ArchivDeutsches Ärzteblatt PP10/2005Ambulante Versorgung: Auf sehr dünnem Eis

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Ambulante Versorgung: Auf sehr dünnem Eis

Maus, Josef

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Gut dreitausend niedergelassene Ärzte, Psychotherapeuten und Arzthelferinnen demonstrierten in Frankfurt für bessere Rahmenbedingungen in der ambulanten Versorgung.

Wer auch immer die neue Bundesregierung stellen wird, kann sich auf unruhige Zeiten im Gesundheitswesen einrichten. Nachdem die angestellten Krankenhausärzte über Monate hinweg mit massiven Protesten auf die schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam gemacht haben, formieren sich nun die ersten Aktionsbündnisse in der ambulanten Versorgung. Am 21. September demonstrierten in der Frankfurter Jahrhunderthalle mehr als 3 000 Ärzte, Psychotherapeuten und Arzthelferinnen. Der Protesttag stand unter dem Leitgedanken: „Es brennt im Gesundheitswesen! Spar-Kassen, nein danke!“
Die Wut der vielen Tausend Demonstranten war kaum zu übersehen, erst recht nicht zu überhören: Trillerpfeifen und Sirenen entfachten in der Jahrhunderthalle einen ohrenbetäubenden Lärm, anhaltender Beifall unterbrach immer wieder die Reden der Akteure des Aktionsbündnisses, das sich den beziehungsreichen Namen „Agenda 5.11“ gegeben hat. Das Bündnis, benannt nach dem Punktwert für ambulante ärztliche Leistungen, der eigentlich von den Kassen bezahlt werden müsste, ist eine gemeinsame Initiative des hessischen Hausärzteverbandes, der Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände, der Gesundheitsoffensive Hessen und der Berufsverbände der hessischen Psychotherapeuten. Unterstützt wird der fachübergreifende Zusammenschluss von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).
„Wir leben auf sehr dünnem Eis“, sagte die Vorsitzende der KV Hessen, Dr. med. Margita Bert. „Die größte Krankenkasse hier in Hessen stellt nur noch 15,2 Prozent ihrer Ausgaben für die ambulante Versorgung zur Verfügung. Das geht einfach nicht mehr!“ Die unzureichende Vergütung ist jedoch nur ein Problem der Niedergelassenen – allerdings eins mit fatalen Folgen. So können die ambulanten Operateure in Hessen ihre Leistungen nicht mehr kostendeckend erbringen. Viele Fachärzte hatten schon im Jahr 2003 beklagt, dass sie 20 Prozent ihrer Leistungen überhaupt nicht mehr honoriert bekommen. Auch die Psychotherapeuten können mangels ausreichender Vergütung den Bedarf an Psychotherapie längst nicht mehr befriedigen.
Frank Dastych, der Vorsitzende der Vertreterversammlung der KV Hessen, brachte die Gemütslage der Niedergelassenen treffend auf den Punkt: „Nachwuchsmangel, Frustration und Demotivation bei der Berufsausübung, überbordende Bürokratie und Perspektivlosigkeit prägen mehr denn je die Situation des niedergelassenen Vertragsarztes und in weiten Bereichen auch die des niedergelassenen Psychotherapeuten. Der Wert der Dienstleistung des Arztes für den Patienten erfährt kaum noch Wertschätzung.“ Dies und die schlechter werdende wirtschaftliche Situation ergäben ein höchst bedrohliches Bild.
„Wir sagen Nein zur Weigerung der Krankenkassen, das ambulante Operieren kostendeckend zu honorieren“, heißt es in einer Resolution zum Aktionstag in Frankfurt. Nein zur Haltung der Krankenkassen, die Ärzte für die Steigerungen bei den Arzneimittelausgaben haftbar zu machen. Nein zur Weigerung der Kassen, die psychotherapeutischen Leistungen gerecht und angemessen zu vergüten, und Nein zu dem Zwang, immer mehr Praxispersonal entlassen zu müssen.
Mit der Geduld am Ende: Das Aktionsbündnis setzte ein deutliches Zeichen für die Politik. Foto: Josef Maus
Mit der Geduld am Ende: Das Aktionsbündnis setzte ein deutliches Zeichen für die Politik. Foto: Josef Maus
Was die hessischen Ärztinnen und Ärzte beklagen, ist kein regionales Phänomen. Mit denselben Problemen sehen sich auch die anderen 16 Kassenärztlichen Vereinigungen konfrontiert. „Es brennt im Gesundheitswesen“ gilt demnach bundesweit. Allen gemeinsam ist ferner die Sorge um den ausbleibenden Nachwuchs. Dass schon jetzt in einigen Regionen Mangel an Hausärzten herrscht, ist nicht nur aus hessischer Sicht unmittelbare Folge einer seit vielen Jahren verfehlten Gesundheitspolitik.
Die „Agenda 5.11“ wertet den Frankfurter Aktionstag nicht als einmaliges Ereignis. Sollten keine Reaktionen von den Krankenkassen und letztlich von der Politik erfolgen, gehen die Proteste weiter. Weitere Demonstrationen auch in anderen Bundesländern dürften folgen. Josef Maus

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