

Die Sechzigerjahre des 20. Jahrhunderts brachten eine Aufbruchstimmung in die Kunst. Die US-amerikanische Pop-Art hatte die zunehmend beliebiger werdende informelle Malerei abgelöst. Ganz neue Formen, Farben und Themen eroberten die Leinwände. Gleichzeitig wurden ehemals starre Gattungsgrenzen zwischen gedruckten Texten, Bildern, Theater, Filmen, Performances et cetera überwunden. „Mixed Media“ lautete das neue Schlagwort, und in vielen Ausstellungen surrten die Filmapparate, wurden Dias projiziert, während gleichzeitig zum Beispiel Plastikkuben zu unterschiedlichen musikalischen Klängen durch den Saal rollten.

„Button“ (1969), Emailleschild der edition Außenkunst, Exemplar 45/50.
70 cm × 70 cm, rückseitig signiert und nummeriert. Foto:EberhardHahne
Einer der Protagonisten dieser jungen vitalen Kunstszene war Ferdinand Kriwet, der schon mit 21 Jahren seinen Roman „ROTOR“ im renommierten Kunstverlag DuMont veröffentlichte. Sein bevorzugtes Arbeitsgebiet waren Schriftbilder, die er „Sehtexte“ nannte. Er reagierte auf die damals gerade erst beginnende Reizüberflutung durch Rundfunk, Schallplatten, Radio, Fernseher und gedruckte Erzeugnisse, indem er in seinen Bildern und Objekten, vor allem aber in seinen Ausstellungen diese Reizüberflutung noch zu steigern wusste. Bei Kriwet begannen die Buchstaben und Wörter ein bisher ungekanntes Eigenleben zu entwickeln – das vorgestellte Werk ist ein gutes Beispiel dafür. Was lesen Sie als Bildbetrachter auf dem umlaufenden Schriftband? Welche Worte können Sie identifizieren – und wie viele? Falls Sie nur nach englischen Vokabeln suchen, könnten Sie sich fragen, warum Sie nicht auch deutsche Wörter erkennen (zum Beispiel Hund, er) oder französische (zum Beispiel ou)? Wer nur nach Wörtern sucht, geht leicht an möglichen Abkürzungen vorbei (zum Beispiel UN, TH). Welcher Buchstabe könnte den beiden zentralen Figuren im Zentrum zugrunde liegen?
Die Aktivierung des bislang passiv konsumierenden Betrachters war eines der erklärten Ziele der Kunst der Sechzigerjahre. Falls Sie mit dem Bild in Ihren Gedanken zu spielen beginnen, fängt es an zu wirken. Hartmut Kraft
Biografie Ferdinand Kriwet
Geboren 1942 in Düsseldorf. 1961 erschien sein Roman „ROTOR“, der eine intensive Auseinandersetzung mit Texten, Schriftbildern, Hörtexten und Theatertexten einleitete und Kriwet zu einem prominenten Vertreter der noch jungen „Mixed Media“ und der „visuellen Poesie“ machte. 1977 Teilnahme an der Documenta 6, Kassel. Lebt in der Eifel.
Literatur
Kriwet F: ROTOR. Köln: DuMont, 1961.
Kriwet F: Apollo Amerika. Frankfurt: Edition Suhrkamp, 1969.
Kriwet F: Kriwet – Arbeiten 1960–1975. Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 1975.
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