MEDIZINREPORT
Berufsdermatosen: Konsequent intervenieren


Schweres sekundär
allergisches Kontaktekzem
bei einem
34-jährigen Metallarbeiter,
der 17 Jahre
Kühlschmierstoffexponiert
war.
Foto: Prof. John, Osnabrück
Als positive Entwicklung im Gesundheitswesen wertet Prof. Dr. med. Peter Elsner (Jena) die Stärkung der Prävention von berufsbedingten Dermatosen durch die am 1. Januar in Kraft getretene Optimierung des Hautarztverfahrens. Die Meldung an die gesetzlichen Unfallversicherungsträger kann bereits im Frühstadium der Hautschädigung erfolgen, wobei die Möglichkeit einer beruflichen Genese für die Initiierung gezielter präventiver und therapeutischer Maßnahmen ausreicht. Damit wollen die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) – federführend die Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD) – und der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) verhindern, dass die Betroffenen ihren Arbeitsplatz verlieren.
Spitzenplatz bei den Berufskrankheiten
Dermatosen sind die häufigsten berufsbedingten Erkrankungen. Mit 14 723 bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften 2004 gemeldeten neuen Verdachtsfällen liegen sie mit weitem Abstand vor Lärmschäden (n = 9 593) und Rückenproblemen durch Tragen/Heben (n = 5 643). „Hautleiden sind nicht nur bei den Fallzahlen negativer Spitzenreiter, sondern verursachen unter allen berufsbedingten Erkrankungen die höchsten Kosten“, erklärte Prof. Dr. med. Swen Malte John (Osnabrück): Der volkswirtschaftliche Aufwand durch direkte (Therapie/Berufshilfe) und indirekte Kosten (Arbeitsunfähigkeit/ Produktivitätsausfall) beläuft sich auf 1,5 bis 1,8 Milliarden Euro pro Jahr.
Im schlimmsten Fall muss der Arbeitsplatz aufgegeben werden, oder es kommt zur Kündigung durch den Arbeitgeber. Umschulungen sind mit etwa 100 000 Euro Personal- und Sachkosten pro Maßnahme nicht nur teuer, sondern mit Blick auf die aktuelle Arbeitsmarktlage keine Garantie vor Arbeitslosigkeit. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die Lebensqualität durch berufsbedingte Hauterkrankungen vergleichbar eingeschränkt wird wie durch einen Myokardinfarkt oder Schlaganfall. „Gemessen daran, wie dünn sie ist, leistet die Haut viel. Aber eines ist sie auf jeden Fall nicht – dicht!“, erläuterte John.
Erste Hinweise auf eine Überbeanspruchung der Haut sind Rötung, Trockenheit und Rauheit. Dann bilden sich Risse und Schuppen, zum Beispiel in den Fingerzwischenräumen oder an den Fingerspitzen, die sich von dort weiter ausbreiten. Dieses so genannte Abnutzungsekzem oder irritative Ekzem ist nahezu immer reversibel. Häufig werden diese Zeichen an der Haut ignoriert. Wird jedoch nicht bereits im Frühstadium mit geeigneten Schutz- und Therapiemaßnahmen der Progredienz gegengesteuert, erleichtert die gestörte Barrierefunktion das Eindringen von Schadstoffen, die dann zur Sensibilisierung und Entwicklung eines – irreversiblen – allergischen Kontaktekzems führen können.
Besonders stark betroffene Berufsgruppen sind Friseure, Reinigungspersonal, Metall- und Bauarbeiter sowie
Beschäftigte im Gesundheitswesen oder Nahrungsmittel- und Gaststättenbereich. Es ist sinnvoll, den Patienten auch nach dem Beruf zu fragen, um ihn dann über die Risiken, die sein Arbeitsplatz für die Haut mit sich bringt, aufzuklären und einen Blick auf seine Hände beziehungsweise andere potenzielle Expositionsstellen zu werfen. Der Hausarzt – aber auch jeder andere Arzt – ist verpflichtet, bei Verdacht auf eine beruflich bedingte Hauterkrankung den Patienten zum Dermatologen zu schicken. Diese Überweisung wird vom Unfallsversicherungsträger mit fast fünf Euro vergütet.
Hautbelastungen in der Metallindustrie:
ständiger direkter Hautkontakt mit wassergemischtem
Kühlschmierstoff bei einem Metallschleifer
Foto: Dr. Englitz, Norddeutsche Metall-BG
Die parallel dazu vorgenommene Straffung der Verwaltungsabläufe bei den Unfallversicherungsträgern soll gewährleisten, dass der Dermatologe innerhalb von drei bis vier Wochen eine Nachricht erhält, ob die Therapie zulasten des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden kann. „Damit wird der Patient fast zum Privatpatienten. Denn anders als bei Abrechnung mit der Gesetzlichen Krankenversicherung darf der Hautarzt alle geeigneten Mittel einsetzen, um eine Berufskrankheit schon im Ansatz zu vermeiden“, wies Elsner auf einen in Zeiten enger Budgets erheblichen Vorteil für die optimale Versorgung des Patienten hin. Der Unfallversicherungsträger zahlt bereits die für den Hautarztbericht erforderliche Diagnostik, unabhängig davon, ob sich nachträglich herausstellt, dass er zuständig war.
In einer Pilotstudie wurde in Norddeutschland die Praxistauglichkeit der optimierten Vorgehensweise bei 225 Patienten überprüft. In 168 Fällen kam das bisherige Verfahren und in 57 der neue Hautarztbericht zum Einsatz. Die neuen Formulare haben sich bewährt, so die Aussage vom Untersuchungsleiter John. Ihre Informationsqualität sei statistisch signifikant besser (p = 0,0001) gewesen als die der bisherigen Fragebögen. Gabriele Blaeser-Kiel
Pressekonferenz „Berufsbedingte Hauterkrankungen: Rasches Eingreifen verhindert Arbeitsplatzverlust“ in Hamburg, Veranstalter: Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie e.V.
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