

Die Diagnostik der Hormone war unauffällig. Ich veranlasse anschließend die Prüfung der Eileiterdurchgängigkeit in einer Kinderwunsch-Praxis. Von dort kommt Frau A. schwanger zurück. Der bei dieser Gelegenheit durchgeführte Schwangerschaftstest war positiv. Bei der Anlage des Mutterpasses sind die HIV-Antikörper positiv. Dieses teile ich dem Ehepaar in einem gemeinsamen Gespräch mit. Der Ehemann ist wütend, seine Frau schweigt und beginnt schließlich, leise zu weinen.
„Tais-toi“, zischt er nur. Sei still. „Vas-y.“ Geh jetzt. Schnell erkläre ich noch, dass bei antiviraler Therapie, guter Begleitung der Schwangerschaft, und so weiter und so fort, das Risiko gering ist, dass . . . Meine Vision ist inzwischen schrecklich klar: Kraft seiner besseren Lage in jeder Hinsicht wird er sie zum Abbruch nötigen und sie dann verstoßen, weil sie ja das Virus mitgebracht und ihn gegebenenfalls angesteckt hat. Sie müsste erst einmal das Gegenteil beweisen können.
Eine Woche später sitzt mir das Paar wieder gegenüber. Ich habe alle meine Argumente für die Schwangerschaft bereitliegen. „Comment allez-vous?“ frage ich. „Bien“, lächelt sie. „Wir werden das Baby bekommen“, sagt er, und bedeutungsschwer fügt er hinzu: „Docteur, j’aime ma femme.“ Im relativen Dunkel meines Ultraschallraums sehe ich fast nur das Weiße seiner Augen, und ich glaube, wir alle drei hatten Tränen der Rührung in den Augen.
Frau A. hat die Schwangerschaft gut getragen und einen gesunden Sohn per Kaiserschnitt geboren. Sie hat berichtet, dass ihr Mann freundlich zu ihr sei; gesehen habe ich ihn seitdem nicht mehr. Dr. med. Annette
Klöpper-Auffermann
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