ArchivDeutsches Ärzteblatt46/2005Malaria tropica: Chininum dihydrochloricum: „Orphan drug“-Status gefordert

MEDIZINREPORT

Malaria tropica: Chininum dihydrochloricum: „Orphan drug“-Status gefordert

Richter, Joachim; Jelinek, Tomas; Burchard, Gerd D.

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LNSLNS Bei der Therapie der komplizierten Malaria tropica, die schnelles Handeln erfordert, stellt die intravenöse Gabe von Chinin die Therapie der Wahl dar – andere Medikamente sind hierzulande nicht zugelassen. Aus markttechnischen Gründen ist Chinin als Injektionsflüssigkeit (Chininum dihydrochloricum) allerdings seit 2003 nicht mehr im Handel. Tropenmedizinische Institutionen haben auf unterschiedliche Weise auf diese Situation reagiert, zum Beispiel Herstellung durch eigene Krankenhaus-Apotheken.
Es gibt jedoch rechtliche Schwierigkeiten bei der Abgabe patientenbezogen hergestellter Medikamente zum Beispiel an Dritte, sodass keine Vorhaltung im Krankenhaus möglich ist. Andererseits hat eine Gerichtsverhandlung gegen ärztliche Kollegen eines Krankenhauses stattgefunden, die der fahrlässigen Tötung beschuldigt wurden, weil ein Malariapatient unter Mefloquintherapie gestorben war und intravenöses Chinin nicht rechtzeitig zur Verfügung stand.
Nach einer Umfrage des europäischen Netzwerkes zur Surveillance importierter Infektionen – TropNetEurop (www. tropnet.net) – sind auch Finnland, die Niederlande, Polen, Portugal, die Schweiz, Spanien und Tschechien von derselben Entwicklung betroffen. In einigen Ländern sind jedoch allgemein zugängliche Depots durch Ministerien oder Zentralkrankenhäuser angelegt worden. In Deutschland sind entsprechende Bemühungen nicht zu erkennen. Paradox ist die Situation insofern, als es in Europa verschiedene Hersteller gibt, die Chinin-Dihydrochlorid in malaria-endemische Länder liefern. Da Chinin-Ampullen in Europa verhältnismäßig selten benötigt werden, lohnt es sich für diese Hersteller nicht, die erforderlichen aufwendigen Zulassungsverfahren einzugehen. Im Notfall können heute in Deutschland hergestellte Chininampullen über eine Internationale Apotheke, zum Beispiel aus Uganda, wieder eingeführt werden. Eine Vereinfachung dieses Zustandes bestünde darin, dem Medikament den Status einer „orphan drug“ zu verleihen und die Finanzierung der Wiederzulassung in Deutschland durch das Gesundheitsministerium zu unterstützen.
Patienten mit schwerer Malaria tropica sollten in tropenmedizinischen Institutionen behandelt werden (www.dtg.mwn. de/lnstitut.htm), da hier Chinin zur Verfügung steht. Die Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit sowie die Arbeitsgemeinschaft Malaria der Paul-Ehrlich Gesellschaft für Chemotherapie rufen aber erneut dazu auf, auch andernorts, zum Beispiel in Krankenhausapotheken von Universitätskliniken und Kliniken der Maximalversorgung, Chinin vorrätig zu halten, da ein Transport von schwer kranken Patienten nicht in jedem Fall möglich sein wird. Auch wenn es sich bei der komplizierten Malaria tropica um ein in Deutschland seltenes Krankheitsbild handelt, bleibt es unverständlich, warum auf die Versorgung mit einem effektiven Medikament verzichtet wird. Mit Chinin steht eine bewährte, kostengünstige und leicht zu lagernde Substanz zur Verfügung, die lebensrettend sein kann.

Priv.-Doz. Dott. Univ. Pisa Joachim Richter
Priv.-Doz. Dr. med. Tomas Jelinek
Prof. Dr. med. Gerd D. Burchard

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