ArchivDeutsches Ärzteblatt28-29/2004Praxisführung: Gegen den Stau im Wartezimmer

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Praxisführung: Gegen den Stau im Wartezimmer

Letter, Karin; Letter, Michael

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Foto: dpa
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Wartezeiten beim Arzt: ein Übel, dem einfach nicht beizukommen ist. Viele junge Ärzte, die es besser machen wollen als ihre etablierten Kollegen, suchen nach neuen Wegen, um das für Patienten und Ärzteteam leidige Problem in den Griff zu bekommen. Denn wem dies gelingt, hat gute Aussichten, die Bindung des Patienten an die Praxis zu erhöhen und für Patientenzufriedenheit zu sorgen.
Der erste Weg zur Verbesserung liegt in der Ursachenforschung. Fragt man Ärzte und Assistentinnen, wodurch der Stau im Wartezimmer entstehe, lautet die Standardantwort: „Zu viele Patienten!“ Das klingt einleuchtend. Doch bei näherer Betrachtung greift die Erklärung zu kurz. Die Ursachen sind komplexer. Dies zeigt eine Dissertation, die Martina Bertram an der Medizinischen Hochschule Hannover verfasste: Sie untersuchte anhand fünf allgemeinärztlicher Praxen die Gründe für die Entstehung von Wartezeiten. Ergebnis: Verantwortlich für Wartezimmerstau sind meist Patienten, die den Arzt mit Akuterkrankungen aufsuchen und „dazwischen geschoben werden wollen“. Diese „(Un)kultur des Dazwischenschiebens“ lässt das beste Terminvergabesystem scheitern – vor allem bei Allgemeinärzten, bei denen die Quote der Akutpatienten besonders hoch ist.
Deshalb sollte ein Arzt zunächst einmal analysieren, wie lange er im Durchschnitt für die Behandlung eines Patienten benötigt. Jeder Arzt entwickelt in der Regel eine persönliche Taktzeit. Auf dieser basierend hat Marek Sadowski, Frauenarzt in Düsseldorf, eine Grundregel des Zeitmanagements für seine Terminplanung angewendet. Der Grundregel zufolge sollte man 60 Prozent seiner Zeit für geplante Aktivitäten, 20 Prozent für unerwartete Dinge (etwa Störungen) und 20 Prozent für spontane Aktivitäten und persönliche Bedürfnisse einplanen. Oft taucht die kurze Pause des Arztes am Vormittag in der Planung gar nicht auf –
dies hat Martina Bertram als eine Ursache für die Entstehung von Wartezeiten ausgemacht. Diese „stille Stunde“ wäre durch jene Grundregel der Zeitplanung berücksichtigt. Wichtiger aber ist: Sadowski hält nun täglich mindestens je eine halbe Stunde am Vormittag und am Nachmittag als Pufferzeit für Akutpatienten frei. Die organisatorische Trennung von Patienten mit und ohne Termin hat tatsächlich zu einer deutlichen Reduzierung der Wartezeiten geführt. Eine Alternative, auf die Martina Bertram hinweist, besteht darin, eine „Akutsprechstunde“ einzurichten: also eine nach hinten offene Sprechstunde für Akutpatienten.
Es gibt weitere Ursachen für überfüllte Wartezimmer. Dabei überrascht, dass das unpünktliche Erscheinen der Ärzte – und damit der verspätete Beginn der Sprechstunde – in der Ursachenliste weit oben steht. So kommt es bereits beim ersten Terminpatienten zu einer Verspätung, die oft den Tag über nicht mehr wettgemacht werden kann.
Hilfreich ist eine klare Abstimmung zwischen Arzt und Assistentinnen. Dass Termine doppelt belegt sind oder der Arzt einen Termin vereinbart, ohne an der Rezeption Bescheid zu geben, lässt sich durch regelmäßige Teambesprechungen ausschließen, in denen das Team verbindliche Spielregeln zum Informationsfluss in der Praxis entwirft. Hier kann auch der entschlossene Umgang mit Akutpatienten diskutiert werden. Denn dreiste Drängler führen oft zum Unmut bei Patienten, die geduldig und brav warten, bis sie aufgerufen werden.
Trotz gut gemeinter Maßnahmen werden Wartezeiten, auch längere, nie ganz auszuschließen sein. Die Assistentinnen sollten den wartenden Patienten die Gründe für die Verzögerung erläutern. Denn wer weiß, warum er wartet, bringt etwas mehr Verständnis und Geduld auf. Bei Notfällen, die einen erheblichen Zeitverzug bedeuten, unterrichtet die Assistentin die Terminpatienten (wenn möglich) telefonisch. Patientenorientierte Praxisteams „versüßen“ die Hiobsbotschaft, dass es etwas länger dauert, mit Serviceideen und bieten dem gestressten Patienten etwas zu trinken an und sorgen für ausreichende Bestuhlung.
Mit ein bisschen Aufwand lässt sich der Wartesaal zum Wohlfühlzimmer umfunktionieren: Wer in einem beruhigenden Ambiente wartet, interessante Lektüre vorfindet oder gar durch ein Aquarium ein wenig abgelenkt wird, erträgt den Stau im Wartezimmer leichter. Die Unzufriedenheit der Patienten hält sich eher in Grenzen.
Karin und Michael Letter
E-Mail: info@5medical-management.de

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