

Josef Albers: links „Grid Mounted“ (1921),
rechts „Park“ (1924); beides Glas-Collagen
Fotos:
Roland Groß/VG Bild-Kunst Bonn 2006
Der Panorama-Balkon der Tate Modern in London bietet ein Architektur-Spektrum von St. Paul’s Cathedral bis zur aktuellen Hochhaus-Gurke des Star-Architekten Norman Foster. In der vierten Ausstellungsetage trifft der Blick in den Innenraum indes unvermittelt auf die Keimzelle des im 20. Jahrhundert wirkungsstärksten Gestaltungslabors: das Bauhaus. Doch werden dort aktuell nicht etwa Walter Gropius oder Mies van der Rohe präsentiert, sondern man gräbt bewusst tiefer und breiter.
Der von BMW UK gesponserte Ausstellungs-Scheinwerfer fällt in einer zwölfteiligen Raumfolge auf rund 300 Werke zweier kreativer Visionäre: Laszlo Moholy-Nagy (1895–1946) und Josef Albers (1888–1976), Entdeckungsreisende und Pionier-Ästheten an den Staffeleien und in den Werkstätten des Weimarer Bauhauses zwischen 1923 und 1928. Als Leiter des „Vorkurses“ hatten sie maßgeblichen Anteil an der Umsetzung des von Walter Gropius formulierten Programms, Kunst und Handwerk in einem „Einheitskunstwerk“ zu verbinden. In diesem Sinne schufen die Grenzüberschreiter und Medienvirtuosen subtil und vielfältig ihre Malereien, Fotografien, Montagen, Designentwürfe, Möbel, Glaskörper und Skulpturen. Moholy-Nagy lehrte später in der Neuen Welt am „Chicago New Bauhaus“ Design. Ein Farbanalytiker wie Josef Albers sah sich ab 1933 am Black Mountain College in North Carolina einer illustren Schülerschar ausgesetzt, die die spätere Weltkultur höchst unterschiedlich erobern sollte: Robert Rauschenberg, Robert Motherwell, Kenneth Noland, Willem de Kooning, John Cage, Jasper Johns oder Merce Cunningham.
Moholy-Nagy steht für die Verbindung von „Kunst und Technik“ und kann als Prototyp des Künstler-Ingenieurs bezeichnet werden, dessen Werk vom russischen Konstruktivismus beeinflusst war und eine utopische Dimension erreichen sollte. Eher als fantastischer Architektoniker wird Moholy in der Tate Modern mit seiner rekonstruierten kinetischen Maschinen-Installation „Light Prop for an Electric Stage“ (1928–30) präsentiert: ein rotierend ratterndes Räderwerk aus der magischen Kunst-Dunkelkammer, dessen damals neue Materialien, Plexiglas und Metall, als Lichtreflexe über die Wände tanzen. Dazu flimmert die passende Film-Abstraktion des Künstlers „Light Play: Black-White-Grey“ auf 16-Millimeter-Filmmaterial.
Josef Albers, Leiter der Glaswerkstatt am Bauhaus, scheint das strenge Geometrie-Gitterwerk der großen Bauhaus-Architekten in seinen frühen Glas-Collagen (um 1921) aus Flaschenböden, Scherben und Draht geradezu kindhaft spielerisch vorwegzuwerkeln. Der Amerikaner Albers wendet sich dann vom Glas zur Malerei, der „Interaction of Color“, zu. Noch 1940 überrascht Albers, indem er zwei welke Blätter in fast surrealistischer Manier auf ein System geschichteter Farbrechtecke montiert: „geometrischer Surrealismus“.
Tochter Hattula Moholy-Nagy neben
der kinetischen Installation
„Light Prop for an Electric Stage“
(1928–30)
Die Ausstellung will überraschen – und überrascht permanent, ohne die Bauhaus-Klassiker zu vergessen: von den farbigen Stapel-Satztischen Albers’, über die konstruktivistischen Gemälde-Abstraktionen Moholys, bis zu dessen Foto-Grafik-Montagen auf raumlos weitem Grund. Roland Groß
Die Ausstellung ist bis 4.Juni täglich von 10 bis 18 Uhr, freitags und samstags bis 22 Uhr zu sehen. Informationen: Telefon: 00 44/20 78 87-88, Internet www.tate.org.uk. Vom 25. Juni bis 1. Oktober ist die Ausstellung in der Kunsthalle Bielefeld zu sehen.
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