ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2006Wirksamkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Akupunktur – Ein Modellvorhaben mit der Techniker Krankenkasse: Schlusswort
Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS Ziel unseres Modellvorhabens war es, die Akupunktur in einer Vielzahl von Studien auf verschiedenen Ebenen zu untersuchen. Unser Beitrag gibt einen Überblick über das gesamte Projekt und alle primären Ergebnisse, sodass nicht alle Studien detailliert dargestellt sind.
Bezüglich der von Dr. Richter aufgebrachten Fragen zum Beispiel zur Homogenität von Vergleichsgruppen oder zum Studiendesign verweisen wir auf die bisherigen Primärpublikationen (1, 2, 3, 4, 5). Erhebt man die Angaben zu Nebenwirkungen der Akupunktur nur über den Arzt, wie in klinischen Studien üblich, ist die Nebenwirkungsrate deutlich geringer als bei einer unabhängigen Befragung des Patienten. Die Ergebnisse beider Interviews sind – anders als von Dr. Richter vermutet – präzise dargestellt. Tatsächlich führt die Akupunktur – wie von Dr. Richter richtig angemerkt – zu zusätzlichen Kosten, wie übrigens bei Therapieverfahren üblich, die neu eingeführt werden. Wichtig ist jedoch die Frage, ob der Nutzen die zusätzlichen Kosten rechtfertigt, was in Anlehnung an die international akzeptierten Schwellenwerte bei unseren Akupunkturstudien der Fall ist.
Dr. Wettig hat nahezu denselben Leserbrief an alle Journals gesendet, in denen Ergebnisse der ART-Studien publiziert wurden. Aufgrund unserer Stellungnahme hat zum Beispiel der Lancet die Publikation seines Leserbriefs abgelehnt. Es scheint, dass Dr. Wettig als Akupunkteur das Ergebnis unserer Studien einfach nicht akzeptieren kann.
Wir stellen daher hier erneut fest, dass es gute wissenschaftliche Pra-
xis ist, Studienprotokolle zu publizieren. Das Argument einer möglichen Entblindung bei den ART-Studien ist spekulativ und (mit Ausnahme der Spannungskopfschmerzstudie) irrelevant, weil die Intervention und Erhebung der Hauptzielparameter bereits vor der Protokollpublikation
abgeschlossen waren. Auch bei der ART-Spannungskopfschmerzstudie ist eine Entblindung extrem unwahrscheinlich (6).
Die Leserbriefe von Dr. Fäßler und Dr. Richter zeigen, wie breit das Spektrum bei der Interpretationen unserer Resultate ist. Dr. Richter vermutet, dass Akupunktur unwirksam sei, wobei er die „klassische“ Wirksamkeit der Akupunktur gegenüber der Minimalakupunktur in der Gonarthrosestudie offenbar übersieht. Weiterhin kritisiert er die Verwendung von Fragebögen, weil diese keine objektiven Wirkungen belegen können. Allerdings sind gerade bei Schmerzerkrankungen objektive Messungen nicht möglich und validierte Fragebögen gelten als internationaler Standard.
Dr. Fäßler interpretiert unsere Ergebnisse deutlich differenzierter und spricht den unspezifischen Effekten der Akupunktur eine hohe klinische Relevanz zu.
Auf jeden Fall zeigen die Resultate, dass die Patienten von der Akupunkturbehandlung profitieren. Inwieweit Akupunktur primär über spezifische oder unspezifische Mechanismen wirkt, ist in erster Linie eine wissenschaftliche Frage und mag für den einzelnen Patienten weniger bedeutsam sein.

Literatur
1. Linde K, Streng A, Jürgens S et al.: Acupuncture for patients with migraine – a randomized trial (ART Migraine). JAMA 2005; 293: 2118–25.
2. Melchart D, Streng A, Hoppe A et al.: Acupuncture in patients with tension-type headache – a randomized trial. BMJ 2005; 331: 376–82.
3. Brinkhaus B, Witt CM, Jena S et al.: Acupuncture in patients with chronic low back pain – a randomized controlled trial. Arch Intern Med 2006; 166: 450–7.
4. Witt C, Brinkhaus B, Jena S et al.: Acupuncture in patients with osteoarthritis of the knee: a randomized
trial. Lancet 2005; 366: 136–43.
5. Witt CM, Jena S, Selim D et al.: Pragmatic randomized trial of effectiveness and cost-effectiveness of acupuncture for chronic low back pain. American Journal of Epidemiology 2006; accepted for publication.
6. Linde K, Melchart D, Streng A et al.: www.bmj.
bmjjournals.com/cgi/eletters/331/7513/376#116511.

Dr. med. Claudia M. Witt
Dr. med. Benno Brinkhaus
Prof. Dr. med. Stefan N. Willich
Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und
Gesundheitsökonomie
Charité – Universitätsmedizin Berlin, 10098 Berlin

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
1.
Linde K, Streng A, Jürgens S et al.: Acupuncture for patients with migraine – a randomized trial (ART Migraine). JAMA 2005; 293: 2118–25. MEDLINE
2.
Melchart D, Streng A, Hoppe A et al.: Acupuncture in patients with tension-type headache – a randomized trial. BMJ 2005; 331: 376–82. MEDLINE
3.
Brinkhaus B, Witt CM, Jena S et al.: Acupuncture in patients with chronic low back pain – a randomized controlled trial. Arch Intern Med 2006; 166: 450–7. MEDLINE
4.
Witt C, Brinkhaus B, Jena S et al.: Acupuncture in patients with osteoarthritis of the knee: a randomized trial. Lancet 2005; 366: 136–43. MEDLINE
5.
Witt CM, Jena S, Selim D et al.: Pragmatic randomized trial of effectiveness and cost-effectiveness of acupuncture for chronic low back pain. American Journal of Epidemiology 2006; accepted for publication.
6.
Linde K, Melchart D, Streng A et al.: www.bmj.bmjjournals.com/cgi/eletters/331/7513/376#116511.
1. Linde K, Streng A, Jürgens S et al.: Acupuncture for patients with migraine – a randomized trial (ART Migraine). JAMA 2005; 293: 2118–25. MEDLINE
2. Melchart D, Streng A, Hoppe A et al.: Acupuncture in patients with tension-type headache – a randomized trial. BMJ 2005; 331: 376–82. MEDLINE
3. Brinkhaus B, Witt CM, Jena S et al.: Acupuncture in patients with chronic low back pain – a randomized controlled trial. Arch Intern Med 2006; 166: 450–7. MEDLINE
4. Witt C, Brinkhaus B, Jena S et al.: Acupuncture in patients with osteoarthritis of the knee: a randomized trial. Lancet 2005; 366: 136–43. MEDLINE
5. Witt CM, Jena S, Selim D et al.: Pragmatic randomized trial of effectiveness and cost-effectiveness of acupuncture for chronic low back pain. American Journal of Epidemiology 2006; accepted for publication.
6. Linde K, Melchart D, Streng A et al.: www.bmj.bmjjournals.com/cgi/eletters/331/7513/376#116511.

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Stellenangebote