MEDIZIN: Diskussion
Hirntodbestimmung und Betreuung des Organspenders – Eine Herausforderung für die Intensivmedizin: Schlusswort


Es war daher das Ziel der Autoren, angesichts bekannter Defizite das Konzept des Hirntodes erneut darzustellen und Probleme der Umsetzung im klinisch-intensivmedizinischen Alltag zu diskutieren. Vor diesem Hintergrund ist eine Ergänzung und kritische Anregung, wie sie Herr Janzen vorgenommen hat, grundsätzlich wünschenswert. Angemessene Kenntnisse des Intensivpersonals von solchen spinalen Reflexen oder spinalmotorischen Schablonen sind sinnvoll, um eigene Verunsicherungen oder Zweifel von Angehörigen zu unterbinden. Die Häufigkeit solcher Spinalisationsphänomene wird in systematischen Untersuchungen zwischen 13 Prozent (1) und 39 Prozent (5) angegeben.
Wir halten es jedoch nicht für erforderlich, dass solche Kenntnisse ein so hohes fachliches Ausmaß annehmen, wie von Herrn Janzen gefordert, weil in den stets an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft angepassten Richtlinien der Bundesärztekammer alles für den klinischen Alltag Notwendige dargestellt ist: Auf die ausführliche Anamnese der zum Ausfall der Hirnfunktionen führenden Erkrankung folgt die exakte und zweifelsfrei vorgeschriebene Erhebung der Symptome, ergänzt durch erneute Untersuchungen oder apparative Maßnahmen, um die Irreversibilität des Hirnausfalls zu bestätigen. Auf diesem „Fundament“ wird der Tod eines Menschen festgestellt, und ein solches „Fundament“ setzt Kompetenz und Gewissenhaftigkeit voraus. Während Letzteres eine Grundvoraussetzung ärztlicher und pflegender Berufe darstellt, muss um Ersteres offensichtlich immer wieder gerungen werden, wie oben zitierte Studien nahe legen. Trotz eines gut formulierten und ethisch-wissenschaftlich tief basierten Transplantationsgesetzes lässt in Deutschland die konsequente Umsetzung der Konzeption „Hirntod und Organspende“ im Vergleich mit anderen europäischen Ländern zu wünschen übrig. Ein Ansatz zur Besserung liegt im Abbau von Informationsdefiziten durch Schaffung von Kompetenz. Kompetenz des (intensiv-)medizinischen Fachpersonals erzeugt Glaubwürdigkeit, die wiederum Vertrauen hervorbringt. Diese Eigenschaft ist wohl am besten geeignet, in der Situation einer Todesbotschaft zutiefst erschütterte Angehörige für die Organspende zu sensibilisieren.
Literatur
1. Dosemeci L, Cengiz M, Yilmaz M et al.: Frequency of spinal reflex movements in braindead patients. Transplant Proc 2004; 36:17–9.
2. Horton RL, Horton PJ: Knowledge regarding organ donation: Identifying and overcoming barriers to organ donation. Soc Sci Med 1990; 31: 791–800.
3. Laderach-Hofmann K, Isenschmid GB: Wissen, Einstellungen und Bedenken von Studierenden der Medizin gegenüber der Organtransplantation: Resultate einer Fragebogenerhebung im ersten Studienjahr: Schweiz Med Wochenschr 1998; 128: 1840–9.
4. Rachmani R: Physicians’ and nurses’ attitudes and knowledge toward brain death. Transplant Proc 1999; 31: 1912–3.
5. Saposnik G, Bueri JA, Maurino J et al.: Spontaneous and reflex movements in brain death. Neurology 2000; 54: 221–3.
6. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer: Kriterien des Hirntodes. Entscheidungshilfen zur Feststellung des Hirntodes. Dt Ärztebl 1997; 94: 1296–303 [Heft 19].
Prof. Dr. med. Thomas Bein
Klinik für Anästhesiologie
Universitätsklinikum
93042 Regensburg
Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Leserkommentare
Um Artikel, Nachrichten oder Blogs kommentieren zu können, müssen Sie registriert sein. Sind sie bereits für den Newsletter oder den Stellenmarkt registriert, können Sie sich hier direkt anmelden.