ArchivDeutsches Ärzteblatt4/2006Die Geschichte des Herrn Han
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Nordkorea: Dr. Han gerät zwischen alle Fronten
Hwang Sok-yong: Die Geschichte des Herrn Han. Roman. dtv, München, 2005, 140 Seiten, broschiert, 12 €
Der Arzt Dr. Han, Professor für Gynäkologie in Pjöngjang, ist während des Koreakrieges für die Notfallversorgung in der bombardierten Stadt abkommandiert. Als er einer jungen Frau einen Granatsplitter aus dem Unterleib entfernt, wird von ihm verlangt, die Frau liegen zu lassen und einen Funktionär zu behandeln. Er weigert sich. Für Han, der ohnehin schon als politisch unzuverlässig gilt, beginnt eine Odyssee.
Han schlägt sich in den Süden durch und wird dort der Spionage für den Norden verdächtigt. Niemand in Seoul will ihn anstellen, bis auf zwei halbkriminelle Mediziner. Als er denen nicht zu Gefallen ist, denn er ist stur, wie es in dem Roman immer wieder heißt, denunzieren sie ihn als Spion. Er wird gefoltert, schließlich auf Betreiben seiner mutigen Schwester freigelassen, ein gebrochener Mann. Er endet als Leichenwäscher.
Der Autor, Hwang Sok-yong, erzählt eine wahre Geschichte, die seines Onkels. Vorgestellt wird ein unpolitischer Mensch, der zwischen die Fronten gerät, ein Arzt, der stolz auf seinen Beruf war und in Zweifeln an der Medizin, die mit seinen einstigen Träumen nichts mehr zu tun hatte, endet.
Hwang erzählt nüchtern, kein überflüssiger Satz, ein Bericht ohne Schnörkel, und doch bewegt sein Roman stark. Er enthält Szenen, die haften bleiben, etwa ein Verhör durch die Geheimpolizei in Seoul, bei dem wie selbstverständlich gefoltert wird, während ein besuchender Kollege des Dr. Han zusehen muss. Oder die Flucht über den gefrorenen Daedong-Fluss, bei der Han Frau und Kinder zurücklassen muss – auf Nimmerwiedersehen.
Hwang Sok-yong ist ein in Korea bekannter Schriftsteller. Er hat selbst unter der Teilung des Landes gelitten; wegen einer Reise in den Norden, bei der er einen Künstleraustausch auf den Weg bringen wollte, wurde er in Südkorea zu sieben Jahren Haft verurteilt. 1998 ist er vorzeitig entlassen worden, nachdem Kim Dae-jung in Südkorea die Schreckensherrschaft der starken Männer beendet hatte. Der Roman ist schon 1972 in Südkorea erschienen, auf Deutsch kam er erst jetzt heraus, wohl wegen des gewachsenen Interesses an Korea, das im letzten Jahr Partner der Frankfurter Buchmesse war, leider ohne Beteiligung des Nordens. Norbert Jachertz

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