfte das Aufwachen oftmals durch nächtliches
Husten oder andere Symptome vonseiten des Nasen-Rachen-Raums beziehungsweise Respirationstraktes ausgelöst werden, auch wenn es dazu bisher wenig quantitative Angaben in der Literatur gibt. Auch die Studie der AGA (8) gibt hierzu keine spezifischen Daten für deren nächtliches Auftreten. Die Schlafstörungen haben direkte Auswirkungen auf die Fähigkeit, am Folgetag berufstätig zu sein. So berichten 40 Prozent der Patienten in der AGA-Umfrage über eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit, wenn sie in der vorausgegangenen Nacht unter Sodbrennen gelitten hatten (8).
Die Bedeutung der nächtlichen Refluxsymptome für die berufliche Leistungsfähigkeit kommt noch in einer weiteren Untersuchung zum Ausdruck: Dean et al. (2) untersuchten den Zusammenhang zwischen Refluxkrankheit und Produktivität am Arbeitsplatz mittels eines validierten Fragebogens; dabei wurden sowohl Fehlzeiten, zum Beispiel wegen eines Arztbesuches (die bei Refluxkranken außerordentlich gering ausfielen), als auch eine verminderte Produktivität während der Anwesenheit am Arbeitsplatz erfasst.
Nächtliche Symptome unterdrücken
Insgesamt war die Produktivität bei nächtlichen Refluxsymptomen um 6 Prozent niedriger. In Abhängigkeit vom Ausmaß der Symptome wurde eine verminderte Produktivität bei bis zu 48 Prozent der Patienten mit ausgeprägter Symptomatik, jedoch nur bei 12 Prozent Patienten mit geringen Refluxbeschwerden beobachtet.
Das Auftreten von Sodbrennen in der Nacht war ein wesentlicher unabhängiger Faktor für die verminderte Produktivität.
Ausgehend von diesen Beobachtungen ist die Schlussfolgerung, dass es Ziel der Therapie der Refluxkrankheit sein muss, auch die nächtlichen Symptome wirksam zu unterdrücken. Dies erscheint nur erreichbar, wenn aufgrund wirksamer Säuresuppression auch der nächtliche Reflux weitestgehend ausgeschaltet wird. Nach den Daten der AGA-Studie ist dieses Ziel in der Breite auch nicht annähernd erreicht: Weniger als die Hälfte der Patienten mit nächtlichem Reflux war mit der durchgeführten Behandlung zufrieden (8).
Unzureichende Datenlage
Bisher gibt es aber nur wenige Daten, die sich dem Problem der Therapie von Schlafstörungen durch konsequente Antirefluxtherapie gewidmet gaben. Eine kürzlich vorgestellte Studie von Leodolter und Mitarbeitern (7) an mehr als 6 000 Patienten zeigte unter Protonenpumpenblockern (PPI) einen Rückgang von Einschlafstörungen von 60 Prozent vor der Therapie auf 18 Prozent unter der Behandlung, und nur noch 24 Prozent der Patienten berichteten über Durchschlafstörungen – gegenüber 70 Prozent vor Einleitung der Behandlung. Inwieweit sich die quantitativen Aussagen bestätigen, muss abgewartet werden, da eine Kontrollgruppe fehlte.
Inzwischen liegt aber auch eine Studie an einer kleinen Zahl von Patienten vor, die sich einer Antirefluxoperation unterzogen hatten: Postoperativ hatte sich nach subjektiver Einschätzung das Schlafverhalten verbessert, die Polysomnographie zeigte eine Zunahme der Tiefschlafphasen von 49 auf 58 Prozent (1).
Ergebnisse der AGA-Studie deuten in die gleiche Richtung (8): Die höchste Rate an Zufriedenheit mit der Behandlung war in der Gruppe zu beobachten, die verschreibungspflichtige Medikamente (vermutlich überwiegend PPI) einnahm.
Somit wird deutlich, dass eine wirksame Therapie der Refluxkrankheit nicht nur zu einer Besserung der bisher wenig beachteten durch Reflux bedingten Schlafstörungen beitragen kann, sondern dass darüber hinaus auch ein volkswirtschaftlicher Nutzen über eine erhöhte Produktivität der Betroffenen am Arbeitsplatz denkbar ist. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Schlafstörungen ein häufiges Phänomen in der Bevölkerung darstellen und bei gleichzeitigem Vorliegen einer Refluxkrankheit diese nicht ausschließlich als Ursache gestörten Schlafs anzusehen ist.
Refluxkrankheit und Schlafapnoesyndrom
Komplexer sind die Zusammenhänge zwischen nächtlichem gastroösophagealem Reflux und obstruktivem Schlafapnoesyndrom im Hinblick auf Schlafstörungen: Beide Erkrankungen sind per se mit Veränderungen des Schlafs assoziiert.
Neuere Untersuchungen belegen aber eine deutlich höhere Prävalenz pathologischer Refluxphasen bei obstruktivem Schlafapnoesyndrom (5). Sowohl die Zahl der Refluxepisoden als auch ihre Dauer waren signifikant erhöht gegenüber Patienten ohne obstruktive Schlafapnoe.
Hinsichtlich der pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen pathologischem Reflux und obstruktiver Schlafapnoe sind noch viele Fragen ungeklärt. Als eine Hauptursache wird angenommen, das der erniedrigte intrathorakale Druck in der Apnoephase den Reflux begünstigt. Ob diese Hypothese zutrifft, wird nach neueren Untersuchungen infrage gestellt, da in direktem zeitlichen Zusammenhang mit Apnoephasen keine vermehrten Refluxepisoden auftraten (6).
Immerhin gelingt es bei einem großen Teil der Patienten, durch Therapie der obstruktiven Schlafapnoe mittels nasalem CPAP („continuous positive airway pressure“) über eine Maske die Zahl der Refluxepisoden zu verringern und die Refluxbeschwerden deutlich zu bessern (4, 5). Dabei bestand eine direkte Korrelation zwischen dem Druck der CPAP-Therapie und der Verbesserung der Refluxscores. Dagegen gibt es bisher keine schlüssigen Daten zum Einfluss einer Therapie der Refluxkrankheit auf die Schwere des Schlafapnoesyndroms.
Literatur
1. Cohen JA, Arain A, Harris PA et al.: Surgical trial investigating nocturnal gastroesophageal reflux and sleep (STRINGERS). Surg Endosc 2003; 17: 394–400.
2. Dean BB, Crawley JA, Schmitt CM, Wong J, Ofman JJ: The burden of illness of gastro-oesophageal reflux disease: impact on the work productivity. Aliment Pharmacol Ther 2003; 17: 1309–1317.
3. Farup C, Kleinman L, Sloan S et al.: The impact of nocturnal symptoms associated with gastroesophageal reflux disease on health-related quality of life. Arch Intern Med 2001; 161: 45–52.
4. Green BT, Broughton WA, O'Connor JB: Marked improvement in nocturnal gastroesophageal reflux in a large cohort of patients with obstructive sleep apnea treated with continuous positive airway pressure. Arch Intern Med 2003; 163: 41–45.
5. Ing AJ, Ngu MC, Breslin AB: Obstructive sleep apnoea and gastroesophageal reflux. Am J Med 2000; 108 (Suppl): 120–125.
6. Jaspersen D, Micklefield GH, Vogelmeier C, Becker HF: Refluxassoziierte Atemwegserkrankungen: Asthma, chronischer Husten, Schlafapnoe. Internist 2003; 44: 58–62.
7. Leodolter A, Kulig M, Nocon M et al.: Esomeprazole therapy improves sleep disorders in patients with gastroesophageal reflux disease (GERD): a report from the ProGERD Study. Gastroenterology 2003; 124 (Suppl 1): A226.
8. Shaker R, Castell DO, Schoenfeld PS, Spechler SJ: Nighttime heartburn is an under-appreciated clinical problem that impacts sleep and daytime function: the results of a Gallup survey conducted on behalf of the American Gastroenterological Association. Am J Gastroenterol 2003; 98: 1487–1493.
Manuskript eingereicht: 6. 8. 2003, angenommen:
6. 8. 2003
zZitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2003; 100: A 3093–3094 [Heft 47]
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Herbert Koop
II. Innere Klinik
Helios Klinikum Berlin
Karower Straße 11
13122 Berlin
E-Mail: hkoop@berlin.helios-kliniken.de
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