THEMEN DER ZEIT: Berichte
Befragung in Hannover: Was Ärzte rückblickend von ihrer Ausbildung halten
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Kürzlich wurden Medizinstudierende am Ende des Studiums dazu befragt, wie relevant einzelne Kurse und
Vorlesungen für die ärztliche Ausbildung ihrer Meinung nach waren (1). Dabei überraschten die großen
Unterschiede in der Einschätzung der Bedeutung einzelner Fächer. Nun gingen wir der Frage nach, wie junge
Kollegen und Kolleginnen nach einigen Jahren Berufserfahrung, das heißt zur Zeit der Facharztprüfung, das
Medizinstudium im Rückblick beurteilen (siehe Tabelle). Bei der Meldung zur Facharztprüfung bei der
Ärztekammer Niedersachsen erhielten die Ärztinnen und Ärzte einen Fragebogen und einen erläuternden
Begleitbrief. Einige Erkenntnisse aus den ersten 84 Antworten sollen hier dargestellt werden (Rücklauf: circa
30 Prozent).
Der Anteil der Ärztinnen an den Antwortenden betrug 30 Prozent. Die häufigsten Weiterbildungsfächer waren:
Innere Medizin (25 Prozent), Chirurgie (20 Prozent), Gynäkologie und Geburtshilfe (zehn Prozent),
Allgemeinmedizin und Anästhesie (jeweils sieben Prozent). Diese Verteilung entspricht weitgehend der
Gesamtverteilung bei den Facharztprüfungen im Bereich der Ärztekammer Niedersachsen im Jahr 1993.
Bei den Befragten waren seit dem Staatsexamen zwischen vier und 16 Jahren vergangen. So hatten auch nur 42
Prozent die AiP-Zeit ableisten müssen. Nur sechs Prozent hielten diese Phase für sinnvoll. Ein Prozent war der
Auffassung, man solle die AiP-Zeit auf die ursprünglich geplanten zwei Jahre verlängern. Alle anderen (93
Prozent) bezeichneten die Zeit als Arzt im Praktikum als "unsinnig".
Die große Mehrzahl der Ärztinnen und Ärzte (72 Prozent) war promoviert. 89 Prozent von ihnen urteilten, daß
es sinnvoll gewesen sei, eine Doktorarbeit zu schreiben. Von denjenigen, die nicht promoviert waren, sagten
einige (11 Prozent), sie hätten kein Interesse gehabt. Manche hatten noch Pläne, die Arbeit abzuschließen (43
Prozent). Die meisten hatten die Arbeit nicht beendet (54 Prozent).
Die Antworten auf folgende Frage waren überraschend: "Wurden im Studium zu viele Themen behandelt, die
Ihrer Ansicht nach in die Weiterbildung gehören?" Nur 17 Prozent beantworteten diese Frage mit Ja. Demnach
hält die überwiegende Mehrheit die Themen des Medizinstudiums für eine sinnvolle Grundlage für die
Weiterbildung. Zwei Drittel der Befragten meinen, die vorgeschriebene Studienzeit sei angemessen, und ein
Drittel hält sie für zu lang.
Großes Interesse wurde an Lehrveranstaltungen in den Medizinischen Fakultäten während der Weiterbildung
geäußert (84 Prozent). Fast die Hälfte der Befragten zeigte Interesse an speziellen Praktika und Kursen in den
Fakultäten, die Spezialwissen für die jeweilige Weiterbildung betreffen sollten. Das sind offensichtlich
Aufgaben für die Fakultäten, die bisher zu wenig wahrgenommen werden.
Aus der Tabelle wird deutlich, daß die abgefragten Themen von Prüfung zu Prüfung als relevanter für die
Weiterbildung eingeschätzt wurden. Gefragt wurde auch nach der Bedeutung der in der Approbationsordnung
vorgeschriebenen Unterrichtsveranstaltungen für die ärztliche Ausbildung. Am geringsten wurden im
Rückblick folgende fünf Fächer eingeordnet: Biomathematik, Terminologie, Ökologisches Stoffgebiet, Physik
und Chemie. Die größte Bedeutung wurde folgenden fünf Fächern zugewiesen: Makroskopische Anatomie,
Innere Medizin, Untersuchungskurs, Pharmakologie und Chirurgie.1)
Die Ergebnisse dieser Befragung müssen natürlich mit Vorsicht bewertet werden, da die geringe Zahl der
Teilnehmer keine repräsentativen Ergebnisse liefert. Trotzdem können die Antworten Anregungen sein zu
überlegen, in welchen Fächern offensichtlich die Ausrichtung auf die ärztliche Ausbildung dringend verbessert
werden müßte. Auch sollte das Interesse an Lehrveranstaltungen in den medizinischen Fakultäten während der
Weiterbildung registriert werden.
Unter den freien Äußerungen in den Fragebogen ragten der Wunsch nach mehr praktischer Ausbildung und
der Wunsch nach der Integration von Theorie und Praxis heraus. Das entspricht auch den Angaben aus dem
Absolventenreport Medizinstudium (2). Befragungen von Ärztinnen und Ärzten mit einigen Jahren
Berufserfahrung und Abstand zum Studium liefern demnach wichtige Hinweise für die Diskussion um die
Verbesserung der Ausbildung und sollten bei der Reform des Medizinstudiums berücksichtigt werden.
Literatur:
1. Pabst R, Rothkötter HJ: Wie beurteilen Medizinstudenten die Bedeutung verschiedener Lehrveranstaltungen
für die ärztliche Ausbildung? Dtsch Med Wochenschr 120, 84-85, 1995
2. Minks KH, Bathke GW: Absolventenreport Medizin: Ergebnisse einer Längsschnittuntersuchung zum
Berufsübergang von Absolventinnen und Absolventen der Humanmedizin. Bundesministerium für Bildung und
Wissenschaft, Bonn, 1994
Anschrift der Verfasser:
Prof. Dr. med. Reinhard Pabst
Priv.-Doz. Dr. med. Hermann-Josef Rothkötter
Abteilung Funktionelle und Angewandte Anatomie
Medizinische Hochschule Hannover
30623 Hannover
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