ArchivDeutsches Ärzteblatt19/2006Nationale Versorgungs-Leitlinie* COPD: (Klinisch relevante Auszüge aus der Leitlinie)

BEKANNTGABEN DER HERAUSGEBER: Bundesärztekammer

Nationale Versorgungs-Leitlinie* COPD: (Klinisch relevante Auszüge aus der Leitlinie)

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Herausgeber:
Bundesärztekammer (BÄK), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
sowie
Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
Deutsche Atemwegsliga e.V.
Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM)
Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM)
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP)
Deutsche Gesellschaft für Physikalische Medizin und Rehabilitation (DGPMR)

Vorwort
Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease, abgekürzt: COPD) ist eine der weltweit führenden Todesursachen und wird dennoch vielfach unterschätzt. Lag sie 1990 noch an sechster Stelle der häufigsten Todesursachen, so wird die COPD bis zum Jahr 2020 auf den dritten Platz vorrücken. Im gleichen Zeitraum wird sie in der Morbiditätsstatistik vom gegenwärtig vierten ebenfalls auf den dritten Platz gelangen. Trotz dieser alarmierenden Entwicklung muss auch für Deutschland festgestellt werden, dass die COPD vielerorts noch immer zu wenig beachtet, zu wenig diagnostiziert und zu wenig behandelt wird. Dies trifft selbst für fortgeschrittene Erkrankungsstadien zu, in denen es bereits zu irreversiblen Einschränkungen der Lungenfunktion gekommen ist. Verstärkte Bemühungen um eine Optimierung der Versorgungsqualität für COPD-Patienten in Deutschland sind daher erforderlich. Hierzu gehört eine verlässliche und allgemein akzeptierte Darlegung des Notwendigen und Angemessenen in Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation dieser chronischen Atemwegserkrankung.
Das Programm für Nationale Versorgungs-Leitlinien (NVL) von Bundesärztekammer (BÄK), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) nimmt sich prioritärer Versorgungsbereiche an, für die ein Konsens zwischen den zuständigen Fachgruppen über wissenschaftlich begründete und praktikable medizinische Maßnahmen notwendig erscheint. In diesem Rahmen haben die mit Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation der COPD befassten Fachgesellschaften inhaltliche Eckpunkte für eine Nationale Versorgungs-Leitlinie COPD konsentiert.
Dieser Konsens kam zustande durch Einigung von Experten der o. a. Organisationen auf einheitliche, wissenschaftlich begründete und praktikable Eckpunkte der Versorgung von Patienten mit COPD unter Berücksichtigung der Strategien und Methoden der evidenzbasierten Medizin.
In der vorliegenden Bekanntmachung sind die wichtigsten, für die Arbeit in Klinik und Praxis relevanten Empfehlungen und Ausführungen der NVL COPD zusammengestellt. Die vollständige Fassung sowie Hintergrundinformationen zu Quellen und Methodik der Nationalen Versorgungs-Leitlinie COPD sind über die Internetseite http://www.versorgungsleitlinien.de zugänglich.

Berlin, Düsseldorf im April 2006
Prof. Dr. Dr. h. c. J.-D. Hoppe, Dr. A. Köhler, Prof. Dr. Dr. G. Ollenschläger – Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (äzq) (Gemeinsames Institut von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung)
Prof. Dr. A. Encke, Priv.-Doz. Dr. I. Kopp, Prof. Dr. H.-K. Selbmann – Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)
Fragestellungen und Zielsetzungen
der NVL COPD
Die NVL COPD nimmt unter anderem zu folgenden Fragen Stellung:
Anhand welcher objektiven Messungen sollte die Diagnose gesichert werden? Welche Therapeutika sollten in welcher Dosierung bei welchem Schweregrad der COPD eingesetzt werden? Welche nichtmedikamentösen Maßnahmen sind anzuwenden? Welche Maßnahmen sind bei akuten Exazerbationen indiziert? Für welche präventiven Maßnahmen existieren Wirksamkeitsnachweise? Wann sind ambulante bzw. stationäre rehabilitative Maßnahmen indiziert? Wie sollte die Betreuung von Menschen mit COPD-Risiko oder manifestierter COPD im deutschen Gesundheitswesen koordiniert und organisiert werden? Für welche Maßnahmen, die häufig im Zusammenhang mit COPD genannt werden, existiert kein ausreichender Wirkungsnachweis?
Adressaten und Anwendungsbereich
Bei einer Nationalen Versorgungs-Leitlinie handelt es sich um eine „systematisch entwickelte Entscheidungshilfe über die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen im Rahmen der strukturierten medizinischen Versorgung“ und damit um eine Orientierungshilfe im Sinne von „Handlungs- und Entscheidungsvorschlägen“, von der in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss. Die Entscheidung darüber, ob einer bestimmten Empfehlung gefolgt werden soll, muss vom Arzt unter Berücksichtigung der beim individuellen Patienten vorlie-
genden Gegebenheiten und der verfügbaren Ressourcen
getroffen werden. Die NVL COPD richtet sich als Entscheidungshilfe an alle Ärzte (z. B. Allgemeinärzte, Internisten und Pneumologen in Praxis und Klinik), ohne das Urteil des behandelnden Arztes ersetzen zu können, und bezieht sich auf Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD) und ausdrücklich nicht auf Patienten mit Asthma.
Die Empfehlungen der NVL COPD richten sich weiterhin
- an betroffene Patienten und ihr persönliches Umfeld (z. B. Eltern, Partner), und zwar unter Nutzung von speziellen Patienteninformationen;
- an die Kooperationspartner der Ärzteschaft (z. B. Fachberufe im Gesundheitswesen, Kostenträger);
- an die Herausgeber von „Strukturierten Behandlungsprogrammen“, da sie als deren Grundlage bei der Erstellung von zukünftigen „Strukturierten Behandlungsprogrammen“ dienen sowie
- an die Öffentlichkeit zur Information über eine gute medizinische Vorgehensweise.
Elemente der Nationalen Versorgungs-Leitlinien
Alle Nationalen Versorgungs-Leitlinien beinhalten folgende Elemente:
– Langfassung der NVL (beinhaltet die graduierten Empfehlungen, erläuternden Hintergrundtext, Quellenangaben und -darlegungen)
– Kurzfassung der NVL (beinhaltet die graduierten Empfehlungen und kurze begleitende Statements)
– Leitlinienreport (Darlegung des methodischen Vorgehens)
– Patienten-Leitlinie (durch Patienten erstellte Leitlinie zum Thema, inhaltlich auf der jeweiligen NVL basierend)
– Praxishilfen (Kurzdarstellungen der wesentlichen Aussagen der NVL zur schnellen Orientierung)
– zusätzliche Hintergrundmaterialien (z. B. Evidenztabellen, Leitliniensynopsen).

Alle Elemente der NVL COPD stehen im Internet zur Verfügung:
http://www.versorgungsleitlinien.de/themen/copd
Autoren der NVL COPD:
Prof. Dr. med. Heinz Harald Abholz (DEGAM), Düsseldorf
Prof. Dr. med. Adrian Gillissen (DGP), Leipzig
Prof. Dr. med. Helgo Magnussen (DGIM), Großhansdorf
Dr. med. Gisela Schott MPH (AkdÄ), Berlin
Dr. med. Konrad Schultz (DGPMR), Pfronten
Prof. Dr. med. Dieter Ukena (AkdÄ), Bremen
Prof. Dr. med. Heinrich Worth (Deutsche Atemwegsliga), Fürth
Definition
Die COPD (englisch: Chronic Obstructive Pulmonary Disease) ist eine chronische Lungenkrankheit mit progredienter, nach Gabe von Bronchodilatatoren und/oder Corticosteroiden nicht vollständig reversibler Atemwegsobstruktion auf dem Boden einer chronischen Bronchitis und/oder eines Lungenemphysems.
COPD-Management
Ziele:
- Verminderung der Progression der Erkrankung;
- Steigerung der körperlichen Belastbarkeit;
- Symptomlinderung;
- Steigerung der Lebensqualität;
- Vorbeugung von Exazerbationen und Komplikationen;
- Reduktion der COPD-bedingten Letalität.
Der Behandlungsplan umfasst:
- Prävention (Raucherentwöhnung, Schutzimpfungen zur Vermeidung von Atemwegsinfektionen);
- medikamentöse Therapie der stabilen COPD;
- nicht-medikamentöse Therapiemaßnahmen (Patientenschulung, Atem-/Physiotherapie, körperliches Training, Ernäh-
rungsberatung, Hilfsmittel);
- Management akuter Exazerbationen;
- Rehabilitation als wichtige Komponente des Langzeitmanagements der COPD.

Die Dokumentation der Rauchgewohnheiten und der dringende, personenbezogene Rat zur Abstinenz – z. B. nach den „5 A“ gemäß der unten stehenden Aufzählung – gehören zu den Elementarpflichten des behandelnden Arztes.

Abfragen des Rauchstatus bei allen Patienten und allen Konsultationen.
Anraten des Rauchverzichts bei allen Rauchern – nachdrücklich und direkt auf den Patienten bezogen. !
Ansprechen der Aufhörmotivation mit dem Ziel, einen Rauchstopp zu vereinbaren.
Aktiv unterstützen beim Rauchstopp durch medikamentöse Entwöhnungshilfen, Verhaltenstherapie und Einbeziehen des sozialen Umfelds.
Arrangieren von Terminen für eine Nachbetreuung zur Rückfallprophylaxe.
Schweregrade der stabilen COPD****
Differenzialdiagnose COPD und Asthma
Therapie bei akuter COPD-Exazerbation
- Bronchodilatatoren intensivieren (z. B. 1–2 Hübe eines rasch wirksamen Beta-2-Sympathomimetikums und zwei Hübe eines rasch wirksamen Anticholinergikums alle 10 bis 15 Minuten).
- Systemische Corticosteroide (z. B. 20–40 mg Prednisolonäquivalent pro Tag) maximal für 14 Tage.
- Antibiotika nur bei Hinweis auf bakteriellen Infekt (z. B. vermehrtes Sputum, grüngelbe Farbe und Purulenz).
- Stationäre Einweisung, falls o. g. Maßnahmen nicht ausreichen.
- Sauerstoffgabe gemäß Blutgasanalyse (Ziel: arterieller Sauerstoff-Partialdruck > 60 mmHg).
- Nichtinvasive Beatmung mit positivem Druck über eine Maske bei Hyperkapnie und respiratorischer Azidose (pH < 7,3).
Stufentherapie bei stabiler COPD
Bronchodilatatoren – Langzeittherapie
Versorgungskoordination
Die Betreuung von Patienten mit COPD erfordert die effiziente Zusammenarbeit ambulanter und stationärer Einrichtungen im Sinne einer Versorgungskette:
- Die Langzeit-Betreuung und deren Dokumentation erfolgt grundsätzlich durch den Hausarzt (ggf. Pneumologen). Dazu gehört die regelmäßige Erfassung des klinischen Bildes, der körperlichen Leistungsfähigkeit, der Lungenfunktion und der Risikofaktoren.
- Die Überweisung zum Facharzt sollte erfolgen bei unzureichendem Therapieerfolg; wenn eine systemische Therapie mit Corticosteroiden erforderlich scheint; nach vorangegangener Notfallbehandlung; bei bedeutsamer Komorbidität und bei Verdacht auf eine berufsbedingte Ursache.
- Die Einweisung in ein Krankenhaus wird notwendig bei Hinweis auf schwere Exazerbation; progredientem Verlauf trotz intensivierter Behandlung (s. Stufenplan) und bei unzureichender häuslicher Betreuung.
Wichtige Hinweise für Patienten
- COPD-Patienten sollen die korrekte Inhalationstechnik erlernen und vor Entlassung aus stationärer Betreuung einen schriftlichen Medikamentenplan erhalten.
- Die Indikation zur Anschlussrehabilitation/Anschlussheilbehandlung bzw. zu ambulanten rehabilitativen Maßnahmen und/oder Langzeitsauerstofftherapie soll geprüft und organisatorisch vorbereitet werden.
- Sämtliche Behandlungsempfehlungen sollen schriftlich fixiert und dem Patienten ausgehändigt werden.
- Raucher sollen konkrete Hilfestellungen zum Verzicht auf Tabakkonsum erhalten und auf spezielle Raucherentwöhnungsprogramme hingewiesen werden.
- Falls eine Langzeitsauerstofftherapie erforderlich ist, sollte zwischen Geräten mit Flüssigsauerstoff und solchen mit Sauerstoffanreicherung abgewogen werden. Die Anwendungsdauer sollte mindestens 16 Stunden pro Tag betragen.
Gültigkeitsdauer und Fortschreibung:
Diese Leitlinie wurde am 16. Februar 2006 verabschiedet und ist bis zur nächsten Überarbeitung bzw. spätestens bis 31. Januar 2008 gültig. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat diese Leitlinie am 24. März 2006 beschlossen.
Tabelle: Schweregrade der stabilen COPD
Tabelle: Differenzialdiagnose COPD und Asthma
Tabelle: Stufentherapie bei stabiler COPD
Tabelle: Bronchodilatatoren – Langzeittherapie
Tabelle: Wichtige Hinweise für Patienten

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