ArchivDeutsches Ärzteblatt PP2/2005Notfallpsychologie/Psychotraumatologie: Strukturen weiter ausbauen

EDITORIAL

Notfallpsychologie/Psychotraumatologie: Strukturen weiter ausbauen

Bühring, Petra

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LNSLNS Der Vorstandsbeauftragte für Notfallpsychologie/-psychotherapie, Werner W. Wilk, verdeutlichte auf dem jüngsten Deutschen Psychotherapeutentag in Stuttgart, wie wichtig es ist, dass Psychotherapeuten geregelt in die Rettungs- und Hilfsstrukturen nach Katastropheneinsätzen eingebunden werden (siehe PP, Heft 11/2004). Psychotherapeuten seien inzwischen so weit im öffentlichen Bewusstsein verankert, dass sie jederzeit gerufen werden könnten. Die Tsunami-Katastrophe ereignete sich nicht in Deutschland – psychologische Notfallhilfe musste hier „nur“ für die psychisch stark belasteten Rückkehrer an den Flughäfen geleistet werden. Dies funktionierte über die Nachsorge, Opfer- und Angehörigenhilfe (NOAH) der Bundesregierung offenbar sehr gut (siehe „Traumatisierung vorbeugen“ in diesem Heft). Auf die langfristige mögliche psychotraumatologische Hilfe für die Betroffenen war man aber immer noch nicht richtig vorbereitet. Die Hilfstrukturen, das heißt psychotraumatologisch erfahrene Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychothera-
peuten, wurden erst nach dem Seebeben ausfindig gemacht, eine aktuelle Datenbank gab es auch über NOAH nicht. Die Sektion Psychotraumatologie der Universität Heidelberg, die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), die Bundesärztekammer und die Landeskammern reagierten zwar schnell und suchten mit einem Fragebogen Mitglieder mit psychotraumatologischer Qualifikation und freien Kapazitäten – Hilfe, die im Fall des Seebebens auch gern und großzügig geleistet wurde. Doch es überrascht, dass diese Hilfe „ad hoc“ angestoßen werden musste. Auch nach einer Reihe von Katastrophen und Großschadensereignissen in den vergangenen Jahren kann immer noch nicht auf
eingespielte Versorgungsstrukturen zurückgegriffen werden.
Es fällt auf, dass durch die Professionalisierung der Psychotherapeuten der Berufsstand in den Katastrophenschutz einbezogen und mehr beachtet wird: Die Sozialministerien der Länder forderten über die Landespsychotherapeutenkammern psychologische Kompetenz an. Die Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg beispielsweise ist an der Neuordnung des Katastrophenschutzes des Landes beteiligt. Nach dem Seebeben sprach das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung zuerst die BPtK im Hinblick auf freie Therapieplätze bei Psychotraumatologen an, berichtete deren Geschäftsführerin Christina Tophoven. Jetzt arbeitet die BPtK mit der Bundesärztekammer und der Universität Heidelberg zusammen. Man kann also davon ausgehen, dass alle von der Tsunami-Katastrophe Betroffenen versorgt werden können. Auch die Krankenkassen, namentlich der Verband der Angestellten Krankenkassen e.V. haben eine großzügige Handhabung der Therapieanträge von Traumatisierten zugesagt.
Wichtig wäre eine systematische Nachbereitung der Erfahrungen mit der psychologischen Notfallhilfe nach dem Seebeben und mit der psychotraumatologischen Therapie für akut Traumatisierte. Das Thema Qualitätsstandards für die Fortbildung zum Notfallpsychologen soll Gegenstand des nächsten Psychotherapeutentages werden. Auf das nächste Großereignis – wie zum Beispiel die Fußballweltmei-
sterschaft 2006 – sollte Deutschland besser vorbereitet sein. Petra Bühring

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