MEDIZIN: Diskussion
Akupunktur bei chronischen Schmerzen – Ergebnisse aus dem Modellvorhaben der Ersatzkassen: Schlusswort
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Dies ist in unserem Artikel deutlich beschrieben; Einzelpublikationen der detaillierten Studienergebnisse wurden zitiert. Wir sind daher irritiert, dass Prof. Weber und Dr. Bärenz offensichtlich einen Teil der Komponente III – die so genannte „Basisdokumentation“, in der lediglich eine sehr begrenzte Dokumentation durch den Arzt erfolgte – als Versuch zur Belegung der Wirksamkeit fehlinterpretieren. Die von den Kollegen genannten Kritikpunkte sind für die kontrollierten Studien der Modellvorhaben schlicht unzutreffend.
Prof. Baust stellt in pointierter Weise zwei fundamentale Fragen, die sich für den skeptischen Beobachter aus den Resultaten ergeben. Er interpretiert dabei die Ergebnisse der randomisierten Studien, in denen Akupunktur und Minimalakupunktur verglichen wurde, offensichtlich als Beleg dafür, dass die registrierten deutlichen Verbesserungen – abgesehen von der Indikation Gonarthrose – lediglich „Placeboeffekte“ sind.
Das Problem bei dieser Interpretation ist, dass es nicht nur in unseren Studien Belege dafür gibt, dass die „Placebowirkungen“ der Akupunktur offensichtlich stärker ausgeprägt sind als die anderer Therapieformen. In den GERAC-Studien aus dem Modellvorhaben der AOK war die Akupunktur bei Migräne genauso wirksam wie eine medikamentöse Prophylaxe. Bei Rücken- und bei Gonarthroseschmerzen war die Behandlung mit Akupunktur und die Therapie mit Sham-Akupunktur einer leitlinienbasierten Standardtherapie sogar überlegen (1, 2, 3).
Eine leitlinienbasierte Standardtherapie wird von den Kassen erstattet. Wir finden es daher durchaus angebracht, zumindest ernsthaft zu diskutieren, ob eine Therapie, die mindestens genauso effektiv ist, bezahlt werden sollte.
Aus unserer Sicht ist es die primäre Aufgabe der Versorgung, effektiv zu sein, nicht ein wissenschaftliches Erklärungsmodell zu liefern.
Statt die Effekte der Akupunktur als „eingebildete Heilung“ abzutun (1), sollten wir – wie im Leserbrief von Dr. Fässler zum Modellvorhaben der TK angeregt – die faszinierenden Ergebnisse der Modellvorhaben zur Akupunktur zum Anlass nehmen, die Auswirkungen von vermeintlich „unspezifischen“ Faktoren ernster zu nehmen, besser zu untersuchen und in der medizinischen Versorgung bewusst zu nutzen.
Aus unseren Ergebnissen allgemein abzuleiten, dass eine Akupunkturausbildung unnötig ist, halten wir allerdings für voreilig, auch wenn die Studien der Modellvorhaben insgesamt für einen allenfalls kleinen zusätzlichen punktspezifischen Effekt der gewählten Akupunktur bei den untersuchten Indikationen sprechen.
Literatur
1. Hackenbroch V: Die eingebildete Heilung. Der Spiegel 2004; Heft 44: 196–98.
2. Gerac – Die ersten Ergebnisse zu den Indikationen „chronischer Kreuzschmerz“ und „chronischer Knieschmerz“. www.gerac.de.
3. Diener HC, Kronfeld K, Boewing G, Lungenhausen
M, Maier C, Molsberger A, Tegenthoff M, Tram-
pisch HJ, Zenz M, Meinert R for the GERAC Migraine Study Group: Efficacy of acupuncture for the prophylaxis of migraine: a multicentre randomised controlled clinical trial. Lancet Neurology 2006 (online first March 2, 2006; DOI: 10.1016/S1474-4422(06) 70382-9)
Dieter Melchart
Andrea Streng
Andrea Hoppe
Wolfgang Weidenhammer
Klaus Linde
Zentrum für naturheilkundliche Forschung
II. Medizinische Klinik und Poliklinik
Technische Universität München
Kaiserstraße 9
80801 München
Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
1.
Hackenbroch V: Die eingebildete Heilung. Der Spiegel 2004; Heft 44: 196–98.
2.
Gerac – Die ersten Ergebnisse zu den Indikationen „chronischer Kreuzschmerz“ und „chronischer Knieschmerz“. www.gerac.de.
3.
Diener HC, Kronfeld K, Boewing G, Lungenhausen M, Maier C, Molsberger A, Tegenthoff M, Trampisch HJ, Zenz M, Meinert R for the GERAC Migraine Study Group: Efficacy of acupuncture for the prophylaxis of migraine: a multicentre randomised controlled clinical trial. Lancet Neurology 2006 (online first March 2, 2006; DOI: 10.1016/S1474-4422(06) 70382-9)