ArchivDeutsches Ärzteblatt36/2005Dschingis Khan und seine Erben: Austausch über Kontinente hinweg

VARIA: Feuilleton

Dschingis Khan und seine Erben: Austausch über Kontinente hinweg

Wanner, Ernst

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS
Karte der Entfernungen sowie der historischen Hauptstädte, Yi- Dynastie 1402, Tusche und Farben auf Papier, 280 cm x 220 cm Fotos: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Karte der Entfernungen sowie der historischen Hauptstädte, Yi- Dynastie 1402, Tusche und Farben auf Papier, 280 cm x 220 cm Fotos: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
Wissenschaftler und Museen aus aller Welt kooperierten,
um die anspruchsvolle Ausstellung zu ermöglichen.

Dschingis Khan – sein Name ist mit Reiterheeren und gewaltigen Eroberungszügen verknüpft. Dass dies nur eine Seite der Medaille ist, beweist eindrucksvoll die Ausstellung „Dschingis Khan und seine Erben – das Weltreich der Mongolen“ in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Toleranz gegenüber den unterworfenen Völkern und deren Kultur und Religion, ein hervorragendes Kurier- und Verkehrswesen, sowie eine ausgezeichnete Verwaltung trugen zur Errichtung und Ausstrahlung des Mongolenreichs bei. Gleichzeitig wurde die mongolische Kultur durch das Prinzip der Integration von Menschen mit besonderen Fähigkeiten und Kulturen wesentlich gestärkt.
Die anspruchsvolle Schau anlässlich des 800. Jahrestages der Vereinigung des mongolischen Reichs im Jahr 2006 wäre ohne internationale Kooperation von Wissenschaftlern und Museen aus aller Welt nicht möglich gewesen. Insbesondere französische, türkische und deutsche Archäologen haben zu einem vertieften Bild von Dschingis Khan und den Mongolen beigetragen. Ganz aktuell sind die deutschen Ausgrabungen der Stadt Karakorum, die von Dschingis Khan als Hauptstadt seines Reichs gegründet und so zum Ausgangspunkt des mongolischen Staatswesens wurde.
Bisher kaum bekannte Ausstellungsstücke haben Museen aus Taipeh, Tokio, Teheran, Ulan Bator, die Eremitage in St. Petersburg sowie das Muse´e Guimet in Paris ausgeliehen. Hervorzuheben sind vor allem das Porträt Dschingis Khans aus Taipeh, buddhistische Heiligtümer, prachtvolle Seidenstoffe, die Waffen, Rüstungen und Zaumzeuge des berühmten Reitervolks und eine meterhohe Weltkarte des 14. Jahrhunderts aus asiatischer Sicht. Auf dieser Weltkarte ist auch der Rhein bis zum Siebengebirge verzeichnet.
Porträt des Kaisers Taizu (Dschingis Khan), Yuan-Dynastie, 14. Jh., Tusche und Farben auf Seide, 116 cm x 74 cm (Ausschnitt)
Porträt des Kaisers Taizu (Dschingis Khan), Yuan-Dynastie, 14. Jh., Tusche und Farben auf Seide, 116 cm x 74 cm (Ausschnitt)
Die Ausstellung zeigt, dass die Bedeutung des Mongolenreichs nicht nur in der ungeheuren räumlichen Ausdehnung vom Pazifik bis in den Donauraum bestand, sondern auch im Weiterwirken nach dem Tode Dschingis Khans. So ruft sie die Tatsache in Erinnerung, dass das chinesische Reich über lange Zeit von Mongolen regiert wurde (Yuan-Dynastie), dass die iranische Kultur durch die Ilkhanate mitgeprägt wurde und die goldene Horde einen wichtigen Aspekt russischer Kultur beeinflusst hat. Selbst die prächtige Mogulkunst in Nordindien ist mongolischen Ursprungs. Wäre die mongolische Flotte nicht in einem Taifun untergegangen, wäre auch Japan unter mongolische Herrschaft geraten. Prägend war schließlich für die Mongolenzeit ein reger Handel und Austausch über Kontinente hinweg. Mit dem Handel reisten auch Sprachen, Religionen und Ideen.
Am Ende des Rundgangs schlägt die Ausstellung den Bogen zur Gegenwart. Sie konfrontiert die Besucher damit, dass auch in der Mongolei im Jahr 1990 eine neue Zeit anbrach. Das gilt generell für die politische und kulturelle Verfassung des Landes, besonders aber auch für die Bewertung von Dschingis Khan. Unter kommunistischer Herrschaft totgeschwiegen und verdrängt, kehrt er heute ins Bewusstsein der Mongolen zurück, unter anderem durch Denkmäler sowie durch sein Porträt auf Briefmarken und Geldscheinen.
So bietet der Rundgang durch die Ausstellung „Dschingis Khan und seine Erben“ vielfältige Anregungen – kultureller, historischer, wissenschaftlicher und politischer Art. Trotzdem kommt die sinnliche Erfahrung nie zu kurz. Dies gilt insbesondere für die sorgfältig rekonstruierten Jurten auf dem Dach der Bundeskunsthalle.
Ernst Wanner


Die Ausstellung „Dschingis Khan und seine Erben“ ist in Bonn bis zum 25. September und anschließend in München zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstags und mittwochs von 10 bis 21 Uhr, donnerstags bis sonntags 10 bis 19 Uhr. Montags geschlossen. Tickets im Vorverkauf unter 08 00/1 75 27 50 und unter www.bundeskunsthalle.de. Ein ausgezeichneter wissenschaftlicher Katalog ist für 28 Euro erhältlich.

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote