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Helsinki: In mediterraner Sommerlaune


Der grandiose, 1852 fertig gestellte
Dom beherrscht den Senatsplatz.
Ganz oben auf der Beliebtheitsskala für Städtereisen, kürte das britische Magazin „Elle“ Helsinki zur interessantesten Hauptstadt; für die belgische Zeitschrift „Feeling“ ist sie gar die schönste in Europa. In der Tat: Mit der Wahl als „Europäische Kulturhauptstadt“ im Jahr 2000 beendete die finnische Hauptstadt ihren Dornröschenschlaf. Dabei bleibt die Hosentaschen-Metropolis trotz aller Zukunftsorientierung und Kreativität geradezu liebevoll provinziell.
Verkehrsstaus sind hier (noch) unbekannt. Obwohl Helsinki über ein ausgezeichnetes Nahverkehrssystem verfügt, wird der überschau-
bare Stadtkern sicher und bequem zu Fuß „erobert“. Sollte es Fragen geben, helfen die grün gekleideten „Scouts“ gerne weiter. Selbst „geführt“ darf man in Helsinki Ungewöhnliches erwarten: Ein „Zeitsprung“ mit historisch gekleideten Guides lädt in das 18. Jahrhundert, und waschechte Hauptstädter zeigen gerne „ihr“ Bar- und Nachtleben, von der aus Eisquadern gebauten Bar im Nachtclub „Uniq“, wo die Drinks bei minus fünf Grad Celsius garantiert kalt sind (es gibt Decken und Stie-
fel, um sich selbst warm zu halten), bis zu Helsinkis heißesten Karaoke-Spots. Sie schwingen mit Gästen das Tanzbein zum Country Dance oder zum finnischen Tan-
go, dessen Titel wie „Schneeflocken“ (Lumihiutaleita) und „Fallende Blätter“ (Syystehdet lentää) Natur, Kultur, Identität und Mentalität widerspiegeln – das Ganze bei einem traditionell finnischen „Olvi“-Bier, dem legendären „Finlandia“-Vodka oder aus Obst und Beeren gekeltertem Wein und Sekt wie „Kavaljeeri“ oder „Elysée“.
An der Schnittstelle zwischen den östlichen und westlichen Machtsphären gelegen, haben die 500-jährige gemeinsame Geschichte mit Schweden und die 100-jährige Zugehörigkeit zum russischen Zarenreich mit finnisch-schwedischer Zweisprachigkeit und der mit einer wundervollen Ikonostase ausgestatteten Uspenski-Kathedrale unübersehbare Spu-
ren hinterlassen. Vom einst verschlafenen Holzhausstädtchen entwickelte sich Helsinki zu einem Architekturjuwel, dessen verschiedene Baustile weiterhin nachvollziehbar bleiben.
Die „Tochter der Ostsee“ ist vom Meer umgeben. Fangfrischer als auf dem Marktplatz Kauppatori kann Meeresgetier deshalb kaum angelandet werden. Mehr als 50 000 Kilogramm Hering wechseln hier zur „Helsinki Herring Fair“ im Oktober den Besitzer – roh, mariniert, gepökelt, gebraten oder gegrillt. Der Kauppatori selbst ist das Herz Helsinkis und Open-Air-Theke für saftige Beeren und aromatische Pilze, duftendes Brot und rote Tomaten, Rentier-Felle und Jagdmesser. Eingefleischten Helsinkiern ist das fast zu touristisch. Sie schwören auf den mit Bio-Lebensmitteln und umweltfreundlich produzierten Waren werbenden Hakaniemi-Markt in einer Jugendstil-Halle im Arbeiterviertel der Stadt.
Helsinkis Esplanade wird straßenseitig zur Flaniermeile und zeigt
sich im Innersten als Oase.
Fotos: Christian Michael
Helsinkis Flaniermeile Esplanade mit ihren Szene-Cafés wie dem „Vanha“ oder der alten Dame „Café Ekberg“ auf dem Bulevardi ist geradezu prädestiniert für einen guten Einkauf, zumal das Preisniveau in Finnland in den vergangenen Jahren merklich gesunken ist. Nicht nur Bekanntes wie „Marimekko“, „Iittala“, „Arabia“ und „Lapponia“ ist aufgrund seines zeitlosen und funktionalen Designs so aktuell wie eh und je; auch Newcomer von „Lustwear“ bis „IVANAhelsinki“ drän-gen auf den Markt. Helsinkis neuer Design-Distrikt trägt dem Rechnung und vereint Inneneinrichter, Mode-Boutiquen, Ateliers, Studios, Galerien, Cafés und Restaurants in der Nachbarschaft von Dianapuisto, Punavuori und Esplanade. Selbst Hotels spielen in der Design-Liga, wie das neue, dem Thema „Finnische Kalevala-Mythologie“ folgende Boutique-Hotel „Klaus K“.
Was Finnland unter Nationalromantik versteht, offenbart die Jugendstilarchitektur des monumentalen Hauptbahnhofs. Liebhaber dieses Stils werden an den Stadtteilen Katakanokka und Eira ihren Gefallen finden, während in Käpylä noch immer die traditionelle Holzbauweise lebendig ist. Ungleich anderen ins Rotlicht-Milieu abgedrifteten Bahnhofsvierteln lockt Helsinki mit nationalen Symbolen, vom Nationaltheater bis zum Ateneum, dem besten Kunstmuseum der Stadt. An der parkähnlichen Töölönlahti-Bucht ragt die berühmte, vom finnischen Design- und Architektur-Großmeister Alvar Aalto entworfene und in blendend-weißem Carrara-Marmor errichtete Finlandia-Halle auf, Wirkungsstätte des Philharmonischen Orchesters unter Esa-Pekka Salonen.
Zur Zeit des Helsinki-Festivals im August und Oktober ist in der grünen Oase am Festivalzelt ganz Helsinki „aus dem Häuschen“. Ab dem 1. Mai, wenn mit dem Vappu-Fest ausgelassen der Frühling begrüßt wird, über die Mittsommerfeier bis zur Krebs-Saison, in den langen Sommertagen und hellen nächten sind die Terrassen der Cafés der Renner, und Helsinkis Nähe zur Natur spielt eine besondere Rolle. Mehr als die Hälfte der Stadtfläche besteht aus Wald – dabei sind Parkanlagen, wie der Central Park und der zu langen Spaziergängen einladende Friedhof in Hietamiemi noch nicht einmal mit gezählt.
Helsinkis Marktplatz ist das Herz
der Stadt und verspricht ein farbenprächtiges
Erlebnis.
Wie passend, dass sich deren Fleisch auch auf dem Teller gut macht. Der rustikale Charme im Restaurant „Lappi“ schafft die richtige Atmosphäre für ein Wildgericht oder Rentier-Menü, das neue „Fishmarket“ muss seinen Namen nicht erklären, während „Saslik“ die Gaumen mit russischer Weltklasse-Küche erfreut.
Kein Finnland-Aufenthalt ohne Sauna-Besuch. Traditionell pflegt im Sörnäinen-Distrikt die gemütliche Kotiharju-Sauna das holzbefeuerte Stövchen, lockt am Flughafen die Kuvsijärvi-Sauna mit exotischem Rauch und Blick aufs Meer, während die Sauna-Bar in Eerikinkatu – nomen est omen – das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet und Helsinkis wunderbar restaurierte Yrjönkatu-Schwimmhalle „nackte Tatsachen“ im romantischen Rahmen neoklassizistischer Architektur schafft.
Dabei darf dann auch der eine oder andere Gedanke den daheim Gebliebenen gewidmet werden: Wählt man als Souvenir die echt finnischen Salmiakbonbons, das schmelzend-zarte Fazer-Schokoladen-Konfekt oder doch lieber den kultigen Koskenkorva Viina Brännvin? Christian Michael
Reise-Tipps
Allgemeine Auskünfte: Finnische Zentrale für Tourismus, Lessingstraße 5, 60325 Frankfurt/Main, Telefon: 0 69/50 07 01 57, E-Mail: finnland.info@mek.fi, Internet: www.visitfinland.de.
Helsinki im Internet: www.hel.fi/450/historia.html, www.hel.fi/tourism, www.helsinki.net.
Anreise mit dem Flugzeug: Air Berlin (www.airberlin.com) fliegt von Düsseldorf; Blue1 (www.blue1.com) von Berlin-Tegel und Hamburg; Finnair (www.finnair.com) von Berlin-Tegel, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart; Finncomm (www.fc.fi) von Düsseldorf und Stuttgart; germanwings (www.germanwings.com) von Köln-Bonn sowie Lufthansa (www.lufthansa.de) von Frankfurt und München nach Helsinki.
Anreise mit dem Schiff: Finnlines fährt von Travemünde nach Helsinki und Superfast Ferries von Rostock nach Hanko.
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