

Dem abgetretenen Bundeskanzler ist zu bescheinigen, dass er schmerzhafte Reformen durchgesetzt hat, um das Land international nicht zurückfallen zu lassen. Die Maßnahmen hat er immer wieder als notwendige Einschnitte verteidigt, aber nicht von der Sache her begründen können – weil sie nicht in ein schlüssiges Konzept eingebettet waren. Vielen Sozialdemokraten erschienen sie als unvereinbar mit dem Wertesystem der Partei.
Von Union und SPD war selbst nach zwei Monate langen Verhandlungen kaum ein geschlossenes Konzept zu erwarten. Aber allein ein gutes Arbeitsklima zwischen Merkel und Müntefering, Stoiber und Platzeck reicht nicht. Ohne eine Verständigung über Grundsätze ist erfolgreiches Regieren über vier Jahre nicht denkbar. Aber sie fehlt bisher. Die Finanzreform in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) wurde vertagt. Stattdessen regiert der Rotstift. Sollen versicherungsfremde Leistungen der Sozialversicherung über Steuergelder bezahlt werden, oder soll – wie jetzt geplant – der relativ bescheidene Bundeszuschuss an die GKV abgebaut werden? Wie widersprüchlich die Vorstellungen sind, zeigt schlaglichtartig die Forderung nach mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen. Die alte und neue Gesundheitsministerin befürwortet Wettbewerb, wo sie sich Einsparungen verspricht. Dass aber Wettbewerb bedeutet, Unterschiede und Vielfalt zuzulassen, ist nicht in ihrem Blickfeld. Wettbewerb und Nivellierung (der Honorarsätze), Wettbewerb und Gleichmacherei, Wettbewerb und Einheitsversicherung passen nicht zusammen. Wettbewerb verlangt Eigenverantwortung, klare Regeln und eine Kontrolle der Marktmacht – zum Beispiel von fusionierten Großkrankenkassen. Ein klares Kanzlerinnenwort dazu wäre hilfreich. Heinz Stüwe
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