ArchivDeutsches Ärzteblatt25/2006Unerklärliche Schönheit

VARIA: Post scriptum

Unerklärliche Schönheit

Pfleger, Helmut

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Schach ist schön genug, um sein Leben dafür hinzugeben“ (Hans Ree, holländischer Großmeister).
Bei der 14. Ärzteschachmeisterschaft Anfang April in Bad Neuenahr erzählte der Schachverleger Manfred Mädler folgende Begebenheit: Ein Mann kam voller Begeisterung ins Telegrafenamt und gab die Nachricht auf: „Habe Schönheitspreis gewonnen!“ Nachdem er das Gebäude verlassen hatte, fragte die Angestellte fassungslos ihre Kollegen: „Wie haben da erst die anderen ausgeschaut?!“
Diese Anekdote – eine von unzähligen, die Manfred Mädler zu erzählen weiß – erinnerte mich an Dr. med. Siegbert Tarrasch, der vor hundert Jahren neben Emanuel Lasker der beste Schachspieler der Welt war. Beim Turnier in St. Petersburg 1914 gelang ihm gegen seinen „Intimfeind“ Aaron Nimzowitsch ein Juwel einer Mattkombination. Im Hochgefühl seines Triumphes schrieb er noch während des Turniers in einer Berliner Zeitung, dass so leicht keine andere Partie diese an Glanz der Spielführung übertreffen werde, weshalb ihr wohl der erste Schönheitspreis zufallen dürfte.
Dies kam der für die Preisverleihung zuständigen Jury zu Ohren, woraufhin sie verärgert anderweitig fündig wurde. Und wie reagierte unser geschätzter Kollege? „Diese für die Preisrichter ziemlich blamable Entscheidung liegt wohl hauptsächlich daran, dass der Vorsitzende des Kollegiums Mr. Burn war, ein nüchterner Engländer ohne künstlerischen Geschmack, der die Schönheit einer Partie nach der Dicke der in ihr geopferten Figur bemisst.“
Doch sehen Sie selbst!
Hier sind wir bereits am Ende einer langen, herrlichen Opferkombination. Wie brachte Tarrasch als Schwarzer am Zug den im freien Feld herumvagabundierenden weißen König Nimzowitschs in spätestens vier Zügen zur Strecke?

Lösung:
In der Tat gab es ein Matt in drei Zügen: 1. . . . Dh2+ 2. Ke6 (das sinnlose Damenopfer 2. Dg3 Dxg3+ hätte das Ganze um einen Zug verlängert) Te8+ 3. Kd7 (3. Kf6 Dh4 matt) Lb5 matt. Eine Augenweide, wie die beiden diagonalen „Langschrittler“ Dame und Läufer den König tief im feindlichen Lager aufspießen!

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