

„Tanz der Gerippe“, Holzschnitt im Format
19,3 cm × 22,6 cm von Michael Wolgemut aus
der so genannten „Schedelschen Weltchronik“,
Nürnberg 1493, S. 264
Foto: Eberhard Hahne
Eines der berühmtesten Beispiele dieses Bildthemas findet sich im ausgehenden Mittelalter in der „Schedelschen Weltchronik“ (1493) des Nürnberger Arztes und Humanisten Hartmann Schedel. Die Abbildungen in diesem Werk stammen aus der Werkstatt von Michael Wolgemut. Auf seinem Holzschnitt werden Tote nicht nur als Skelette dargestellt, sondern – wie dies häufig geschah – auch als verweste Leichname, denen die Gedärme aus der geöffneten Bauchhöhle heraushingen.
Das Bild zeigt keine bedrückte Stimmung, sondern fröhlich tanzende Figuren. Die Vielfalt und Ambivalenz der Assoziationsmöglichkeiten macht offensichtlich die Faszination dieses alten Bildthemas aus: Geht es hier um die christliche Freude an der versprochenen Auferstehung? Oder handelt es sich um eine Reaktionsbildung angesichts der Ängste vor dem eigenen Sterben? Soll uns das Reich der Toten als frohgestimmtes Ende des irdischen Jammertals vor Augen geführt werden – oder richtet sich die Darstellung
gegen eine Verdrängung der Begrenztheit unseres Lebens, deren bewusste Wahrnehmung erst jeden Tag wertvoll macht? Gehören derartige Bilder zu den Bewältigungsstrategien der Überlebenden, wie dies zum Beispiel auch für den Leichenschmaus gilt? Künstler wie HAP Grieshaber, Horst Janssen, Markus Lüpertz oder Peter Gilles haben diesem jahrhundertealten Bildthema bis in unsere Zeit „lebendigen“ Ausdruck gegeben. Hartmut Kraft
Biografie Michael Wolgemut
Geboren 1433 oder 1434 in Nürnberg. Deutscher Maler und Holzschnittzeichner. Berühmt wurde er vor allem durch seine 1 809 Holzschnitte, die er für die „Schedelsche Weltchronik“ (1493) anfertigte. Bei dieser umfangreichsten Holzschnittfolge des 15. Jahrhunderts arbeitete er unter anderem auch mit dem jungen Albrecht
Dürer zusammen. Gestorben 1519 in Nürnberg.
Literatur
Frey W, Freytag H (Hrsg.): „Ihr müsst alle nach meiner Pfeife tanzen.“ Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2000.
Schuster E (Hrsg.): Das Bild vom Tod. Recklinghausen: Verlag Aurel Bongers 1992.
Wunderlich U: Der Tanz in den Tod. Totentänze vom
Mittelalter bis zur Gegenwart. Freiburg i. Br.: Eulen
Verlag 2001.
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