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Störungen des Säure-Basen-Haushalts: Rationale Diagnostik und ökonomische Therapie
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Störungen des Säure-Basen-Haushalts sind häufig, sie werden jedoch in der Praxis oft übersehen. Die Differenzialdiagnostik ist meist bereits durch die Bestimmung des pH, pCO2, pO2 und der Bicarbonatkonzentration möglich und lässt eine Einteilung in respiratorische Alkalose oder Azidose beziehungsweise metabolische Alkalose oder Azidose zu. Die kompensatorische Gegenregulation (respiratorisch oder renal) kann die korrekte Beurteilung der primären Störung erschweren. Besonders bei Patienten mit Niereninsuffizienz, Diabetes, einer Leberzirrhose, einem Emphysem, Diarrhöen oder chronischem Erbrechen sowie unter bestehender Diuretikatherapie ist an Störungen des Säure-Basen-Haushaltes zu denken. Dabei steht die Therapie der Grunderkrankung, insbesondere die Sicherstellung einer ausreichenden Oxygenierung bei respiratorischen Problemen, im Vordergrund. Lediglich bei der chronischen metabolischen Azidose – zum Beispiel bei chronischer Niereninsuffizienz, bei älteren Patienten oder solchen mit Neoblase – sollte eine Substitution mit Bicarbonat erfolgen, um den negativen Konsequenzen für verschiedene Organsysteme (etwa eine Demineralisation des Skeletts) vorzubeugen.
Schlüsselwörter: Säure-Basen-Haushalt, metabolische Azidose, Hypoxie, Bicarbonat, Alkalose
Summary
Disturbances in the Acid-base-Balance
Acid-base disorders are frequently encountered in the very ill. Their greatest clinical importance is as indicators that signal the presence of a potentially serious condition. The major acid-base disorders can be identified by measuring pH, pCO2, pO2 and bicarbonate. The physiological compensatory response may complicate the correct identification of the primary acid-base disorder. Direct treatment of acid-base disturbances is only necessary if the pH is in a dangerous range (pH < 7.1 or > 7.6) or if the disorder is persisting as it is the case with metabolic acidosis in chronic kidney disease or in elderly subjects.
Key words: acid-base-balance, metabolic acidosis, hypoxia, bicarbonate, alcalosis
Die Homöostase des pH, das Säure-Basen-Gleichgewicht, ist ein wichtiges Regulationsziel des Organismus. Unter physiologischen Bedingungen wird der pH-Wert des Blutes durch verschiedene Puffersysteme und Kompensationsmechanismen in sehr engen Grenzen (zwischen 7,38 und 7,42) gehalten, weil hier die meisten Gewebe und Zellen ihr Funktionsoptimum haben. Störungen dieses Systems sind relativ häufig, werden jedoch in der Praxis oft übersehen.
Kurzfristig kann die pH-Stabilität über eine Verschiebung von H+-Ionen vom Extra- in den Intrazellularraum oder durch die Bindung an Plasmaproteine und an Hämoglobin gesichert werden. Für eine ausgeglichene langfristige Säure-Basen-Bilanz kommt der Lunge als Organ der CO2-Ausscheidung und der Niere als Organ der H+- beziehungsweise HCO3--Ausscheidung eine besondere Bedeutung zu: Um eine längerfristige Regulation zu erreichen, müssen H+-Ionen über das Puffersystem Bicarbonat/Kohlensäure gebunden und entweder über die Lunge (Bicarbonat als CO2) oder über die Nieren (Phosphat und NH4+) eliminiert werden (Grafik). Die kurzfristige Stabilität des pH-Wertes angesichts lokaler und temporärer Schwankungen des Milieus wird über chemische Puffersysteme gewährleistet. Dies sind Substanzen, die H+- oder OH--Ionen binden und abgeben können, und dadurch die pH-Veränderungen bei Zugabe oder Verlust von H+- oder OH--Ionen gering halten. Neben Plasmaproteinen, Hämoglobin und dem Phosphatpuffersystem macht vor allem das Bicarbonat etwa 75 Prozent der Gesamtpufferkapazität des Blutes aus; dies erklärt seine besondere Bedeutung in der Therapie von Störungen des Säure-Basen-Haushalts.
Ist das Säure-Basen-Gleichgewicht gestört, so lassen sich nach dem pH-Wert eine Alkalose (pH > 7,44) von einer Azidose (pH < 7,36) unterscheiden. Nach den zugrunde liegenden Pathomechanismen werden dann jeweils metabolische von respiratorischen Formen unterschieden. Sind die Bicarbonat-Konzentration und/ oder der pCO2 verändert und ist der pH-Wert aber noch im Normalbereich, spricht man von einer kompensierten, andernfalls von einer dekompensierten Störung. Eine primär metabolische Störung (zum Beispiel vermehrter renaler Bicarbonatverlust bei renal-tubulärer Azidose) wird mit einer respiratorischen Gegenregulation (Hyperventilation mit vermehrter CO2-Abatmung) kompensiert; in der Praxis kann die resultierende Laborkonstellation eine korrekte Interpretation und ein Erkennen der primären Grunderkrankung beziehungsweise -störung erschweren. Gravierende Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichtes – das heißt pH-Werte unterhalb von 7,1 oder oberhalb von 7,6 – zeigen eine potenziell lebensbedrohliche Situation an. Typische klinische Symptome können trotzdem oft fehlen, unspezifische Symptome wie eine Verwirrtheit bis hin zum Koma, zu Herzrhythmusstörungen, Blutdruckabfall oder -anstieg und einer Hyperventilation können die Diagnose erschweren. Die Kenntnis der häufigsten Grunderkrankungen, die eine Störung des Säure-Basen-Haushaltes bewirken können, der typischen Laborkonstellation sowie der angemessenen Therapie ist daher auch für die ambulante Praxis sehr wichtig.
Diagnostik und klinisches Bild
Da das Säure-Basen-Gleichgewicht von respiratorischen und von nichtrespiratorischen Faktoren beeinflusst wird, müssen zur Diagnostik des Säure-Basen-Status die freie H+-Konzentration (pH), Parameter der respiratorischen Einflüsse (pCO2) und Parameter der nichtrespiratorischen Einflüsse berücksichtigt werden. Dies wären zum Beispiel die Konzentration des aktuellen Bicarbonates, des Standardbicarbonates oder der Pufferbasen beziehungsweise des Basenüberschusses.
Die korrekte Diagnostik einer Störung des Säure-Basen-Haushalts ist demzufolge meistens durch die Bestimmung von pH-Wert, pCO2, pO2 und der Bicarbonatkonzentration möglich. Grundsätzlich sind Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts entweder durch eine gestörte alveoläre Ventilation (mit vermehrter oder verminderter CO2-Abatmung) oder durch einen veränderten Anfall, verminderte Ausscheidung über die Nieren beziehungsweise durch Verlust von Bicarbonat oder H+-Ionen auslösbar.
Respiratorische Azidose
Bei einer verminderten alveolären Ventilation entsteht eine respiratorische Azidose. Die typische Laborkonstellation zeigt einen verminderten pH-Wert bei Anstieg des pCO2 und ist stets von einer Hypoxie (verminderter pO2) begleitet. Die Hypoxie bestimmt in der Regel das therapeutische Vorgehen.
Eine vitale Bedrohung durch die Azidose besteht meist nicht. Durch die konsekutive metabolische Kompensation steigt über den vermehrten An-
fall von Kohlensäure innerhalb von 24 h das Bicarbonat an. Durch die kompensatorisch verminderte renale Bicarbonatausscheidung kann die Bicarbonatkonzentration bei länger bestehender respiratorischer Azidose um etwa 4 mmol/L pro 10 mm Hg pCO2-Anstieg angehoben werden. Die Tabellen 1 und 2 zeigen die typische Laborkonstellation sowie häufige Grundkrankheiten bei der respiratorischen Azidose.
Klinisch fällt meist eine Dyspnoe auf, bei chronischen Erkrankungen kann die Dyspnoe jedoch trotz ausgeprägter Hypoxie fehlen. Durch den Anstieg des pCO2 kann es zu Tachykardie, Blutdruckanstieg und – bei längerem Bestehen – einer pulmonalen Hypertonie kommen. Die CO2-bedingte Vasodilatation kann zu einer Gesichtsrötung, einer konjunktivalen Injektion und einer Stauungspapille führen. Bei ausgeprägten Störungen können Bewusstseinstörungen und Verwirrtheit bis hin zur CO2-Narkose auftreten.
Im Vordergrund der Therapie einer respiratorischen Azidose steht die Sicherung der Oxygenierung durch Behandlung der Grundkrankheit sowohl bei akuten als auch chronischen Verläufen. Bei chronischer respiratorischer Insuffizienz ist zu kontrollieren, dass die Sauerstoffgabe nicht zu einem Anstieg der pCO2-Konzentration führt. Im Zweifel empfiehlt sich die Kontrolle der Blutgase vor und nach Sauerstoffgabe.
Der Säure-Basen-Haushalt muss in der Regel nicht unmittelbar korrigiert werden, weil die Niere über eine ausreichende kompensatorische Kapazität verfügt, um ein kritisches Absinken des pH-Wertes unter 7,2 durch Generierung von Bicarbonat zu vermeiden.
Metabolische Azidose
Diagnostisch ist zur Beurteilung einer metabolischen Azidose meist die venöse Bestimmung von pH-Wert, pCO2 und der Bicarbonatkonzentration ausreichend (Tabelle 1). Bei erniedrigtem pH-Wert und Bicarbonat ist der pCO2 durch die kompensatorisch verstärkte Abatmung in der Regel ebenfalls erniedrigt (etwa 1 bis 1,5 mm Hg pro 1 mmol/L Bicarbonatverlust).
Meistens liegt der metabolischen Azidose ein Verlust an Bicarbonat (renal oder gastrointestinal) zugrunde, aber auch ein Bicarbonatverbrauch wegen vermehrtem Anfall oder verminderter renaler Ausscheidung von Säureäquivalenten kann die Ursache sein (Tabelle 2). Wichtig ist die Unterscheidung zwischen einer hyperchlorämischen Azidose und der Azidose mit großer Anionenlücke (Chlorid im Normbereich). Die Bestimmung der Anionenlücke (= Na+-[Cl-+HCO3+]) ist deshalb differenzialdiagnostisch besonders bedeutsam: Bei einer Anionenlücke über 25 mmol/L liegt praktisch immer eine organische Azidose (zum Beispiel Lactat- oder Ketoazidose) vor. Eine große Anionenlücke weisen etwa die Vergiftungen mit Aspirin, Methanol (selten) oder Ethylenglykol auf, hier ist klinisch meist eine ausgeprägte Kußmaulsche Atmung auffällig.
Im häufigeren Fall einer normalen Anionenlücke (10 +/– 2 mmol) besteht in der Regel eine Azidose durch Bicarbonatverlust, das heißt, die Chloridkonzentration im Serum ist kompensatorisch erhöht (hyperchlorämische Azidose).
Bei älteren Patienten kann durch die eingeschränkte Funktionsreserve der Nieren eine Säurebelastung, zum Beispiel durch erhöhte hepatische Säureproduktion bei diätetischer Eiweißzufuhr, schlechter kompensiert werden. So sind bei älteren Menschen unter kontrollierter Diät die Plasmakonzentration an Bicarbonat und der pH-Wert signifikant niedriger (Ausdruck einer latenten renal bedingten metabolischen Azidose).
Klinisch ist die metabolische Azidose oft schwer zu erkennen, typische Symptome fehlen oft. Richtungsweisend ist meist die Labordiagnostik, die unter Umständen bei ausgeprägten Fällen auch eine Hyperkaliämie zeigen kann. Zugrunde liegt dabei der Anstieg von Kaliumionen, die zur Erhaltung der elektrischen Neutralität der Zelle im Austausch für H+-Ionen aus dem Intrazellularraum freigesetzt werden. Durch diesen Mechanismus kann der Organismus auf Kosten eines Anstiegs der extrazellulären Kaliumkonzentration überschüssige Säureäquivalente abpuffern. Die durch eine metabolische Azidose bedingte Hyperkaliämie kann eine Bradykardie auslösen, bei lange bestehender Azidose kann es auch zu einem gesteigerten Eiweißkatabolismus sowie zu Anorexie und Adynamie kommen. Daneben werden Störungen wie Parathormonanstieg, Insulin- und Erythropoeitinresistenz, ein Anstieg des ionisierten Calciums sowie die verstärkte Progredienz der oft zugrunde liegenden chronischen Niereninsuffizienz beobachtet. Gerade bei älteren Patienten trägt die renal bedingte latente metabolische Azidose möglicherweise wesentlich zur Entwicklung einer Osteoporose bei. Es konnte gezeigt werden, dass eine orale Alkalisubstitution bei postmenopausalen Frauen zu einer signifikanten Calciumretention, einem positiven Stickstoffgleichgewicht und einer Hemmung des Knochenabbaus führt.
Während die respiratorische Azidose in der Regel kein Eingreifen in den Säure-Basen-Haushalt erfordert, wird dies bei der metabolischen Azidose heute anders gesehen: Sie stellt den größten Anteil der auch ambulant therapiebedürftigen Störungen des Säure-Basen-Haushalts dar. Gerade hier ist ein rationaler Zugang entscheidend. Die oft irrationalen Ernährungsempfehlungen zu „basischen“ Nahrungsmitteln und diätetischen Einschränkungen zur „Vorbeugung“ basischer Defizite zeigen die große Verunsicherung in der Bevölkerung.
Im Vordergrund steht auch bei der metabolischen Azidose die Behandlung des Grundleidens (zum Beispiel adäquate Insulingabe bei diabetischer Ketoazidose oder ausreichende Nierenersatztherapie). Bei chronischen Zuständen ist jedoch die Substitution von Bicarbonat sinnvoll und geboten. Diese kann in der Regel – vor allem bei bestehender chronischer Niereninsuffizienz oder renal tubulärer Azidose – durch orale Gabe von Natriumbicarbonat, beispielsweise als Natriumhydrogencarbonat, erfolgen. Vorzuziehen sind dabei magenverträgliche Präparate, die durch die Freisetzung im Dünndarm ohne CO2-Bildung im Magen die bakterizide Wirkung der Magensäure nicht beeinträchtigen. Mit Gabe von 2 000 bis 3 000 mg (24 bis 36 mmol) täglich lässt sich in der Regel ein guter Ausgleich des Säure-Basen-Haushalts erreichen und einer Demineralisierung des Skelettsystems vorbeugen.
Bei der Therapie der metabolischen Azidose muss besonders die Kaliumhomöostase berücksichtigt werden, weil bei zu schneller Korrektur der Azidose (in der Regel nur bei intravenöser Gabe von Bicarbonat) durch Aufnahme von Kalium in die Zelle eine Hypokaliämie auftreten kann.
Respiratorische Alkalose
Einer respiratorischen Alkalose liegt eine alveoläre Hyperventilation (Abfall des pCO2 und damit in der Folge Anstieg des pH-Wertes) aufgrund einer Hypoxie oder zentralen Stimulation des Atemzentrums zugrunde (Tabelle 1). Steht ursächlich die Hypoxie im Vordergrund, so kann klinisch akut eine ausgeprägte Dyspnoe imponieren. Durch den Abfall des ionisierten Calciums im basischen Milieu fallen dann meist Symptome der gesteigerten neuromuskulären Erregbarkeit wie Parästhesien, Schwindel und tetanische Manifestationen bis hin zur typischen „Pfötchenstellung“ auf.
Im Labor fällt das erniedrigte pCO2 auf, der pH-Wert ist in den alkalischen Bereich verschoben. Liegt eine Hypoxie vor, so ist der arterielle pO2 erniedrigt, bei primärer Stimulation des Atemzentrums dagegen ist er normal (Tabelle 1). Als Zeichen der metabolischen Kompensation sieht man einen Abfall der Bicarbonatkonzentration.
Therapeutisch steht auch hier die Behandlung der Grundkrankheit (Tabelle 2), insbesondere die Sicherung einer ausreichenden Oxygenierung im Vordergrund. Bei Vorliegen eines Hyperventilationsyndroms kann eine leichte Sedierung und Rückatmung (zum Beispiel in eine Plastiktüte) den pCO2 anheben und den circulus vitiosus durchbrechen helfen. Eine primäre Korrektur des Säure-Basen-Gleichgewichts ist in der Regel nicht notwendig.
Metabolische Alkalose
Der metabolischen Alkalose liegt primär ein Anstieg der Bicarbonatkonzentration (und damit ein Anstieg des pH-Werts) entweder durch renale Retention und/oder durch den Verlust von säurehaltigem Magensekret, etwa bei chronischem Erbrechen oder Ableitung des Magensaftes, zugrunde (Tabelle 1).
Bei der Untersuchung im Labor fällt meist eine ausgeprägte Hypokaliämie auf. Durch die Bestimmung der Chloridausscheidung im Urin kann der Volumenstatus abgeschätzt werden; bei rezidivierendem Erbrechen und Verlust an Magensaft findet man kaum Chlorid im Urin. Durch die kompensatorische Hypoventilation steigt der pCO2 im Blut.
Eine ebenfalls klinisch häufige Ursache ist die „Kontraktionsalkalose“ bei Exsikkose meist älterer Patienten, die oft durch eine begleitende Diuretikatherapie aggraviert wird.
Für die richtige Therapie ist daher die Unterscheidung zwischen Formen mit Volumendepletion und jenen mit Volumenüberschuss und Hypertonie wichtig. Bei Chlorid- und Volumendepletion reicht die Gabe von Natrium- oder Kaliumchlorid meist zur Stabilisierung des Säure-Basen-Haushalts aus. Gegebenenfalls kann durch Blockade der Säuresekretion durch Protonenpumpenhemmer bei Ableitung des Magensafts einem Säureverlust vorgebeugt werden. Bei Entwicklung einer metabolischen Alkalose unter Diuretikatherapie kann die zusätzliche Gabe eines kaliumsparenden Diuretikums (zum Beispiel Spironolacton) hilfreich sein. Bei Mineralocorticoidexzess (etwa bei Nebennierenadenom) ist neben Ausgleich der Hypokaliämie die chirurgische Sanierung anzustreben.
Die klinische Symptomatik wird meistens durch die begleitende Hypokaliämie bestimmt. Diese Symptomatik besteht in Parästhesien, Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen. Wie bei der respiratorischen Alkalose können auch hier tetanische Komplikationen bis hin zur Pfötchenstellung der Hände auftreten. Bei parallel bestehender Hypertonie muss an einen Mineralocorticoidexzess mit Hypervolämie gedacht werden (Tabelle 2).
Resümee
Die rationale Differenzialdiagnostik bei Störungen des Säure-Basen-Haushalts ist meist durch Bestimmung von pH-Wert, pCO2, pO2 und der Bicarbonatkonzentration möglich und lässt orientierend eine Einteilung in respiratorische Alkalose oder Azidose und metabolische Alkalose oder Azidose zu. Die kompensatorische Gegenregulation (respiratorisch oder renal) kann dabei die korrekte Beurteilung der primären Störung erschweren.
Die Therapie der Grunderkrankung, insbesondere die Sicherstellung einer ausreichenden Oxygenierung bei respiratorischen Problemen, steht klinisch bei der Therapie von Säure-Basen-Störungen im Vordergrund. Eine bloße „Laborkosmetik“ durch Ausgleich eines eventuellen Basendefizits ohne ausreichende Berücksichtigung der kausalen Störung ist zu vermeiden.
Bei chronischen Formen der metabolischen Azidose, beispielsweise bei chronischer Niereninsuffizienz und bei älteren Patienten, kann jedoch Bicarbonat substituiert werden, um den negativen Folgen der Azidose auf verschiedene Organsysteme (etwa einer Demineralisation des Skeletts) vorzubeugen. Dabei sind dünndarmlösliche Formulierungen des Natriumbicarbonats besonders verträglich und geeignet.
Manuskript eingereicht: 1. 7. 2004; revidierte Version angenommen: 27. 12. 2004
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
zZitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 1896–1899 [Heft 26]
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Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Roland M. Schaefer
Medizinische Klinik und Poliklinik D
Universitätsklinikum Münster
Albert-Schweitzer-Straße 33
48129 Münster
E-Mail: schaefe@uni-muenster.de
Grafik
Tabelle 1
Tabelle 2
Duhme, Heidje
Zander, Rolf
Wittstamm, Franz-Josef
Schaefer, Roland M.
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