VARIA: Feuilleton
Freud-Museum: Vom Denken im Liegen


Die Berggasse 19 zählt laut
Eigenwerbung zu den weltweit
bekanntesten Adressen.
Fotos: Roland Motz
die Psychoanalyse.
Rubbel dich reich“ steht an der Lottoannahmestelle neben dem Museum, das selbst einen Hauptgewinn gut gebrauchen könnte. Ein neues Schild am Eingang, ein Plakat zur bevorstehenden Ausstellungseröffnung „Die Couch: Vom Denken im Liegen“ – wenig deutet darauf hin, dass der 150. Geburtstag Freuds für die Betreiber des Museums oder für die Stadt Wien von besonderer Bedeutung wäre.
Wie renovierungsbedürftig die Räumlichkeiten sind, lässt sich nicht übersehen, sobald man nach mehrmaligem Klingeln Einlass gefunden hat. Farbe blättert von den Wänden, Kitt bröckelt aus den uralten Doppelfenstern, die Parkettfußböden sind abgewetzt, und auch die ausgestellten Exponate befinden sich in schlechtem Zustand. Kein morbider Charme, sondern allgemeine Lieblosigkeit prägen die Atmosphäre. „Manche Besucher sind enttäuscht, aber warum sollte der Ort, wo eine große Idee entsteht, attraktiv sein“, macht es sich die wissenschaftliche Leiterin Lydia Marinelli recht einfach.
Dabei zählt die Berggasse 19 laut Eigenwerbung zu den weltweit bekanntesten Adressen. In dem Gründerzeithaus im 9. Wiener Gemeindebezirk entwickelte Freud seine revolutionären Ideen von der Psychologie des Unbewussten, die die Sicht auf die Welt ebenso einschneidend verändert haben wie die Galileos oder Darwins. Dort therapierte Freud seine Patienten, dort begründete er die Psychoanalyse als Behandlungsform und Methode zur Selbsterkenntnis, dort entstanden die Traumdeutung und andere Werke, die ihn nicht nur als Arzt, sondern auch als begnadeten Schriftsteller berühmt machten.
„Docent Dr. Sigmund Freud beehrt sich anzuzeigen, dass er von Mitte 1891 an in der Berggasse 19 wohnen und daselbst von 5–7 Uhr ordinieren wird“, steht im Eingangsraum im ersten Stock, von dem aus Warte-, Arbeits- und Wohnzimmer sowie ein Ausstellungsraum begangen werden können. Neben der von Anna Freud gestifteten Originalausstattung des Wartezimmers sind vor allem Objekte aus Freuds Antikensammlung, Dokumente, Briefe und mit vergilbten Kommentaren versehene Fotos zu sehen. Überall finden sich geschliffene Freudzitate wie zum Beispiel unter einem entsprechenden Foto aus der Nazizeit: „Was wir für Fortschritte machen. Im Mittelalter hätten sie mich verbrannt, heutzutage begnügen sie sich damit, meine Bücher zu verbrennen“ oder aus einem Brief an Ferenczi: „Mit Einstein habe ich zwei Stunden verplaudert. Er ist heiter, sicher und liebenswürdig, versteht von Psychologie soviel wie ich von Physik und so haben wir uns sehr gut besprochen.“
Neben der Originalausstattung des
Wartezimmers sind unter anderem
Dokumente aus Freuds Antikensammlung
zu sehen.
Informationen: Sigmund-Freud-Museum, Berggasse 19, 1090 Wien, Telefon: 00 43/13 19 15 96, Öffnungszeiten: täglich 9 bis 17 Uhr, Eintritt: 7, ermäßigt 5,50 Euro. Internet: www.freud-museum.at. Am 6. Mai feierte Wien den 150. Geburtstag von Sigmund Freud. Im Mittelpunkt des Ausstellungsprogramms steht die Sonderschau „Die Couch: Vom Denken im Liegen“ im Museum sowie eine Open-Air-Ausstellung zu Freud an neun weiteren Orten in Wien.
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