ArchivDeutsches Ärzteblatt24/2004Ambulantes Operieren: Therapiefreiheit nicht eingeschränkt
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS . . . Die Überarbeitung der gesetzlichen Regelungen zum ambulanten Operieren in der Neufassung des § 115 b SGB V zum 1. Januar 2004 werden unbestrittenermaßen insbesondere durch die Umkehr der Beweislast zu einer erheblichen Zunahme ambulanter Operationen führen. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Einführung der DRGs werden die Zahl ambulant durchgeführter Operationen in Deutschland erheblich ansteigen lassen.
Ungeachtet dieses wirtschaftlichen und gesetzlichen Drucks auf die Krankenhäuser und die verantwortlichen Ärzte zur ambulanten Operation ist zu bedenken, dass die letzte Entscheidung über die Behandlungsform der jeweilige Patient im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt trifft. Dem Patienten daher ein Wahlrecht abzusprechen und dies letztlich mit wirtschaftlichen Gründen zu unterlegen, widerspricht dem vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Deshalb darf sich der jeweilige Patient natürlich auch zur stationären Durchführung einer an sich möglichen ambulanten Operation entschließen, wenn er selbst der Überzeugung ist, dass diese Behandlungsform für ihn geeigneter ist. Natürlich muss sich der Patient in diesem Fall bewusst sein, dass er gegebenenfalls entstehende Mehrkosten gegenüber der ambulanten Durchführung des Eingriffs selbst zu tragen hat, da er als gesetzlich krankenversicherter Patient nach § 12 Abs. 1 SGB V Leistungen, die nicht notwendig sind, nicht beanspruchen kann. Es empfiehlt sich in diesen Fällen daher eine vorherige Kontaktaufnahme mit der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse, die in der Regel den begründeten Wunsch des Patienten akzeptieren wird. Auch der jeweils behandelnde Operateur muss den ausdrücklich an ihn herangetragenen Wunsch des Patienten, einen im Einzelfall ambulant durchführbaren Eingriff stationär durchführen zu wollen, unbedingt berücksichtigen. Ansonsten fehlt ihm die rechtlich notwendige Einwilligung des Patienten zur ambulanten Durchführung der Operation.
§ 2 Abs. 3 des dreiseitigen Vertrages nach § 115 b SGB V hebt im Übrigen hervor, dass aus dem Katalog der ambulanten Operationen nicht die Verpflichtung des Arztes hergeleitet werden könne, dass die dort aufgeführten Eingriffe ausschließlich ambulant zu erbringen seien. Vielmehr ist der Arzt verpflichtet, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Art und Schwere des beabsichtigten Eingriffs unter Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Patienten die ambulante Durchführung der Operation nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlauben. Zugleich muss sich der Arzt vergewissern und dafür Sorge tragen, dass der Patient nach Entlassung aus der unmittelbaren Betreuung des operierenden Arztes auch im häuslichen Bereich sowohl ärztlich als gegebenenfalls auch pflegerisch angemessen versorgt wird.
Das Selbstbestimmungsrecht des Patienten einerseits und die Therapiefreiheit des verantwortlich behandelnden Arztes andererseits werden daher auch unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundessozialgerichts durch die Neuregelungen des § 115 b SGB V zum ambulanten Operieren nicht eingeschränkt. Die „richtige“ Therapieentscheidung ist nicht nur von medizinischen und wirtschaftlichen Kriterien, sondern in erster Linie auch davon abhängig, dass das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient besteht. Auch hier gilt der Grundsatz: voluntas aut salus aegroti suprema lex.
Dr. med. Michael P. Jaumann,
Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V., Marktstraße 25, 73033 Göppingen

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote