VARIA: Feuilleton
Borderline-Störung: Allein und unerkannt


Borderline-Patienten.
Enttabuisieren möchte die Bundesregierung. Dazu stellt sie die Borderline-Persönlichkeitsstörung in den Mittelpunkt einer Ausstellung und einer Filmreihe. „Mit ,tagebuch borderline-borderland‘ werden Arbeiten von Martina Schwarz aus Aachen gezeigt, in denen die Künstlerin ihre eigenen Erfahrungen mit der Krankheit verarbeitet hat“, erklärte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karl Hermann Haack, zur Eröffnung Mitte April in Berlin. Kunstwerke von Borderline-Betroffenen aus ganz Deutschland und der Schweiz sowie Schautafeln zum Krankheitsbild sollen Menschen informieren, Vorurteile abbauen, Mut machen sowie für Verständnis werben.
Der Dokumentarfilm „Janine F.“, der im Rahmen der Ausstellung gezeigt wurde, schildert das Leben und indirekt die Krankheitssymptome der 24-jährigen Janine F., die im November 2002 durch ihren Todessprung vom fünften Stockwerk des berühmten Berliner Kunsthauses Tacheles für Schlagzeilen sorgte.
Unentdeckt und unbehandelt – so wie in Janines tatsächlichem Leben – bleiben zunächst die Symptome. Berichte von den Freunden, Liebhabern und Kollegen der im Tacheles tätigen Künstlerin setzen sich nach und nach wie ein Puzzle zusammen. Beschrieben wird in dem posthumen Porträt eine exzentrische, lebenslustige und arbeitsbesessene junge Frau, die sich selbst „Grenzgängerin“ nannte. Nach und nach verstrickt sie sich in Beziehungen, hat wechselnde Gefühlsausbrüche und verfällt immer stärker der Drogensucht.
Wie ein roter Faden ziehen sich Ansichten ihrer fertigen und halbfertigen Werke durch den Film: Bilder und Plastiken. Erst ganz am Ende ist Janine selbst zu sehen. „Wieviele Opfer hat dieses Haus schon gefordert?“, fragt die zierliche und nervös wirkende Frau immer und immer wieder andere Tacheles-Künstler. Dies ist der letzte Hilferuf, der zwar aufgezeichnet, aber von ihrer Umgebung nicht als solcher registriert wurde. Aufgenommen hatten die Videosequenz Kollegen am Tag vor ihrem Tod.
Der Film von Renn bedrückt – ebenso wie das reale Leben von Janine. Selbst ihren leblosen Körper fotografierten Touristen im Hof des Tacheles, weil sie an eine Performance glaubten.
„Keiner von uns kann sich in die Gefühls- und Lebenswelt von Menschen mit einer Borderline-Störung hineinversetzen“, sagte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Durch die Ausstellungen ließen sich jedoch die Ängste und die Verzweiflung der Betroffenen ein Stück weit nachvollziehen.
Zu sehen ist die Ausstellung bis 15. Juli im Kleisthaus, Mauerstraße 53 in Berlin. Der Eintritt ist frei. Eva Richter-Kuhlmann
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