THEMEN DER ZEIT: Aufsätze
Reform der Hochschulmedizin: Eingriff in den Status der Chefärzte


Typisch für die Universitätsklinika ist die Verzahnung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung. Die
Universitätsklinika betreiben klinische Forschung auf Spitzenniveau, sind für die Ausbildung von Studenten
und Ärzten zuständig und stellen in Bereich der Krankenversorgung ein Leistungsspektrum bereit, das sowohl
die Maximalversorgung von Schwerstkranken als auch die Betreuung von Patienten mit alltäglichen
Krankheitsbildern umfaßt. Alle Reformüberlegungen müssen dieser speziellen Aufgabenstellung der
Universitätsklinika Rechnung tragen.
Eckpunkte der Reform
Die derzeitigen Reformüberlegungen gehen auf einen Beschluß der Kultusministerkonferenz der Länder aus
dem Jahr 1995 zurück. Erreicht werden soll eine Verbesserung der Transparenz der für die Krankenversorgung
sowie für Forschung und Lehre zur Verfügung stehenden Mittel auf der Grundlage entsprechender Budgets und
Teilbudgets. Diskutiert wird eine wirtschaftlich effizientere Organisations- und Rechtsform der
Universitätsklinika. Die Bedingungen einer erforderlichen eigenständigen Wirtschaftsführung sind am ehesten
im Rahmen einer selbständigen Rechtsform etwa als GmbH oder Anstalt des öffentlichen Rechts zu erfüllen.
Die von den Ländern zur Verfügung gestellten Mittel für Forschung und Lehre sollen in Blöcke für eine
"Grundausstattung" und einen "Forschungs- und Lehrfonds" aufgeteilt werden. Die "Grundausstattung" betrifft
danach im wesentlichen die "Dauerstruktur" der Klinika (Kliniken, Institute, Abteilungen) und soll der
Erfüllung der Lehraufgaben dienen und eine Forschungstätigkeit erlauben. Mit Hilfe des "Forschungs-und
Lehrfonds" sollen von den Fakultäten Projekte in Forschung und Lehre gefördert werden. Die
Entscheidungsfähigkeit der medizinischen Fakultäten soll gestärkt werden. Wegen der Verflechtung zwischen
Krankenversorgung und Forschung und Lehre und der sich hieraus ergebenden Abstimmungserfordernisse soll
die Entscheidungsfähigkeit der medizinischen Fakultäten grundsätzlich derjenigen der Klinika entsprechen.
Angestrebt wird hier insbesondere auch eine Verbesserung der administrativen Unterstützung der
Fakultätsorgane und eine hauptberufliche Bestellung des Dekans. Die Gesamtproblematik kann in ihrer
Komplexität nicht in diesem Beitrag dargestellt werden. Die nachfolgenden Darlegungen konzentrieren sich
auf die beabsichtigten Änderungen der Rechtsverhältnisse der Chefärzte und Professoren und der weiteren
ärztlichen Mitarbeiter. Im wesentlichen geht es dabei um die Abschaffung des Liquidationsrechts und die
Entkoppelung von Professur und Chefarzt, verbunden mit einer Befristung der Beschäftigungsverhältnisse. Den
hier geplanten Veränderungen soll besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da sie auch für die leitenden
Ärzte von Krankenhäusern in kommunaler oder konfessioneller Trägerschaft bedeutsam werden könnten.
Die Chefärzte (in der Regel Abteilungsleiter oder Klinikvorstände) sind zugleich die für die Forschung und
Lehre in ihrem Fach zuständigen Fachvertreter innerhalb der medizinischen Fakultät (in der Regel als C-4-, in
geringerem Maß als C-3-Professoren). Das Liquidationsrecht wird heute als Teil des Dienstrechts der
beamteten leitenden Krankenhausärzte betrachtet. Es wird ausschließlich dem Bereich der Nebentätigkeit
zugewiesen. Seiner Funktion nach steht das Liquidationsrecht allerdings in engem Zusammenhang mit den
Dienstaufgaben des Chefarztes: es wird mit dem Ziel eingeräumt, einen hervorragenden Arzt für die Erfüllung
der insgesamt dem Chefarzt obliegenden Aufgaben zu gewinnen. Das heißt, der Chefarzt wird für die Erfüllung
seiner Dienstaufgaben zu einem – unter Umständen überwiegenden – Teil durch die Liquidationseinkünfte
"bezahlt".
Festvergütung statt Liquidationsrecht
Die derzeitige Regelung des Liquidationsrechts ist nach Auffassung der Kultusminister reformbedürftig, weil
sie zu einer "Konkurrenz" der "Nebentätigkeit" des Chefarztes mit seiner "Haupttätigkeit" führe und der
wirtschaftlichen Verantwortung des Chefarztes nicht hinreichend Rechnung trage. Darüber hinaus verstärke
die Einräumung des Liquidationsrechts in der jetzigen Form das Besitzstandsdenken und erschwere damit die
Kooperation unterschiedlicher Abteilungen. Das Liquidationsrecht soll daher in seiner bisherigen Form nicht
aufrechterhalten und durch eine Festvergütung ersetzt werden. Diese Pauschalvergütung soll ihrerseits zu
einem überwiegenden Teil "fix" vereinbart werden, ein kleinerer Teil soll der wirtschaftlichen
Mitverantwortung des Chefarztes Rechnung tragen und mit der Wirtschaftlichkeit der geleiteten Abteilung
verknüpft werden. Die Liquidation bei Privatpatienten erfolgt demnach nicht durch den Chefarzt, sondern
durch das Krankenhaus. Zugleich sollen die Beschäftigungsverhältnisse der Chefärzte/ Professoren
"flexibilisiert" werden. Ein Auseinanderfallen von Professur und Chefarztstellung ist dabei möglich. Die
Positionen als Chefarzt und Professor sollen grundsätzlich mit dem Land geregelt werden. Die Überlegungen
gehen dahin, das Vertragsverhältnis auf Zeit zu schließen und in der Regel zu verlängern.
Da mit bereits ernannten und bestellten Chefärzten und Professoren derartige Vertragsverhältnisse nur
einvernehmlich eingegangen werden können, wird es voraussichtlich auf absehbare Zeit nebeneinander
unterschiedliche Vergütungssysteme geben. Schließlich soll es bei einer Entkoppelung von Professur und
Chefarztposition möglich sein, die Chefarzttätigkeit zu beenden, wenn sich für das Universitätsklinikum "nicht
tragbare medizinische und/oder wirtschaftliche Schwierigkeiten ergeben, die auf mangelnde Fähigkeiten des
Chefarztes zurückzuführen sind".
Die Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen soll auch bei den übrigen ärztlichen Mitarbeitern der
Universitätsklinika erweitert werden. Soweit die Klinika rechtlich selbständig werden, sollen sie
Vertragspartner der Ärzte sein, die nicht zum hauptberuflichen wissenschaftlichen Personal der Universitäten
gehören. Die leitenden Oberärzte sollen ähnlich den Chefärzten außertarifliche befristete Verträge erhalten,
gegebenenfalls auch mit einer "Erfolgskomponente".
Erhalt der Personalunion von Chefarzt und Professor
Die derzeitigen Beratungen finden weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Es besteht deshalb die
Gefahr, daß weitreichende Eingriffe in den Status der Chefärzte/Professoren der Universitätsklinika
vorgenommen werden, ohne den Betroffenen Gehör zu geben. Im Rahmen der unzweifelhaft notwendigen
Strukturreform der Universitätsklinika und medizinischen Fakultäten sollte in jedem Fall das Prinzip der
Personalunion von Professor und Chefarzt erhalten bleiben. Den Chefärzten kommt aufgrund ihrer
medizinischen "Autonomie" eine Schlüsselposition für die Verwirklichung ökonomischer Überlegungen in
medizinisch vertretbarer Weise zu. Für das Funktionieren, die Bedeutung und die Attraktivität einer Abteilung
ist die Persönlichkeit des Abteilungsleiters maßgeblich. Dies gilt gleichermaßen für Forschung, Lehre und
Krankenversorgung. Die Qualifikation in Wissenschaft und Lehre sollte daher auch zukünftig entscheidend
sein für die Besetzung der ärztlichen Führungspositionen der Universitätsklinika. Ebenso sollte der
beamtenrechtliche Status der Professoren/ Chefärzte erhalten bleiben. Ihn zugunsten einer generellen
Zeitprofessur oder eines Dienstvertrages aufzugeben, verbietet sich schon, weil ansonsten das gesamte
Statusrecht sämtlicher Hochschullehrer umgeschrieben werden müßte.
Bei einer rechtlichen Verselbständigung der Universitätsklinika böte es sich an, den Professoren auf dem Weg
über eine Nebentätigkeitsgenehmigung die Möglichkeit zu geben, mit dem Träger des Universtätsklinikums
privatrechtliche Verträge hinsichtlich der Aufgaben in der Krankenversorgung zu schließen. Das Beamtenrecht
und eine gleichzeitige privatrechtliche Tätigkeit am Klinikum eröffnen die Möglichkeit, den
Chefärzten/Professoren ein "zweites Gehalt" zu zahlen: C-4-Besoldung für die Professur – gesondertes Gehalt
nach Maßgabe des Dienstvertrages. So wäre die Möglichkeit geboten, eine leistungsgerechte und individuelle
Vergütung zu vereinbaren. Schließlich muß sich die Vergütung der Chefärzte an der – auch internationalen –
"Marktsituation" orientieren. Diese Attraktivität ist, wie sich an der in manchen Fächern stark rückläufigen
Zahl der Habilitationen ablesen läßt, nicht immer gegeben. Auf diese Weise könnte das Liquidationsrecht
durch eine leistungsgerechte, individuelle Vergütung ersetzt werden. Die Oberärzte sollten statusrechtlich den
Chefärzten gleichgestellt werden: Besoldung für die Tätigkeit an der Universität – vertraglich vereinbarte
Vergütung für die Tätigkeit am Universitätsklinikum. Sie sollten auch von der Struktur her den Chefärzten
vergleichbar vergütet werden.
Eine Neuregelung des Liquidations- und Statusrechts kann es wegen der bestehenden Wettbewerbssituation nur
einheitlich in allen Ländern geben. Die Umsetzung des Kultusministerbeschlusses in Rheinland-Pfalz durch
das "Gesetz zur Umwandlung des Klinikums der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz in eine rechtsfähige
Anstalt des öffentlichen Rechts" klammert diese Fragen daher aus.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1996; 93: A-3254–3258
[Heft 49]
Anschrift des Verfassers:
Rechtsanwalt
Dr. jur. Dirk Schulenburg
Borchersstraße 20
52072 Aachen
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