ArchivDeutsches Ärzteblatt49/2005Zertifizierte medizinische Fortbildung: Der Oberschenkelhalsbruch

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Zertifizierte medizinische Fortbildung: Der Oberschenkelhalsbruch

The femoral neck fracture

Stöckle, Ulrich; Lucke, Martin; Haas, Norbert P.

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LNSLNS Zusammenfassung
Der Oberschenkelhalsbruch ist eine der häufigsten osteoporotischen Frakturen. Die Inzidenz ist steigend. Bei derzeit etwa 100 000 Schenkelhalsfrakturen und Behandlungskosten von circa 2,5 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland bedeutet dies auch ein zunehmendes sozioökonomisches Problem. Selten sind junge Patienten im Rahmen eines Hochrasanztraumas betroffen. Bei den älteren Patienten besteht das Behandlungsziel in der möglichst raschen Mobilisierung mit stabilem proximalem Femur, bei jungen Verletzten steht der Erhalt des Hüftkopfes im Vordergrund. Nur wenige, nicht dislozierte und eingestauchte Frakturen können funktionell konservativ behandelt werden. Als Osteosyntheseverfahren kommen die kannülierte Schraubenosteosynthese oder die dynamische Hüftschraube (DHS) in Betracht. Beim älteren Patienten ist die zementierte Duokopfprothese das Verfahren der Wahl. Bei etablierten operativen Stabilisierungsverfahren und deutlich gesenkter perioperativer Letalität von 6 Prozent besteht das Hauptproblem in der sozialen Reintegration. Die Hälfte der Patienten mit Schenkelhalsfraktur ist längerfristig beeinträchtigt, ein Viertel dauerhaft auf Hilfe angewiesen. Für die Prognose entscheidend ist hier die fachübergreifende Organisation einer geriatrischen Nachbetreuung einschließlich Sekundärprophylaxe.

Schlüsselwörter: Schenkelhalsfraktur, Osteoporose, osteoporotische Fraktur, geriatrische Nachbetreuung

Summary
The femoral neck fracture
The femoral neck fracture is one of the most common osteoporotic fractures with increasing incidence. With about 100 000 femoral neck fractures and treatment costs of 2.5 Bill. Euros per year in Germany this means a major socioeconomic problem. Young patients only rarely suffer from femoral neck fractures within a high energy trauma.The treatment goal is early mobilization of the elderly patients with stable proximal femur. In young victims the preservation of the femoral head is the primary aim. Only a few, nondisplaced and impacted fractures can be treated conservatively. For osteosynthesis there a two options: cannulated screw fixation and the dynamic hip screw with antirotation screw. In the elderly patient the bipolar femoral neck prosthesis is the treatment of choice. With markedly decreased perioperative mortality of 6 per cent and reliable operative stabilization methods the actual problem is the social reintegration. Half of the patients with femoral neck fractures suffer from long time impairment, 25 per cent are permanently depending on external help. The interdisciplinary approach for a geriatric aftertreatment including secondary prophylaxis is of significant importance for the prognosis.

Keywords: femoral neck fracture, osteoporosis, osteoporotic fracture, geriatric aftertreatment


Der Oberschenkelhalsbruch ist eine typische Verletzung des alten Menschen. Aufgrund der durch die Osteoporose verminderten Knochendichte und der zunehmenden Varisierung des Schenkelhalses ist dies eine der Prädilektionsstellen für osteoporotische Frakturen. Derzeit beträgt die Inzidenz für Schenkelhalsfrakturen in Deutschland 90/100 000 Einwohner (1), bei den über 65-Jährigen 600 bis 900/100 000 Einwohner/Jahr (2). Das Lebenszeitrisiko, eine Fraktur des koxalen Femurs zu erleiden, beträgt etwa 11 bis 23 Prozent bei Frauen und 5 bis 11 Prozent bei Männern (3). Bei zunehmender Lebenserwartung und stetig wachsendem Anteil alter Menschen in der Bevölkerung bedeutet dies auch eine Zunahme an Schenkelhalsfrakturen. So wird in den nächsten 60 Jahren eine Vervierfachung der Inzidenz weltweit erwartet (3). Die Behandlungskosten betragen derzeit etwa 2,5 Milliarden Euro/Jahr in Deutschland und stellen damit auch ein zunehmendes sozioökonomisches Problem dar. Das Ziel der Behandlung der Schenkelhalsfraktur ist die Wiederherstellung der Belastungsfähigkeit mit möglichst geringem Risiko, um den alten Menschen früh mobilisieren zu können. Beim jungen Menschen steht der Erhalt des Hüftkopfes durch ein entsprechendes osteosynthetisches Verfahren im Vordergrund.
Anamnese/Unfallhergang
Bei älteren Menschen ist der häusliche Sturz auf die Hüfte als Bagatelltrauma die häufigste Ursache für einen Schenkelhalsbruch. Wichtig ist die Erhebung des funktionellen und sozialen Status vor dem Unfall. Insbesondere sind Vorerkrankungen aus dem kardiovaskulären und neurologischen Bereich sowie eventuelle Malignomerkrankungen zu erfassen. Die ungenügende Therapie der Begleiterkrankungen ist oft Ursache der Sturzanfälligkeit.
Der Unfallzeitpunkt und insbesondere das Zeitintervall zwischen Unfall und stationärer Aufnahme sind von Bedeutung für die weitere Therapieentscheidung, da eine hüftkopferhaltende Therapie in den ersten sechs Stunden nach dem Unfall die größten Erfolgsaussichten hat. Bei jüngeren Menschen liegt zumeist ein Rasanztrauma zugrunde wie ein Verkehrsunfall, Sturz beim Fahrrad- beziehungsweise Skifahren oder Sturz aus großer Höhe.
Klinik
Das Leitsymptom ist der Schmerz in der Hüfte oder Leiste mit der Unfähigkeit, das Bein zu belasten. Bei dislozierten Frakturen ist das betroffene Bein typischerweise verkürzt und außenrotiert.
Äußere Verletzungszeichen können in Prellmarken und Hämatomen bestehen; diese fehlen aber auch häufig. Bei eingestauchten, fest impaktierten Frakturen kann die klinische Symptomatik sehr milde ausfallen, sodass die Betroffenen auch noch mehrere Tage damit herumlaufen und sich nur wegen zunehmender Belastungsschmerzen vorstellen.
Diagnostik
Die radiologische Diagnostik mit einer tiefen Beckenübersicht sowie einer axialen Aufnahme ist meist zielführend. Mit diesen beiden Aufnahmen kann die Dislokation in der frontalen als auch in der sagittalen Ebene beurteilt werden. Nur bei Fällen mit starker klinischer Symptomatik aber ohne sicheren Frakturnachweis im konventionellen Röntgen sollte zur Diagnosesicherung eine Computertomographie durchgeführt werden.
Differenzialdiagnosen
Mit ähnlicher klinischer Symptomatik verbunden, sind von der medialen Schenkelhalsfraktur abzugrenzen:
Die pertrochantäre Femurfraktur
Auch hier ist das Bein typischerweise verkürzt und außenrotiert. Die Abgrenzung erfolgt anhand der Röntgendiagnostik. Während bei der Schenkelhalsfraktur der Trochanterbereich intakt ist, verläuft bei pertrochantären Frakturen die Frakturlinie im Bereich des großen und kleinen Trochanters.
Die Therapie besteht in der operativen Stabilisierung durch intramedulläre (zum Beispiel proximaler Femurnagel PFN, Gamma-Nagel) oder extramedulläre Kraftträger (DHS).
Die vordere Beckenringfraktur
Auch hier liegt zumeist ein Bagatelltrauma zugrunde und die Schmerzen werden in die Leiste projiziert. Die Diagnose erfolgt wiederum anhand des Röntgenbildes. Bei vorderer Beckenringfraktur ist klinisch und radiologisch eine Beteiligung des hinteren Beckenringes auszuschließen, da es sich sonst um eine instabile Verletzung handelt. Die alleinige vordere Beckenringfraktur kann in den allermeisten Fällen konservativ behandelt werden.
Die Hüftkopffraktur und die Hüftpfannenfraktur (Azetabulumfraktur)
Beide Verletzungen erfordern zur Darstellung der genauen Frakturmorphologie und Therapieplanung eine Computertomographie.
Klassifikation
Bei Schenkelhalsfrakturen handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl um mediale, intrakapsuläre Schenkelhalsfrakturen. Die laterale Schenkelhalsfraktur ist selten. Die Einteilung des Frakturtyps der medialen Schenkelhalsfraktur ist von Bedeutung für die weitere Therapieentscheidung. Die am häufigsten verwendeten Klassifikationen sind die Klassifikation nach Pauwels, nach Garden und die AO-Klassifikation. Die Klassifikation nach Pauwels (1935) (Grafik 1) ist vornehmlich biomechanisch orientiert mit Hinweis auf die zu erwartende Stabilität der Fraktur. Die Klassifikation nach Garden (1964) berücksichtigt den Grad der Dislokation des Femurkopfes und die dadurch bedingte Beeinträchtigung der Blutversorgung (Grafik 2). Die AO-Klassifikation (Müller et al., 1990) unterscheidet subkapitale von transzervikalen Frakturen sowie den Grad der Impaktion und Dislokation des Femurkopfes (Kasten). Im klinischen Alltag
haben sich vor allem die Klassifikationen nach Pauwels und Garden bewährt. Die Garden-Klassifikation wird auch bei der Dokumentation für die Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung gGmbH (BQS) erfasst.
Therapie
Im Rahmen der Primärversorgung sollte die schonende und schmerzarme Lagerung auf einer Vakuummatratze erfolgen. Repositionsversuche sind zu vermeiden.
Das oberste Ziel der definitiven Therapie ist die möglichst frühzeitige Mobilisierung der zumeist betagten Patienten mit stabilem proximalem Femur. Bei jungen Verletzten steht der Erhalt des Hüftkopfes im Vordergrund.
Die konservative Therapie ist nur indiziert bei:
– eingestauchten, stabilen Frakturen (Pauwels I, Garden I), die auch in der axialen Aufnahme nur eine geringe Abwinkelung des Hüftkopfes aufweisen. Auch bei konservativer Behandlung (etwa 6 bis 8 Prozent aller Fälle laut BQS) ist hier eine frühzeitige Mobilisierung möglich. Regelmäßige Röntgenkontrollen sind erforderlich, um die Gefahr eines sekundären Abrutschens des Hüftkopfes frühzeitig erkennen zu können.
– allgemeinen Kontraindikationen gegen eine Operation, wobei berücksichtigt werden muss, dass der Verletzte so zumeist nicht mobilisierbar ist und die Gefahr der Folgekomplikationen wie Thrombose, Pneumonie etc. erheblich ist.
– lokalen Kontraindikationen wie offenen Wunden, Infektionen etc., die zumindest eine Weichteilkonditionierung vor möglicher operativer Therapie erfordern.
Bei der operativen Therapie kann grundsätzlich unterschieden werden zwischen hüftkopferhaltender und hüftkopfersetzender Therapie. Die operative Versorgung mit Osteosynthese oder Endoprothese ist bei vergleichbaren Ergebnissen so weit entwickelt, dass die Patienten unmittelbar mobilisiert werden können.
Die hüftkopferhaltende Therapie mithilfe der Osteosynthese ist indiziert
bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im aktiven Lebensalter. Hier gibt es keine absolute Altersgrenze. Entscheidend sind biologisches Alter, Aktivitätsniveau und die zu erwartende Compliance, weil im Rahmen der postoperativen Mobilisierung eine Teilbelastung möglich sein sollte. Auch im höheren Lebensalter kann die Indikation zur Osteosynthese in Abhängigkeit von Frakturtyp, Dislokation sowie funktioneller und sozialer Situation gegeben sein.
Bei geplanter Osteosynthese besteht eine dringliche OP-Indikation, da die Ergebnisse der hüftkopferhaltenden Therapie am besten sind, wenn möglichst früh nach dem Trauma operiert wird. Ungünstige Prognosefaktoren sind: starke Dislokation, verzögerte operative Versorgung, kleines Kopffragment, dorsale Trümmerzone.
Operationstechnik: Im Rahmen der operativen Versorgung ist meist eine geschlossene Reposition der Fraktur möglich. Hierfür wird der Verletzte auf dem Extensionstisch gelagert und die Fraktur unter Längszug, Innenrotation und Adduktion des Beines reponiert. Dies geschieht unter Bildwandlerkontrolle. Die Reposition ist ein entscheidender Teil der Operation und die Qualität der Reposition von wegweisender Bedeutung für das Behandlungsresultat.
Bei jungen Patienten, die sich die Schenkelhalsfraktur im Rahmen eines
Rasanztraumas zuziehen, kann manchmal die offene Reposition erforderlich sein.
Verwendete Osteosyntheseverfahren
Dynamische Hüftschraube (DHS) mit Antirotationsschraube
Die DHS besteht aus einer Schenkelhalsschraube und einem extramedullären Kraftträger, der wie eine Platte mit Schrauben am proximalen Femurschaft
fixiert wird. Am proximalen Ende der Platte ist eine Hülse, die in unterschiedlichen Winkeln, zumeist 135°, angebracht ist (Abbildung 1).
Zur idealen Positionierung der Schenkelhalsschraube wird ein Führungsdraht mit einem speziellen Zielinstrumentarium unter Bildwandlerkontrolle so eingebracht, dass er in der ap-Projektion im unteren Drittel des Schenkelhalses und in der axialen Projektion eher dorsal zu liegen kommt, weil dort die stabilste knöcherne Abstützung zu erwarten ist.
Nach Überbohren mit dem Dreistufenbohrer erfolgt das Einbringen der Schenkelhalsschraube in geeigneter Länge, sodass das Gewinde deutlich jenseits der Frakturlinie zu liegen kommt. Der Plattenanteil wird dann mit der Hülse über die Schenkelhalsschraube geführt und mit Schrauben gegen den Schaft fixiert.
Die Führung der Schenkelhalsschraube in der Hülse ermöglicht ein Impaktieren und relatives Nachsintern der Fraktur. Die Antirotationsschraube wird oberhalb der Schenkelhalsschraube parallel eingebracht, um eine Rotation des Hüftkopfes um die Schenkelhalsschraube zu verhindern. Je kleiner das Kopffragment ist, umso wichtiger ist die Antirotationsschraube.
Kannülierte Schraubenosteosynthese
Bei möglichst anatomischer Reposition werden unter Bildwandlerkontrolle drei kannülierte Schrauben mit kurzem Gewinde in den Hüftkopf eingebracht. Die unterste und wichtigste Schraube beginnt lateral an der Trochanterbasis, liegt im weiteren Verlauf dem Calcar knapp auf und endet mit der Spitze subchondral im unteren Drittel des Hüftkopfes (Grafik 3). Im axialen Strahlengang liegt sie zentral im Hüftkopf und in paralleler Ausrichtung zum Schenkelhals.
Die zweite Schraube verläuft parallel und proximal zur ersten und wird axial dicht an der dorsalen Kortikalis des Schenkelhalses eingebracht, um ein Abkippen des Hüftkopfes nach dorsal zu verhindern.
Die dritte Schraube liegt ebenfalls proximal der ersten, jedoch in Nähe der ventralen Schenkelhalsbegrenzung. Das Gewinde der Schrauben liegt jeweils sicher jenseits der Fraktur, um Kompression auf die Fraktur ausüben zu können. Für das Ergebnis entscheidend ist weniger die korrekte Positionierung in der ap-Ebene als vielmehr die exakte Ausrichtung in der axialen Projektion (4).
Hüftkopfersetzende Therapie
Die Versorgung der Schenkelhalsfraktur mit einer Femurkopfprothese ist das Verfahren der Wahl bei älteren Patienten (Abbildung 2) sowie Patienten mit fortgeschrittener Osteoporose, rheumatischen Erkrankungen, Arthrose, Malignomerkrankungen oder anderen erheblichen Nebenerkrankungen, eingeschränkter Compliance sowie Behinderung des unverletzten Beines.
Auch bei Versorgung mit einer Prothese sollte die Operation innerhalb von 24 Stunden erfolgen, um eine längere Phase der Immobilisierung zu vermeiden.
Operationstechnik: Über einen lateralen Zugang zum Hüftgelenk wird der Hüftkopf reseziert und mit einer zumeist in den Femurschaft zementierten Duokopfprothese ersetzt. Hierbei erfolgt die Rotation zwischen dem Prothesenkopf und einer aufgesetzten Kopfschale, die in das belassene Azetabulum reponiert wird.
Zur Luxationsprophylaxe sollte die Hüftgelenkskapsel erhalten werden und zum Ende der Operation wieder refixiert werden. Bei vorbestehender Arthrose ist die Implantation einer Totalendoprothese angebracht, bei der auch die Pfanne ersetzt wird.
Nachbehandlung: Sowohl bei der Osteosynthese als auch bei der Endoprothese beginnt die Mobilisierung spätestens am zweiten postoperativen Tag. Im Falle der Osteosynthese sollte für sechs Wochen eine Teilbelastung beibehalten werden. Die Endoprothese ist belastungsstabil. Die Mobilisierung erfolgt unter symptomadaptierter Vollbelastung.
Risiken/Komplikationen: Bei konservativer Behandlung muss in 20 Prozent der Fälle mit einer sekundären Dislokation gerechnet werden (4). Bei bis zu 30 Prozent der konservativ behandelten Fälle kommt es zur Entwicklung einer Hüftkopfnekrose (5). Die valgisch eingestauchte Schenkelhalsfraktur ist bekannt als Ursache für die Ausbildung eines cervico-acetabulären Impingements. Bei Beugung und Innenrotation im Hüftgelenk führt hierbei die verbleibende Deformität zu einem Anschlagen des proximalen Schenkelhalses gegen den Pfannenrand, wodurch später eine relevante Arthose resultieren kann (6).
Bei Versorgung mit Osteosynthese bestehen das Risiko der sekundären Dislokation aufgrund des Versagens der Osteosynthese sowie das Risiko der Pseudarthrose und der Hüftkopfnekrose. Die Rate an Sekundärdislokationen ist abhängig von Frakturtyp, Knochenqualität, Repositionsqualität und Implantat. Im Durchschnitt liegt die Rate an Sekundärdislokationen zwischen 2 und 5 Prozent. Pseudarthrosen werden in bis zu 15 Prozent der Fälle beschrieben, Hüftkopfnekrosen in bis zu 30 Prozent der Fälle. Die Rate an Revisionen wird zwischen 10 und 48 Prozent angegeben. Etwa 20 Prozent der Patienten mit Osteosynthese der Schenkelhalsfraktur erhalten im weiteren Verlauf der Behandlung eine Endoprothese (5, 7).
Bei Endoprothesen kann es neben den allgemeinen perioperativen Risiken intraoperativ zur Schaftfissur oder -fraktur kommen. Weitere Komplikationen sind Hämatome, Infektionen, Prothesenluxationen und Frühlockerungen. Die Luxationsrate ist bei der Totalendoprothese mit 6 Prozent deutlich höher als bei der Duokopfprothese (1 Prozent). Die Gesamtrevisionsrate der Operationen liegt zwischen 0 und 24 Prozent (2).
Allgemein liegt die perioperative Kliniksterblichkeit der Patienten mit Schenkelhalsfraktur bei 6 Prozent. Etwa 10 bis 24 Prozent der Patienten mit Schenkelhalsfraktur sterben im ersten Jahr nach der Fraktur (1).
Therapiewahl/Ergebnisse
Bei Patienten unter 65 Jahre besteht prinzipiell die Indikation zur hüftkopferhaltenden Therapie durch Osteosynthese. Ausnahmen bilden die genannten Kontraindikationen.
Beide Osteosyntheseverfahren, die kannülierte Schraubenosteosynthese und die DHS mit Antirotationsschraube, sind von den Ergebnissen nahezu gleichwertig, wobei das Revisionsrisiko bei der reinen Schraubenosteosynthese offensichtlich höher ist (7). Deshalb, und aufgrund der höheren biomechanischen Stabilität, wird im eigenen Vorgehen die DHS bevorzugt.
Bei adäquater Technik kann bei Patienten unter 65 Jahren in bis zu 90 Prozent die knöcherne Heilung erreicht werden. Allerdings kommt es im Langzeitverlauf bei knapp 20 Prozent zur Ausbildung einer Hüftkopfnekrose, die dann eine Endoprothese erforderlich werden lässt (8).
Bei Patienten über 65 Jahren wird die Indikation zur Endoprothese in den letzten Jahren kontrovers diskutiert. Während einige Studien die Duokopfprothese wegen der geringeren Revisionsrate und den besseren funktionelle Ergebnissen favorisieren (9,10), werden, auch aus Kostengründen, zunehmend in großen Serien Osteosynthesen mit kannülierten Schrauben oder DHS durchgeführt. So konnten in mehreren prospektiv randomisierten Studien und auch großen Matched-pair-Analysen bei über 70-jährigen Patienten mit Schenkelhalsfraktur gleichwertige Ergebnisse mit der Endoprothese und der Osteosynthese erreicht werden (1116). Trotz der mit etwa 20 Prozent erhöhten Rate an Revisionsoperationen erweisen sich die Osteosynthesen gegenüber der endoprothetischen Versorgung aufgrund des geringeren Operationstraumas und der niedrigeren Mortalität auch beim alten Menschen zunehmend als gleichwertig.
Bei den Ergebnissen nach Versorgung mit einer Endoprothese bestehen zwischen der Totalendoprothese und der Duokopfprothese keine funktionellen Unterschiede. Aufgrund des geringeren Operationstraumas, der geringeren Morbidität und der niedrigeren Kosten ist deshalb bei Patienten ohne relevante Arthrose die Duokopfprothese vorzuziehen. Hierbei zeichnen sich die zementierten Endoprothesen durch eine bessere Langzeitfunktion und geringere Schmerzhaftigkeit gegenüber den unzementierten Prothesen aus (17) (Tabelle).
(Sekundär-)Prophylaxe
Bei den Patienten mit Schenkelhalsfraktur über 65 Jahre erleiden etwa 30 Prozent eine weitere osteoporotische Fraktur innerhalb des ersten postoperativen Jahres (18). Deshalb kommt der Sekundärprophylaxe eine erhebliche Bedeutung zu. Wichtig ist die gute Kooperation zwischen primär versorgender Akutklinik und geriatrischer Anschlussbehandlung. Ansätze zur Prophylaxe umfassen folgende Komponenten (3):

– Behandlung der zugrunde liegenden Krankheiten
Oft ist die ungenügende Einstellung von Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder von Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Ursache für die Sturzanfälligkeit. Deshalb kommt der adäquaten Behandlung der Grunderkrankung entscheidende Bedeutung zu. Wichtig ist die gute Kooperation zwischen primär versorgender Akutklinik und geriatrischer Anschlussbehandlung.

– Medikamentöse Therapie der Osteoporose
Bei gesicherter osteoporotischer Fraktur ist eine leitliniengerechte, medikamentöse Therapie sicherzustellen, um das Risiko weiterer Frakturereignisse zu senken. Diese umfasst die tägliche Substitutionstherapie mit Vitamin D und Calcium als Basistherapie sowie die Behandlung mit einem der hierfür zugelassenen Bisphosphonate (19).
Anhand von prospektiv randomisierten Studien konnte gezeigt werden, dass bereits die alleinige Substitution von Vitamin D und Calcium eine Senkung der Inzidenz von Oberschenkelhalsfrakturen bei Altenheimbewohnern um 43 Prozent erreichen konnte. Durch die Behandlung mit Bisphosphonaten konnte in mehreren Studien das Risiko für einen Oberschenkelhalsbruch ebenfalls um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden.
– Adjuvante Maßnahmen wie Sturzprävention und Verwendung von Hüftprotektoren
Neben einer Alltagsschulung und dem Beseitigen von „Stolperfallen“ im häuslichen Umfeld sollte auch der präventive Stellenwert einer gezielten körperlichen Bewegung durch entsprechende physiotherapeutische Maßnahmen vermittelt werden. Solch ein multifaktorieller Ansatz mit körperlicher Betätigung, Verringerung der Medikamente, Visuskontrolle und Veränderungen im häuslichen Umfeld ist zwar aufwendig, kann aber eine bis zu 30-prozentige Reduzierung der Stürze bewirken (2, 3, 19). Da bei der Mehrzahl der Schenkelhalsfrakturen der direkte Sturz auf die Hüfte beziehungsweise den Trochanter major ursächlich ist, besteht der Bedarf einer äußeren Protektion. Die Ergebnisse klinischer Studien legen nahe, dass Hüftprotektoren insbesondere bei institutionalisierten Patienten wirkungsvoll sind und das Frakturrisiko um bis zu 50 Prozent senken können (3, 20).
Fazit
Die Problematik bei der Behandlung der Schenkelhalsfraktur des alten Menschen besteht nicht in der Art der operativen Versorgung, sondern vielmehr in der darauf folgenden Anschlussbehandlung und sozialen Reintegration. Die aktuelle Aufgabe in der Versorgung besteht in der interdisziplinären Organisation einer übergangslosen, geriatrisch orientierten Nachbehandlung (20). Eine gute Kooperation zwischen akut versorgender und geriatrischer Klinik ist hierbei von entscheidener Bedeutung. Unabhängig von der Art der operativen Versorgung bleibt mehr als die Hälfte der Patienten mit Schenkelhalsfraktur längerfristig beeinträchtigt, ein Viertel dauerhaft auf pflegerische Unterstützung angewiesen (2123).


Die Autoren versichern, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskript eingereicht: 8. 7. 2005, revidierte Fassung angenommen: 4. 11. 2005

zZitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3426–3434 [Heft 49]
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Der klinische Schnappschuss

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