ArchivDeutsches Ärzteblatt50/2003Prävention: Trügerisches Versprechen

SEITE EINS

Prävention: Trügerisches Versprechen

Jachertz, Norbert

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS Mit Prävention lässt sich bestimmt allerlei erreichen. Auf jeden Fall Wohlbefinden oder doch das Gefühl, für die eigene Gesundheit etwas getan zu haben. Ob sich Prävention auch wohltuend auf die Beiträge der Krankenkassen auswirkt, ist hingegen mit Bestimmtheit nicht vorherzusagen.
Gleichwohl hat sich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt jetzt weit vorgewagt. In einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ am 7. Dezember bekundete sie, es würde sie nicht wundern, „wenn die Kassen dadurch langfristig 20 Prozent weniger Ausgaben hätten“.
Die Krankenkassen selbst sind in der Hinsicht seit jeher weitaus vorsichtiger, wissen sie doch, dass sich aktuelle Vorsorgeaufwendungen zwar berechnen, aber deren langfristige Auswirkungen nicht kalkulieren lassen. Knallhart äußern sich renditeorientierte Profis. Zum Beispiel der große niederländische Versicherer Delta Lloyd, der sowohl die soziale wie die private Krankenversicherung unter einem Dach betreibt. In einem Gespräch mit einer neugierigen Besuchergruppe aus Deutschland erklärten die Versicherungsleute soeben auf die Frage, wie sie es denn mit der Prävention hielten: „Sie können von uns als Versicherer nicht erwarten, da viel zu tun.“ Prävention sei versicherungsmathematisch nicht zu fassen, man habe aber die Befürchtung, „dass Vorsorge sehr teuer sein kann“.
Ähnliche Warnungen kommen auch aus Deutschland, so vom Kieler Gesundheits-System-Forscher Fritz Beske: „Es gibt weltweit keine Methodik, mit der das Einsparvolumen durch Prävention für ein Gesundheitswesen insgesamt errechnet werden kann.“ (Gesundheitswesen 2003, Seite 593)
Auch Frau Schmidt war schon einmal vorsichtiger. Im Frühjahr letzten Jahres, als sie auf einer Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein in Aachen die Prävention thematisierte, hat sie den Gedanken, mit Prävention könnten Kosten gesenkt werden, weit in den Hintergrund gerückt und stattdessen den Wert von Prävention für die Lebensqualität, insbesondere auch alter Menschen, betont (DÄ 20/2002).
Bei dem Gedanken wäre sie besser geblieben. Norbert Jachertz

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote