BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER: Kassenärztliche Bundesvereinigung
Beschluss über eine Änderung der Richtlinien zur Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (BUB-Richtlinien) in Anlage A „Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ vom 15. Juni 2004/21. September 2004


1. Dezember 2003 (BAnz. 2004 S. 5 678), zuletzt geändert am 1. Dezember 2003 (BAnz. 2004, S. 5 679), wie folgt zu ändern:
1. Die Anlage A „Anerkannte Untersuchungs- und Behandlungsmethoden“ wird in Nr. 3 wie folgt neu gefasst:
„3. Polygraphie und Polysomnographie im Rahmen der Differenzialdiagnostik und Therapie der schlafbezogenen Atmungsstörungen.
§ 1
Inhalt
(1) Diese Richtlinie legt fest, unter welchen Voraussetzungen in der vertragsärztlichen Versorgung die kardiorespiratorische Polygraphie und die kardiorespiratorische Polysomnographie im Rahmen der Differenzialdiagnostik und Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen zur Anwendung kommen können.
(2) „Schlafbezogene Atmungsstörungen“ (SBAS) im Sinne dieser Richtlinie sind die obstruktiven und zentralen Schlafapnoe- und Hypopnoe-Syndrome (SAHS) sowie obstruktive Rhonchopathien, die während des Schlafes zu bedrohlichen Apnoe- oder Hypopnoe-Phasen, Sauerstoffentsättigungen des Blutes, Herzrhythmusstörungen und erheblichen, behandlungsbedürftigen Beeinträchtigungen der Schlafqualität führen können.
§ 2
Genehmigungspflicht
(1) Die Durchführung und Abrechnung der kardiorespiratorischen Polygraphie und der kardiorespiratorischen Polysomnographie setzt eine Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung voraus.
(2) Zur Erlangung dieser Genehmigung ist die Erfüllung der auf der Grundlage dieser Richtlinien getroffenen Voraussetzungen der diesbezüglichen Qualitätssicherungsvereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Diagnostik und Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen nachzuweisen.
§ 3
Stufendiagnostik
(1) Bei klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer schlafbezogenen Atmungsstörung sind habituelles Schnarchen und Dyssomnien anderer Ursache, vor allem die hypersomnischen Syndrome, abzugrenzen. Dies betrifft insbesondere internistische, neurologische und psychiatrische Erkrankungen sowie den Schlaf beeinflussende Wirkungen von Medikamenten, Alkohol und Drogen.
(2) Das weitere Vorgehen ergibt sich aus der Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes des Patienten unter besonderer Berücksichtigung des kardiovaskulären und pulmonalen Risikoprofils (z. B. Herzrhythmusstörungen, schwer einstellbarer Hypertonus, Herzinsuffizienz, Apoplexgefährdung, respiratorische Insuffizienz), der Schwere der Schlafstörungen und einer durch Tagesschläfrigkeit ausgelösten Selbst- oder Fremdgefährdung.
(3) Stufe 1: Anamnese und ggf. Fremdanamnese des Schlaf-Wach-Verhaltens sowie differenzierte anamnestische Abklärung einer möglichen Dyssomnie unter Einbeziehung standardisierter Fragebögen zur Tagesschläfrigkeit (z. B. Epworth Sleepiness Scale) und ggf. weiterer Testverfahren.
(4) Stufe 2: Klinische Untersuchung, insbesondere im Hinblick auf endokrinologische, Stoffwechsel- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Ventilationsstörungen sowie neurologische und psychiatrische Krankheiten.
(5) Stufe 3: Ergeben die diagnostischen Maßnahmen nach Stufe 1 und Stufe 2 die typischen anamnestischen und klinischen Symptome und Befunde einer schlafbezogenen Atmungsstörung, so soll die weitere differenzialdiagnostische Abklärung durch eine kardiorespiratorische Polygraphie (notwendige Ableitungsparameter siehe § 7 Abs. 1 dieser Richtlinie) während einer mindestens 6-stündigen Schlafphase erfolgen.
(6) Die Durchführung der kardiorespiratorischen Polygraphie mit allen gemessenen Parametern ist zu dokumentieren. Zur Sicherung der Aussagekraft der Polygraphie und um die Plausibilität einer automatischen Analyse zu überprüfen, sind die Rohdaten stets visuell durch den gem. dieser Richtlinie qualifizierten Arzt zu bewerten. Die Untersuchungsergebnisse sind dem Arzt zur Verfügung zu stellen, der ggf. die weitere polysomnographische Diagnostik und/oder die Überdrucktherapie einleitet.
(7) Stufe 4: Eine kardiorespiratorische Polysomnographie kann nur dann als ergänzende Diagnostik durchgeführt werden, wenn trotz sorgfältiger klinisch-anamnestischer Abklärung einschließlich Durchführung geeigneter Testverfahren und der nach Stufe 3 durchgeführten Polygraphie keine Entscheidung möglich ist, ob eine Therapie mittels CPAP (kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) oder anderer Verfahren notwendig ist.
(8) Die kardiorespiratorische Polysomnographie (notwendige Ableitungsparameter siehe § 7 Abs. 3 dieser Richtlinie) soll über zwei aufeinander folgende Nächte mit, wenn möglich, wenigstens 6-stündiger Schlafphase in der zweiten Nacht durchgeführt werden. Bei Patienten mit abweichendem Schlaf-Wach-Rhythmus (z. B. Schichtarbeitern) kann die Untersuchung unter geeigneten Bedingungen auch am Tage durchgeführt werden.
(9) Die Durchführung der kardiorespiratorischen Polysomnographie mit allen gemessenen Parametern ist zu dokumentieren. Zur Sicherung der Aussagekraft der Polysomnographie sind die Rohdaten stets visuell durch einen gem. dieser Richtlinie qualifizierten Arzt zu bewerten; die visuelle Auswertung der neurophysiologischen Parameter ist insbesondere im Hinblick auf die Schlafstadienverteilung, -fragmentierung und respiratorischen Arousals zu dokumentieren.
Die Untersuchungsergebnisse sind dem Arzt zur Verfügung zu stellen, der ggf. die weitere Überdrucktherapie einleitet.
§ 4
Ersteinstellung auf ein CPAP-Gerät
Bei gesicherter Indikation zur Überdrucktherapie mit CPAP oder verwandten Verfahren soll die Ersteinstellung auf das Gerät unter kontinuierlicher polysomnographischer Überwachung in der Regel in zwei aufeinander folgenden Nächten durchgeführt werden.
Zur Ersteinstellung durch den qualifizierten Arzt müssen die schriftlichen Befunde und Ergebnisse der Stufen 1 bis 3 und ggf. der Stufe 4 vorliegen. !
§ 5
Therapieverlaufskontrollen
(1) Eine erste Kontrolle der Überdrucktherapie soll 6 Monate nach Einleitung einer CPAP-Therapie mit einer kardiorespiratorischen Polygraphie nach Stufe 3 erfolgen. Hierbei soll auch festgestellt werden, ob der Patient das Therapiegerät ausreichend nutzt (Betriebsstundenzähler, ggf. Auslesung des Nutzungsprotokolls). Bei komplikationslosem Verlauf sind weitere routinemäßige polygraphische Kontrolluntersuchungen nicht erforderlich.
(2) Eine erneute kardiorespiratorische Polysomnographie ist nur bei schwerwiegenden Therapieproblemen erforderlich, die mit der Polygraphie nicht erkannt und nicht behoben werden können.
§ 6
Dokumentation
Anamnese, klinische Untersuchungsergebnisse, die Maßnahmen und Ergebnisse der differenzialdiagnostischen Abklärung sowie die Ergebnisse der Polygraphie, Polysomnographie, CPAP-Einstellung und aller Therapiekontrollen sind ausführlich zu dokumentieren und dem weiterbehandelnden Arzt zur Verfügung zu stellen.
§ 7
Empfehlungen zur Qualitätssicherung
(1) Zur Sicherung der Qualität der kardiorespiratorischen Polygraphie müssen folgende Parameter simultan und über eine mindestens 6-stündige Schlafphase abgeleitet werden:
- Registrierung der Atmung (Atemfluss, Schnarchgeräusche)
- Oximetrie (Sättigung des oxygenierbaren Hämoglobins)
- Aufzeichnung der Herzfrequenz (z. B. mittels EKG oder pulsoxymetrischer Pulsmessung)
- Aufzeichnung der Körperlage
- Messung der abdominalen und thorakalen Atembewegungen
- Maskendruckmessung (bei Einsatz eines CPAP-Gerätes)
(2) Polygraphiegeräte, welche die Schnarchgeräusche sowie die beiden letztgenannten Parameter nicht aufzeichnen bzw. messen können, aber bereits vor In-Kraft-Treten dieser Richtlinie für eine von der KV genehmigte Schlafapnoediagnostik gemäß Nr. 728 EBM verwendet wurden, dürfen weiterhin, jedoch ausschließlich für die (diagnostische) Polygraphie gemäß § 3 Abs. 5 dieser Richtlinie verwendet werden.
(3) Zur Sicherung der Qualität der kardiorespiratorischen Polysomnographie müssen folgende Parameter simultan und über eine mindestens 6-stündige Schlafphase abgeleitet werden:
- Registrierung der Atmung
- Oximetrie (Sättigung des oxygenierbaren Hämoglobins)
- EKG
- Aufzeichnung der Körperlage
- Messung der abdominalen und thorakalen Atembewegungen
- Atemfluss oder Maskendruckmessung (bei Einsatz eines CPAP-Gerätes)
- EOG: 2 Ableitungen
- EEG: mindestens 2 Ableitungen
- EMG: 3 Ableitungen
- Optische und akustische Aufzeichnung des Schlafverhaltens
(4) Leistungserbringer für die kardiorespiratorische Polysomnographie haben grundsätzlich die Erlaubnis zum Führen der Zusatzbezeichnung Schlafmedizin nachzuweisen. Weitere Voraussetzungen für die persönliche Qualifikation der Leistungserbringer sowie die sonstigen qualitätssichernden Vorgaben, ggf. einschließlich Übergangsregelungen, werden in Qualitätssicherungsvereinbarungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V getroffen.“
2. Die Änderung der Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Berlin, den 21. September 2004
Gemeinsamer Bundesausschuss
Der Vorsitzende
Dr. jur. R. Hess
Erläuterung der KBV: Der Beschluss wurde durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 11. November 2004 in Kraft gesetzt. Eine korrespondierende Qualitätssicherungs-Vereinbarung gemäß § 135 Abs. 2 SGB V sowie eine entsprechende EBM-Regelung werden derzeit zwischen KBV und Krankenkassen vereinbart und sollen zum 1. April 2005 in Kraft treten.
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