ArchivDeutsches Ärzteblatt18/2005Proteste an zehn Hochschulkliniken: Deutliche Warnung an die Länder als Arbeitgeber

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Proteste an zehn Hochschulkliniken: Deutliche Warnung an die Länder als Arbeitgeber

Flintrop, Jens

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Berlin, 3. Mai: Abgesandte der Unikliniken nutzen die Medienpräsenz beim Ärztetag. Foto: Bernhard Eifrig
Berlin, 3. Mai: Abgesandte der Unikliniken nutzen die Medienpräsenz beim Ärztetag. Foto: Bernhard Eifrig
5 000 Universitätsklinikärzte legten am 2. Mai die Arbeit nieder, um sich für eine leistungsgerechte Vergütung stark zu machen.

Es geht um Geld und Anerkennung. Seit Jahrzehnten subventionieren die Ärzte an den Hochschulkliniken mit Tausenden unbezahlten Überstunden das System, noch genießt der Forschungsstandort Deutschland im medizinischen Bereich einen guten Ruf. Als „Dankeschön“ fahren die Länder als Arbeitgeber nun einen Sparkurs, der die Klinikärzte mit ihren befristeten Arbeitsverträgen besonders hart trifft: das Weihnachtsgeld gekürzt, das Urlaubsgeld gleich ganz gestrichen und die reguläre Wochenarbeitszeit verlängert (wodurch weniger Bereitschaftsdienstzeit vergütet wird). Trifft diese Lohnkürzung um mindestens zehn Prozent in anderen Berufsgruppen ausnahmslos Neueinsteiger, so sind von den Universitätsklinikärzten inzwischen bereits weit mehr als die Hälfte betroffen.
„England: Wir kommen!“, „Ohne uns fällt alles auseinander“ oder „Hier endet die Subvention unseres Gesundheitswesens“ war auf den Transparenten der Ärzte zu lesen, die am 2. Mai in München, Gie-
ßen, Heidelberg, Mannheim, Köln, Aachen, Hamburg, Hannover, Würzburg und Marburg ihrem Ärger Luft machten. 5 000 (!) der bundesweit 22 500 Hochschulmediziner beteiligten sich an den Protesten. Athanasios Drougias vom Marburger Bund, der vielerorts die Aktionen mitorganisiert hatte, sprach von einem
Gießen, 2. Mai: 2 000 Ärzte der drei hessischen Universitätskliniken beteiligen sich am Warnstreik. Kollegen halten den Notdienst aufrecht. Foto: ddp
Gießen, 2. Mai: 2 000 Ärzte der drei hessischen Universitätskliniken beteiligen sich am Warnstreik. Kollegen halten den Notdienst aufrecht. Foto: ddp
„historischen Tag“ für die Ärzteschaft. Die überwältigende Resonanz sei ein beeindruckender Beleg für die Wut, die sich an den Hochschulkliniken aufgestaut habe, und zugleich eine deutliche Warnung an die Länder als Arbeitgeber, dass sich die Ärzte nicht alles gefallen ließen.
Schwerpunkt der Protestaktionen war Gießen, wo sich etwa 2 000 Ärzte der Universitätskliniken Gießen, Marburg und Frankfurt/Main an einem ganztägigen Warnstreik beteiligten. Rund 400 Ärzte des Universitätsklinikums Heidelberg schlossen sich einer „verlängerten Mittagspause“ an. „Die Zukunft unserer gesamten universitären Medizin steht hier auf dem Spiel“, betonte Prof. Dr. med. Christof Sohn, ärztlicher Direktor der Universitätsfrauenklinik. Es könne nicht als klug bezeichnet werden, den Leistungsträgern unbezahlte längere Arbeitszeiten aufzubürden und darüber hinaus noch die reguläre Bezahlung zu reduzieren. Wie unattraktiv der Arztberuf an einem Universitätsklinikum inzwischen geworden sei, zeige der deutliche Rückgang an Bewerbungen. In Köln demonstrierten mehr als 200 Ärzte. Auf Flugblättern forderten sie eine Bezahlung, die dem europäischen Vergleich standhalte.
Auch unmittelbar vor der Eröffnung des 108. Deutschen Ärztetages am 3. Mai in Berlin gab es eine Protestaktion. Mehr als 50 Ärzte aus dem ganzen Bundesgebiet artikulierten ihren Ärger und nutzten die Medienpräsenz der Auftaktveranstaltung mit Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Dr. med. Marc Martignoni, Heidelberg, nannte die Forderungen, auf die sich ein bundesweites Netzwerk der Assistentensprecher geeinigt hatte: leistungsgerechte Vergütung, Wertschätzung der ärztlichen Arbeit, mehr Mitspracherecht und optimale Patientenversorgung mit adäquaten Arbeitsbedingungen. „Wir haben nichts dagegen, 60 bis 70 Stunden in der Woche zu arbeiten, aber wir wollen diese Zeit auch bezahlt bekommen“, sagte Dr. med. Martin Krause, ebenfalls Heidelberg. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, wie er für Bund und Kommunen verhandelt worden sei, bedeute bereits eine Verschlechterung der Vergütungssituation für die Ärzte. Aber den Ländern sei auch dieser Vertrag bereits zu teuer. Krause: „Wenn wir immer weniger Geld bekommen, suchen wir uns früher oder später einen anderen Job.“ Die Abstimmung mit den Füßen habe bereits begonnen, ergänzte Priv.-Doz. Dr. med. Christian Benninger, Heidelberg: „Und was machen die Landesregierungen? Hier wird am falschen Ende gespart und die
Zukunft verschau kelt.“ Jens Flintrop

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