VARIA: Feuilleton
Dresdner Frauenkirche: Versöhnung der Völker und Religionen


Dresden hat sein Wahrzeichen wieder – die Frauenkirche. Georg Bährs Meisterwerk von 1743 ist wahrhaft auferstanden aus Ruinen. „Anfangs waren 90 Prozent gegen den Wiederaufbau“, erinnert sich Startrompeter Ludwig Güttler, der 1990 mit wenigen Wagemutigen die Initiative ergriff. In 1 500 Benefizkonzerten hat er Geld gesammelt. Menschen aus aller Welt haben gut hundert Millionen Euro gespendet und so mehr als zwei Drittel der Baukosten (131 Millionen Euro) getragen. 60 Jahre nach dem Inferno vom 13. Februar 1945 und pünktlich zu Dresdens 800-Jahr-Feier im Jahr 2006 blickt ihre Kuppel, die „Steinerne Glocke“, wieder über die Elbe. Die aus den Trümmern geborgenen Steine konnten zu 44 Prozent wieder verwendet werden und warnen nun als dunkle Einsprengsel im hellen Sandstein vor Krieg und Zerstörung. Der Schönheit tun sie keinen Abbruch. Das können die 250 000 Besucher bestätigen, die vom 30. Oktober bis zum 1. November Tag und Nacht in die Frauenkirche strömten. Zur Weihe und zum ökumenischen Gottesdienst kamen unter anderem Bundespräsident Horst Köhler, der päpstliche Nuntius Dr. Erwin Josef Ender und Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Die Predigt nach dem Coventry-Wahlspruch „Vater vergib“ hielt auf Deutsch Collin Bennetts, Bischof dieser von Bomben zerstörten Kathedrale.
Denn die Frauenkirche steht für die Versöhnung der Völker und Religionen. Das goldene Kreuz auf der Kuppel ist eine Spende des englischen Volkes und seiner Königin. Geschmiedet hat es Alan Smith, der Sohn eines am Angriff auf Dresden beteiligten Bomberpiloten. Angehörige von Hingerichteten in der polnischen Stadt Gostyn spendeten eine Flammenvase aus Sandstein.
Drinnen bestaunen nun alle Besucher die barocke Pracht. Balustraden schwingen sich empor wie eh und je, zarte Fresken schmücken die Wände. Viele hatten für den Nachbau der Silbermann-Orgel plädiert, doch wenn Organist Samuel Kummer in die Tasten greift, schwinden alle Bedenken. Der Straßburger Orgelbauer Daniel Kern hat ein meisterliches Instrument geschaffen, das Klangfülle mit französischem Esprit verbindet. Nach dem Läuten der Friedensglocke um 12 Uhr können Besucher nun täglich bei einer Andacht diesen Klang genießen. Die Frauenkirchenchöre tun ebenfalls ihr Bestes.
Dass Dresden ohnehin mit Kultur prunken kann, zeigt sich allen Besuchern, die die 263 Stufen zur „Laterne“ hinaufsteigen. Fasziniert schauen sie über die liebliche Elblandschaft, die die UNESCO zusammen mit der Stadt kürzlich zum Weltkulturerbe erklärt hat. Die Semperoper rückt ins Blickfeld. Dort hatte am 3. Oktober Giuseppe Verdis „Macbeth“ Premiere. Am 22. Januar 2006 folgt – passend zu Mozarts 250. Geburtstag am 27. Januar – „Le Nozze di Figaro“ (Figaros Hochzeit). Mit der Premiere von Carl Maria von Webers „Euryante“ am 25. Februar wird wiederum eine Rarität geboten.
Gegenüber der Semperoper erhebt sich der katholische Dom (die Hofkirche von 1750), der eine inzwischen perfekt restaurierte Silbermannorgel besitzt. In der Gruft ruht das Herz August des Starken, dem die Stadt unendlich viel an Kunstschätzen verdankt. Davon kann man sich im weitgehend instand gesetzten Residenzschloss überzeugen. Das beherbergt jetzt das „Neue Grüne Gewölbe“ mit 1 020 Meisterwerken der Renaissance und des Barock. Täglich bewundern mehr als 3 000 Menschen diese Kostbarkeiten. Kinder steigen dort auf Tritte und haben nun den Kirschkern von 1589 mit den „185 Angesichten“ in Augenhöhe. Frauen bewundern die Diamantringe August des Starken.
Durch den Auszug des Grünen Gewölbes hat das ehrwürdige Albertinum deutlich an Ausstellungsfläche gewonnen. In der Galerie Neuer Meister wurden die Bilder der Romantiker, Impressionisten und Brücke-Maler neu gehängt und erzielen nun weit mehr Wirkung. Einen modernen Höhepunkt bilden die Werke von Gerhard Richter. Ein Muss ist der Zwinger, die Heimstatt der Sixtinischen Madonna, der Star der Galerie Alter Meister. Begeistert bewundern die Besucher auch die Porzellansammlung August des Starken. Doch Dresden besitzt 37 Museen, und von diesen stellt sicherlich das völlig sanierte Deutsche Hygiene-Museum (von 1930) mit der Dauerausstellung Mensch, Körper und Gesundheit eine Besonderheit dar.
Informationen: www.dresden.de. Ursula Wiegand
Foto: ddp
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