

Die Tabakindustrie hat es nicht einfach: Jedes Jahr muss sie Tausende neuer Kunden gewinnen, weil die alten sterben. Allein in Deutschland, so schätzen Experten, werden jährlich 140 000 Opfer ihres Nikotinkonsums. Damit die Spezies „Raucher“ aber nicht gänzlich ausstirbt, halten Konzerne wie Philipp Morris oder Reemtsma mit ausgefeilten und kostspieligen Werbestrategien dagegen. Nach Angaben des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft lässt sich die Zigarettenindustrie dies in Deutschland jedes Jahr rund 118 Millionen Euro kosten.
Absage an Bundesregierung
Doch mit der Kundenneuwerbung wie bisher dürfte es bald vorbei sein. Denn der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat sich Mitte Juni in seinem Rechtsgutachten für die Abweisung der Klage der Bundesregierung ausgesprochen. Diese hatte gegen die EU-Richtlinie geklagt, welche die Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Internet ebenso verbietet wie das Sponsoring von überregionalen Großveranstaltungen. Mit der Richtlinie, so die Bundesregierung, überschreite die EU ihre Regelungskompetenzen.
Das Urteil wird zwar voraussichtlich erst im Herbst verkündet, doch folgt der EuGH in der Regel den Empfehlungen seiner Generalanwälte. In diesem Fall müsste die Richtlinie, die bereits zum 31. Juli vergangenen Jahres hätte umgesetzt werden sollen und in allen europäischen Ländern – außer Deutschland und Luxemburg – in Kraft ist, auch hierzulande gelten. Deshalb hat Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) bereits auf das Plädoyer des Generalanwalts reagiert. Die Regierung werde unverzüglich „ein nationales Gesetz zur Umsetzung der EU-Tabakwerberichtlinie in den Bundestag einbringen“. Bleibt dies aus, drohen Strafzahlungen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ulrike Höfgen reicht die Umsetzung des EU-Werbeverbots nicht. „Die Freiheit vom Qualm muss kommen“, so Höfgen. Deswegen plant ihre Fraktion innerhalb der nächsten Wochen, mit einem interfraktionellen Antrag neben der Umsetzung der EU-Richtlinie Tabakwerbung auch in Kinos und auf Plakaten zu verbieten. Außerdem soll der Schutz von Passivrauchern in der Gastronomie verbessert werden. Wie dies zu erreichen ist, ob über effektivere Lüftungsanlagen oder über ein generelles Rauchverbot, müsse noch in der Fraktion geklärt werden.
Eine ähnliche Initiative hat Höfgens Kollege von der SPD-Fraktion, Lothar Binding, gestartet. Er will mithilfe ei-nes Gruppenantrags aller Fraktionen Passivraucher über ein verbindliches Rauchverbot in Räumen mit Publikumsverkehr, Bussen und Bahnen sowie in Gaststätten und Hotels schützen.
Mehr als 50 Mitinitiatoren gibt es für das Vorhaben bereits unter den Parlamentariern. Ob daraus im Anschluss aber tatsächlich ein Gesetz wird, bleibt abzuwarten. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach hat schon Ablehnung signalisiert. Und auch SPD-Fraktionschef Peter Struck will sich damit nicht beschäftigen – er raucht lieber in Ruhe seine Pfeife. Timo Blöß