MEDIZIN
Verbesserte Langzeitüberlebensraten von Krebspatienten: Die unterschätzten Fortschritte der Onkologie
Long-term survival of cancer patients – underrated progress in oncology
; ;


Verbesserungen in den Langzeitüberlebensraten von Krebspatienten werden mit traditionellen Analysemethoden häufig erheblich zeitverzögert aufgedeckt, weil diese Methoden die Prognose für Patienten widerspiegeln, deren Diagnose viele Jahre zurückliegt. In den vergangenen Jahren wurde ein neues Verfahren der Überlebenszeitanalyse, die so genannte Periodenanalyse entwickelt. Nach umfassender empirischer Evaluation wurde diese Methode zur Herleitung aktueller Langzeitüberlebensraten in populationsbezogenen Krebsregistern verschiedener Länder eingesetzt. Bei Anwendung auf die Daten des Krebsregisters Saarland ergab sich für den Zeitraum von 1998 bis 2002 für alle Krebsarten insgesamt eine relative
5-Jahres-Überlebensrate von 55,1 Prozent. Diese liegt fast acht Prozentpunkte höher als der entsprechende Schätzwert für den Zeitraum von 1988 bis 1992. Besonders deutliche Verbesserungen waren für Patienten mit Krebs der Speiseröhre (von 8 auf 22 Prozent), des Dickdarms (von 51 auf 60 Prozent), des Mastdarms (von 46 auf 58 Prozent), der Eierstöcke (von 34 auf 42 Prozent), der Prostata (von 70 auf 85 Prozent) und der Nieren (von 57 auf 67 Prozent) zu verzeichnen. Die Überlebenschancen von Krebspatienten zu Beginn des 21. Jahrhunderts sind damit deutlich höher als bisher verfügbare Überlebensstatistiken vermuten ließen.
Schlüsselwörter: Krebsregister, Prognose, Monitoring, Epidemiologie
Summary
Long-term survival of cancer patients – underrated progress in oncology
There is a significant time lag in the detection of improvements in long-term survival rates of cancer patients, using traditional methods of survival analysis. These provide survival estimates relating to patients diagnosed many years ago. In recent years, a new method of survival analysis, the period analysis, has been developed. After thorough evaluation this method was applied to derive up-to date estimates of long-term survival in a number of population-based cancer registries around the world. When adapted to data from the Saarland Cancer Registry, the 5-year relative survival estimate for all cancers combined was 55.1 per cent for the 1998–2002 period, almost 8 percentage points higher than the corresponding estimate for the 1988–1992 period. Particularly large improvements between the two periods were seen for patients with cancers of the
oesophagus (from 8 to 22 per cent), colon (from 51 to 60 per cent), rectum (from 46 to 58 per cent), ovaries (from 34 to 42 per cent), prostate (from 70 to 85 per cent), and kidneys (from 57 to 67 per cent). Survival expectations of patients diagnosed with cancer at the beginning of the 21st century are thus substantially higher than previously available survival statistics have suggested.
Key words: cancer registry, documentation, survival rate, prognosis, monitoring, epidemiology
Neben dem Monitoring der Inzidenz und Mortalität bei Krebserkrankungen zählt die Überwachung der Prognose zu den wichtigsten Aufgaben epidemiologischer Krebsregister. Die dabei am häufigsten verwendeten Indikatoren sind Langzeitüberlebensraten, insbesondere 5-Jahres-Überlebensraten. In der Vergangenheit wurden solche Langzeitüberlebensraten meist retrospektiv für Patienten berechnet, deren Diagnose mindestens fünf Jahre zurücklag.
Da die Bereitstellung vollständiger Krebsregisterdaten, die Aufarbeitung, Analyse und Publikation zusammen in der Regel nochmals einige Jahre beanspruchen, bezogen sich die aktuellsten publizierten 5-Jahres-Überlebensraten von Krebspatienten meistens auf diejenigen, deren Diagnose acht oder mehr Jahre zurückreichte. So berichteten die Autoren der im Jahr 2003 publizierten EUROCARE-3-Studie beispielsweise 5-Jahres-Überlebensraten von Krebspatienten in europäischen Ländern, deren Diagnose und Erstbehandlung in der Zeit zwischen 1990 und 1994 erfolgt war (1). Naturgemäß können solche Daten die zwischenzeitlich erzielten Fortschritte der Onkologie nicht widerspiegeln.
Um ein aktuelleres Bild der Langzeitüberlebensraten zu erhalten, wurde vor einigen Jahren ein neues Verfahren der Überlebenszeitermittlung, die so genannte Periodenanalyse, entwickelt (2). Hierbei gehen ausschließlich Daten aus dem aktuellsten verfügbaren Zeitraum, für den Krebsregisterdaten vorliegen,
in die Berechnungen ein. Das Prinzip ist vergleichbar mit dem, das für die Bestimmung der momentanen Lebenserwartung verwendet wird. Auch hierfür wird nicht retrospektiv die durchschnittliche Lebensdauer früherer Generationen Neugeborener berechnet. Vielmehr basiert die Ermittlung der durchschnittlichen Lebenserwartung heute neugeborener Mädchen und Jungen auf altersspezifischen Sterberaten, die in einem aktuellen Zeitraum – etwa dem
aktuellsten Jahr, für das Mortalitätsstatistiken verfügbar sind – beobachtet wurden.
Die Periodenanalyse von Krebsüberlebensraten wurde zwischenzeitlich umfassend empirisch evaluiert. Dabei konnte gezeigt werden, dass die mit diesem Verfahren bestimmten Langzeitüberlebensraten die aktuelle Prognose von Krebspatienten sehr viel besser widerspiegeln als die traditionellen Schätzer (3–5). Insbesondere können Fortschritte in 5-, 10-, 15- beziehungsweise 20-Jahres-Überlebensraten fast 5, 10, 15 beziehungsweise 20 Jahre früher aufgedeckt werden als mit traditionellen Vorgehensweisen (4).
Auf Grundlage dieser Ergebnisse wurde die Periodenanalyse mittlerweile erfolgreich zur Berechnung aktueller Langzeitüberlebensraten von Krebspatienten in verschiedenen Ländern eingesetzt (6–14). Dabei wurden jeweils Fortschritte in der Prognose festgestellt, die bis dato mit traditionellen Verfahren der Überlebenszeitanalyse noch nicht erkennbar gewesen waren. Zwei Beispiele: In Deutschland kann mittlerweile für Kinder mit Leukämien von einer durchschnittlichen 10-Jahres-Überlebensrate von mehr als 75 Prozent ausgegangen werden (6). Für Patienten in den USA, bei denen ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird, besteht inzwischen gegenüber der altersentsprechenden Allgemeinbevölkerung keine erhöhte Sterblichkeit mehr (12).
Im Folgenden werden aktuelle Schätzungen von 5-Jahres-Überlebensraten von Krebspatienten in Deutschland, die auf der Periodenanalyse basieren, vorgestellt.
Material und Methoden
Der Untersuchung zugrunde liegen Daten des Epidemiologischen Krebsregisters Saarland, das als einziges epidemiologisches Krebsregister in Deutschland auf eine weitgehend vollständige Registrierung aller Krebsneuerkrankungen in den vergangenen 30 Jahren zurückblicken kann. Zum Zeitpunkt der Analyse waren Angaben bis einschließlich 2002 hinreichend vollständig verfügbar. Wegen der Besonderheit von Krebserkankungen im Kindesalter – diese umfassen circa ein Prozent aller Krebserkrankungen – beziehen sich die Auswertungen ausschließlich auf Patienten ab dem 15. Lebensjahr.
Dem üblichen Vorgehen bei der Überlebenszeitanalyse mit epidemiologischen Registerdaten entsprechend wurden nur Patienten mit einer erstmaligen Krebsdiagnose berücksichtigt. Auch Patienten, die dem Krebsregister nur durch die Nennung einer Krebsdiagnose auf der Todesbescheinigung bekannt wurden, so genannte „death certificate only“- (DCO-)Fälle, wurden von der Untersuchung ausgenommen. Im Zeitraum von 1998 bis 2002 betrug die Zahl der DCO-Fälle circa 4,5 Prozent aller Meldungen.
Es wurden separate Analysen für 20 häufige Krebsarten durchgeführt. Von einer weiteren Differenzierung nach Stadium bei Diagnose wurde für diese Übersichtsarbeit abgesehen.
Mit der Periodenanalyse wurden aktuelle 5-Jahres-Überlebensraten für die Zeit von 1998 bis 2002 berechnet. Um die im vergangenen Jahrzehnt erzielten Fortschritte abzubilden, werden vergleichend 5-Jahres-Überlebensraten für die Zeiträume 1978–1982, 1988–1992 und 1993–1997 dargestellt. Es wurden, wie in der Auswertung bevölkerungsbezogener Krebsregisterdaten üblich, relative statt absolute Überlebensraten ermittelt (15). Bei der Bestimmung der relativen Überlebensraten werden von den beobachteten Sterberaten der Krebspatienten die Sterberaten abgezogen, die gemäß den altersspezifischen Sterberaten der Allgemeinbevölkerung auch ohne die Krebserkrankung zu erwarten wären. Für eine detaillierte Beschreibung des methodischen Vorgehens bei der Durchführung von Periodenanalysen sei auf eine kürzlich erschienene Übersichtsarbeit verwiesen (16).
Ergebnisse
In den Zeiträumen 1978–1982, 1988– 1992 und 1998–2002 wurden jeweils 17 571, 21 199 und 24 649 Patienten mit einer Ersterkrankung an Krebs an das Krebsregister Saarland gemeldet. Von 1998 bis 2002 war Brustkrebs mit 3 576 Neuerkrankungen die häufigste Krebs-Erstdiagnose, gefolgt von Krebs der Lungen (n = 3 049), der Prostata (n = 2 773), des Dickdarms (n = 2 597) und des Mastdarms (n = 1 623).
Wie Grafik 1 zeigt, stieg die relative 5-Jahres-Überlebensrate aller Krebspatienten im Zeitverlauf deutlich an. Während der Zuwachs zwischen den Zeiträumen 1978–1982 und 1988–1992 noch 5,2 Prozentpunkte (von 42,0 Prozent auf 47,2 %) betrug, beschleunigte sich der Zugewinn zwischen den Zeiträumen 1988–1992 und 1998–2002 auf fast 8 Prozentpunkte (von 47,2 Prozent auf 55,1 Prozent). Allein zwischen den Zeiträumen 1993–1997 und 1998– 2002 konnte eine Zunahme von 4,4 Prozentpunkten erzielt werden.
Da die Prognose für die einzelnen Krebsarten sehr stark variiert, ist in den Grafiken 2 bis 5 die Entwicklung der 5-Jahres-Überlebensraten separat für 20 häufige Krebsarten dargestellt. Diese machen zusammen fast 90 Prozent aller Krebserkrankungen im Erwachsenenalter aus. Der Standardfehler der geschätzten 5-Jahres-Überlebensraten war generell sehr klein – er lag in den meisten Fällen zwischen 1,0 und 2,5 Prozentpunkten und in allen Fällen unter 2,8 Prozentpunkten. Der besseren Übersichtlichkeit halber wird er in den Grafiken daher nicht gesondert dargestellt.
Unter den häufigen Krebserkrankungen der Verdauungsorgane besteht für die kolorektalen Karzinome die beste Prognose (Grafik 2). Für Patienten mit diesen Krebsarten konnten zwischen 1988–1992 und 1998–2002 weitere deutliche Verbesserungen der Prognose erreicht werden. Das bedeutet, dass heute circa 60 Prozent dieser Patientengruppe fünf Jahre nach der Diagnose noch lebt. Auch der Anteil Überlebender mit Speiseröhrenkrebs, der zehn Jahre zuvor noch unter 10 Prozent lag, ist im Zeitraum zwischen 1998 und 2002 auf mehr als 20 Prozent angestiegen. Leider konnten entsprechende Verbesserungen für andere Krebserkrankungen mit besonders schlechter Prognose, insbesondere das Pankreaskarzinom, bisher nicht erreicht werden.
Bei den gynäkologischen Krebserkrankungen wurde für Brustkrebs ein Zuwachs um circa 7 Prozentpunkte erzielt, sodass die relative 5-Jahres-Überlebensrate für diese mit Abstand häufigste Krebserkrankung der Frauen mittlerweile bei etwa 80 Prozent liegt (Grafik 3). Auch für Patientinnen mit Ovarialkarzinomen ist eine deutliche Verbesserung der Prognose um circa 8 Prozentpunkte zu erkennen. Dennoch blieb die Prognose mit einer relativen 5-Jahres-Überlebensrate von 42 Prozent im Zeitraum 1998–2002 deutlich schlechter als für die anderen häufigen gynäkologischen Tumoren.
Sehr deutliche Verbesserungen in der Prognose gab es auch für Patienten mit den häufigsten urologischen Karzinomen, dem Prostatakarzinom und dem Nierenkarzinom (Grafik 4). Insbesondere ist die relative 5-Jahres-Überlebensrate für Prostatakrebspatienten inzwischen mit 85 Prozent deutlich höher als für Patienten mit anderen Krebserkrankungen. Für Hodenkrebs beträgt die relative 5-Jahres-Überlebensrate mittlerweile nahezu 100 Prozent. Die scheinbare Verschlechterung der Prognose bei Patienten mit Blasenkarzinom muss mit Vorsicht bewertet werden. Sie stellt vermutlich ein Artefakt aufgrund geänderter histopathologischer Malignitätskriterien dar. Nachdem oberflächliche, papilläre Urotheltumoren in den früheren Diagnosejahren als invasive Blasentumoren codiert wurden, klassifizierte man sie später als nichtinvasive Tumoren. Diese gingen in die vorliegende Analyse nicht ein.
Eine entsprechende Revision und Umcodierung der Registerdaten vor den 1990er-Jahren ist noch nicht vollständig erfolgt.
Obwohl Lungenkrebs nach wie vor mit einer sehr schlechten Prognose behaftet ist, gibt es doch Anzeichen für eine leichte Verbesserung in den letzten Jahren (Grafik 5). Für Patienten mit malignem Melanom, Lymphomen und Leukämien konnte nach moderaten Verbesserungen im letzten Jahrzehnt inzwischen eine relative 5-Jahres-Überlebensrate von 86, 65, beziehungsweise 46 Prozent erreicht werden.
Diskussion
Die Auswertungen zeigen, dass die Langzeitüberlebensraten von Patienten mit einer Reihe von Krebserkrankungen in Deutschland zwischenzeitlich deutlich höher sind als die in bisher verfügbaren Arbeiten dargestellten Werte. Bevölkerungsbezogene Analysen relativer 5-Jahres-Überlebensraten waren zuletzt im Kontext der im Jahr 2003 publizierten EUROCARE-3-Studie erstellt worden und bezogen sich auf den Diagnosezeitraum 1990–1994. Diese Zeitspanne lag acht Jahre vor dem hier untersuchten Zeitraum 1998–2002 (1). Die mit traditionellen Verfahren der Überlebenszeitermittlung durchgeführten Analysen der EUROCARE-3 Studie, an denen Deutschland mit dem Tumorregister München und dem Krebsregister Saarland beteiligt war, konnten daher die im Laufe des letzten Jahrzehnts erzielten Fortschritte noch nicht widerspiegeln. Diese Fortentwicklungen wurden in der vorliegenden Arbeit durch Anwendung der Periodenanalyse und eines bis zum Jahr 2002 aktualisierten Datensatzes aufgedeckt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die seit langem zu beobachtende stetige Verbesserung der Überlebensraten für alle Krebsarten in den letzten Jahren noch beschleunigt hat.
Allerdings sind die Entwicklungen für verschiedene Krebserkrankungen sehr unterschiedlich. Einer Stagnation der Prognose auf niedrigem
Niveau, wie etwa beim Pankreaskarzinom, stehen Verbesserungen um circa 10 bis 15 Prozentpunkte im letzten Jahrzehnt bei einigen häufigen Krebsarten wie den kolorektalen Karzinomen oder den Karzinomen von Prostata und Nieren gegenüber.
Wenngleich die Resultate unserer Periodenanalyse um Jahre aktueller sind als die bisher vorliegenden Statistiken von Langzeitüberlebensraten, so ist davon auszugehen, dass auch sie die zwischenzeitlich erreichten Fortschritte in der Langzeitprognose von Krebspatienten noch nicht vollständig darstellen. Insbesondere ist damit zu rechnen, dass es auch seit 2002 zu weiteren Verbesserungen gekommen ist, die in dieser Analyse noch nicht berücksichtigt werden konnten.
Auch wenn 5-Jahres-Überlebensraten einen wichtigen Indikator für Fortschritte in der Krebsbekämpfung darstellen, so sind sie als alleiniger Indikator hierfür nicht ausreichend. Eine umfassende Evaluation erfordert zusätzlich die Berücksichtigung von Trends in Inzidenz- und Mortalitätsraten und der ihnen zugrunde liegenden Ursachen, einschließlich struktureller Änderungen wie etwa die Einführung neuer Screeninguntersuchungen. Die hier für alle Tumorstadien zusammengefasst dargestellten relativen Überlebensraten geben alleine noch keine Auskunft über die Gründe für die Verbesserungen. Die Hauptursachen können zum einen in einer verbesserten Früherkennung, zum anderen in den Weiterentwicklungen der Therapie liegen. Im ersten Fall stellen Zunahmen in den Überlebensraten nur dann einen echten Fortschritt dar, wenn sie auch mit einer Erhöhung des Anteils geheilter Patienten und nicht mit einer reinen „Vorverlagerung“ der Diagnose einhergehen.
Beide Faktoren, eine frühere Diagnosestellung und Verbesserungen in der Therapie, haben vermutlich zu dem Zuwachs der 5-Jahres-Überlebensraten beigetragen, wobei die Bedeutung der beiden Faktoren für die verschiedenen Krebsarten erheblich variieren dürfte. So ist die inzwischen fast 100 Prozent betragende 5-Jahres-Überlebensrate von Patienten mit Hodenkrebs in erster Linie als Erfolg der für diese Krebsart erzielten Durchbrüche in der Chemotherapie zu werten (17). Dem gegenüber haben für andere Krebserkrankungen, wie beispielsweise Brustkrebs, Prostatakrebs und Darmkrebs, vermutlich sowohl Fortschritte in der Therapie (adjuvante und neoadjuvante Hormontherapie, Chemotherapie, Chirurgie) als auch eine frühere Erkennung in unterschiedlichem Umfang mit zu den Verbesserungen geführt (18–23).
Es wäre wünschenswert, die Verbesserungen in den Überlebensraten und deren Ursachen auf der Basis epidemiologischer Registerdaten differenziert und zeitnah weiter analysieren zu können. Grundvoraussetzung dafür ist zunächst eine hinreichend vollzählige Krebsregistrierung, um mögliche Verzerrungen durch Selektionseffekte zu vermeiden. Mit einer geschätzten Vollzähligkeit von circa 96 Prozent ist diese Voraussetzung im Krebsregister Saarland seit Jahren gegeben (24). Es ist zu hoffen, dass ein vergleichbares Maß an Vollzähligkeit bald auch in anderen Bundesländern, in denen sich die Krebsregistrierung derzeit im Aufbau befindet (25), erreicht wird.
Erforderlich ist aber auch, dass neben der Vollzähligkeit ein hohes Maß an Vollständigkeit klinisch und prognostisch relevanter Angaben auf den Registermeldungen erreicht wird. Diese Angaben sollten differenzierte Analysen nach Stadium bei Diagnose, histologischem Typ, durchgeführten Therapien et cetera ermöglichen. Alle entsprechenden Daten sollten zeitnah, das heißt, mit einer Verzögerung von maximal ein bis zwei Jahren, für die Auswertung zur Verfügung stehen. Diese Voraussetzungen sind auch im Krebsregister Saarland bislang nur partiell erfüllt.
Aus diesem Grund haben die Autoren ein Modellprojekt initiiert, das seit dem 1. Januar 2005 von der Deutschen Krebshilfe gefördert wird. Kernpunkt dieses Projekts ist, eine weitestgehend automatisierte zeitnahe Meldung der in den Kliniken ohnehin zumeist differenziert erhobenen klinischen Daten an das Epidemiologische Krebsregister Saarland zu ermöglichen. Diese Daten sollten dann für eine differenzierte Berechnung aktueller Überlebensraten mittels Periodenanalyse genutzt werden. Mit den Ergebnissen dieses auf drei Jahre angelegten Modellprojekts ist im Jahr 2007 zu rechnen, eine anschließende Überführung in ein zeitnahes routinemäßiges Monitoring der Prognose ist vorgesehen.
Manuskript eingereicht: 29. 4. 2005, revidierte Fassung angenommen: 28. 6. 2005
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 2628–2633 [Heft 39]
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Hermann Brenner
Deutsches Zentrum für Alternsforschung
Abteilung für Epidemiologie
Bergheimer Straße 20, 69115 Heidelberg
E-Mail: Brenner@dzfa.uni-heidelberg.de
1 Deutsches Zentrum für Alternsforschung, Abteilung für Epidemiologie (Leiter: Prof. Dr. med. Hermann Brenner), Heidelberg
2 Epidemiologisches Krebsregister Saarland (Leiter: Hartwig Ziegler), Saarbrücken
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Grafik 1
Grafik 2
Grafik 3
Grafik 4
Grafik 5
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22. | Dahlberg M, Glimelius B, Pahlman L: Changing strategy for rectal cancer is associated with improved outcome. Br J Surg 1999; 86: 379–384. MEDLINE |
23. | Faivre-Finn J, Bouvier-Benhamiche AM, Phelip JM, Manfredi S, Dancourt V, Faivre J: Colon cancer in France: evidence for improvement in management and survival. Gut 2002; 51: 60–64. MEDLINE |
24. | Brenner H, Stegmaier C, Ziegler H: Estimating completeness of cancer registration in Saarland/Germany with capture-recapture methods. Eur J Cancer 1994; 30A: 1659–1663. MEDLINE |
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Hölzel, Dieter; Engel, Jutta; Schubert-Fritschle, Gabriele; Mansmann, Ulrich
Brenner, Hermann; Stegmaier, Christa; Ziegler, Hartwig
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