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Todesstrafe in den USA: Ärzte stoppen Exekution


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Die Anwälte hatten ein bekanntes Argument von Gegnern der Todesstrafe angeführt. Bei der Verabreichung der tödlichen Giftinjektion sei nicht auszuschließen, dass der Verurteilte schmerzvoll stirbt. Bei der Methode, die in 36 der 38 US-Bundesstaaten zur Anwendung kommt, in denen die Todesstrafe praktiziert wird, werden drei Injektionen verabreicht. Nach einer ersten Dosis des Barbiturats Natriumthiopental wird ein Muskelrelaxantium injiziert. Der Tod wird schließlich durch eine dritte Injektion Kaliumchlorid herbeigeführt. Weil aber umstritten ist, ob die verurteilte Person durch das Barbiturat bis zum Herztod ohne Bewusstsein bleibt, stellte Richter Fogel eine Bedingung: Während der gesamten Prozedur müssten zwei Anästhesisten in der Todeskammer anwesend sein. Sie könnten eingreifen, wenn Morales wider Erwarten erwache. Doch die beiden Ärzte lehnten ab. In einer schriftlichen Erklärung gaben sie an, eine Assistenz bei der Hinrichtung nicht mit ihrem ärztlichen Auftrag in Einklang bringen zu können. Auch weigerten sich die Mediziner, Morales eine tödliche Dosis Natriumthiopental zu verabreichen. Diese zweite Option hatte der Richter zugestanden. Inzwischen ist nicht nur die Hinrichtung von Morales auf unbestimmte Zeit verschoben.
Verstoß gegen ärztliche Ethik
Die Ethikrichtlinien des US-amerikanischen Ärztebundes (American Medical Association) lassen keinen Raum für Interpretationen: Ärzte dürfen nicht an Hinrichtungen teilnehmen, heißt es dort. Der kalifornische Ärztebund CMA hat sogar eine Initiative gestartet, um dort die bislang unverbindlichen Richtlinien gesetzlich zu verankern. Der Medizinethiker David Magnus von der Universität Stanford beschreibt das Paradoxon: „Der Staat ist verpflichtet, Exekutionen schmerzlos und human zu gestalten“, erklärt er die jüngste Entscheidung des Richters. „Auf der anderen Seite verletzt es grundlegende ethische Prinzipien, wenn Ärzte gegen den Willen der Patienten Euthanasie praktizieren.“
Auf den Widerspruch weisen auch Vertreter der US-Bürgerrechtsbewegung hin. „Wir Amerikaner wollen Menschen hinrichten“, sagt Bryan Stevenson von der Initiative „Gleiches Recht für alle“ in Alabama, „aber wir wollen diese Praxis nicht als ,böse‘ oder ,unerfreulich‘ erscheinen lassen.“ Dabei gebe es keinen bequemen Weg, Menschen zu töten, „die weder sterben wollen, noch sterben müssen, weil sie schließlich für niemanden mehr eine Gefahr darstellen“.
Eine ähnliche Haltung nehmen Vertreter von Ärzteorganisationen ein. „Das Gericht hat im Fall Morales medizinethische Standards außer Acht gelassen“, sagt Corey Weinstein, der im Auftrag der American Public Health Association die Richtlinien für den Strafvollzug mitentwickelt hat. Dem Staat sei an der bisherigen 3-Injektionen-Praxis gelegen, weil sie ein sauberes Bild von der Todesstrafe vermittele und schnell gehe. Während Weinstein davon ausgeht, „dass sich ohnehin kein Mediziner findet, der eine Hinrichtung vollzieht“, ist Stevenson weniger zuversichtlich. Gerade in den Südstaaten Texas, Alabama und Virginia sei eine solche Mithilfe auch von Ärzten denkbar, warnt der Bürgerrechtler.
Tatsächlich haben US-Medien in der aktuellen Debatte auf die bestehende Mitwirkung von Ärzten bei der Vollstreckung der Todesstrafe hingewiesen. Im November 2001 hatte ein solcher Fall im US-Bundesstaat Georgia Aufsehen erregt. Damals konnten die Henker bei der Vorbereitung einer Hinrichtung die Vene des Todeskandidaten nicht finden. Ein herbeigerufener Arzt setzte den Katheter unter dem Schlüsselbein und ermöglichte die Exekution. In Connecticut beglaubigen Ärzte die Qualifikation der Henker. In Missouri legen Ärzte die Zugänge in einer Beinarterie. In Kalifornien stellen unmittelbar nach dem Ableben der Verurteilten Ärzte den Tod fest. Alle diese schleichend eingeführten Hilfestellungen von Medizinern werden voraussichtlich im Mai vor Gericht thematisiert. Dann soll eine Anhörung zum Fall Morales stattfinden. Harald Neuber
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