POLITIK
Ethikräte: Tauziehen zwischen Parlament und Regierung


Die Stammzellforschung war schon Thema des Nationalen Ethikrates, auch ein Deutscher Ethikrat wird sich damit befassen müssen. Foto: epd
Der „Nationale Ethikrat“, den der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder durch Kabinettsorder am 2. Mai 2001 ins Leben gerufen hat, soll aufgelöst und durch einen „Deutschen Ethikrat“ ersetzt werden. Das sieht ein am 12. Juli dem Kabinett vorgelegter Gesetzentwurf vor, ausgearbeitet vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Ministerin Annette Schavan (CDU) hatte zuvor durch gezielte Pressearbeit die interessierte Öffentlichkeit eingestimmt und die höchst sensiblen „Ethiker“ des Bundestages aufgescheucht.
Der neue Ethikrat soll demnach gesetzlich fundiert werden, im Unterschied zu Schröders Gremium, an dessen Legitimation von Anfang an herumgemäkelt wurde. Der künftige Deutsche Ethikrat soll aus 24 unabhängigen Experten bestehen, die naturwissenschaftlichen, medizinischen, theologischen, philosophischen, ethischen, sozialen, ökonomischen und rechtlichen Sachverstand aufweisen. Sie sollen „unterschiedliche ethische Ansätze und ein plurales Meinungsspektrum“ vertreten. Die eine Hälfte der Mitglieder soll durch den Bundestag, die andere durch die Bundesregierung vorgeschlagen werden. Der Bundestagspräsident, bei dem der Ethikrat künftig angesiedelt sein soll, beruft die Mitglieder alsdann für vier Jahre.
Nach dem bisherigen Willen der Bundesregierung soll auch der neue Ethikrat ein reines Expertengremium sein. In § 4 Absatz 3 des Gesetzentwurfes wird untersagt, dass auch Parlamentarier oder Regierungsmitglieder aus Bund und Ländern dem Ethikrat angehören. Die Aufgabenstellung des Deutschen Ethikrates entspricht dem des bisherigen Nationalen: Er ist beschränkt auf ethische Fragen der Lebenswissenschaften.
Nach Zusammensetzung und Aufgabenstellung gleicht der neue Ethikrat somit dem alten. „Irgendjemand scheint die Hand über den Nationalen Ethikrat zu halten“, vermutet ein Insider. Keinesfalls, es gehe nicht um eine bloße Umettikettierung, heißt es dagegen in Koalitionskreisen. Der Nationale Ethikrat werde tatsächlich aufgelöst. Einzelne Mitglieder würden wieder kommen, viele wegbleiben. Kritiker des bisherigen Nationalen Ethikrates hoffen, dass das „starke Übergewicht pro Forschung“ endet.
Solche Kritiker kommen vor allem aus der früheren Enquete-Kommission des Bundestages „Ethik und Recht in der modernen Medizin“. Die Enquete-Kommission erwies sich als ein Gegengewicht gegen den alten Ethikrat, insbesondere in dessen Anfangszeit, als der ganz in Schröders Sinne mit 14 : 8 für den Import embryonaler Stammzellen votierte. Das Mandat der Enquete-Kommission lief mit Ende der Legislaturperiode aus, zum Bedauern vieler Abgeordneter. Es sei nämlich vorteilhaft, wenn das Parlament bereits im „Prozess der Entscheidungsfindung“ beteiligt sei, statt bloß Gutachten von Sachverständigen entgegenzunehmen, betonen unabhängig voneinander und doch übereinstimmend René Röspel (SPD) und Hubert Hüppe (CDU) gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Schavan hatte kaum ihre Absichten durchsickern lassen, da lief im Bundestag die Initiative zu einem interfraktionellen Gruppenantrag an. Ziel: ein Ethik-Komitee als dauerhafte Einrichtung des Deutschen Bundestages. Der Antrag soll im September im Bundestag eingebracht werden, er wurde bisher von rund 170 Abgeordneten unterschrieben. Das teilten Röspel sowie Reinhard Loske (Grüne) und Ilja Seifert (Linkspartei) mit, und sie verbanden die Mitteilung gleich mit einer zahmen Kritik am Regierungskonzept.
Weder Hüppe noch ein anderer Unionsabgeordneter unterzeichneten die Mitteilung oder den Gruppenantrag. Dafür gibt es taktische Gründe: Grüne und Linkspartei nutzen das edle Vorhaben auch dazu, sich oppositionell zu profilieren. Die SPD wird aufpassen müssen, nicht versehentlich als Opposition wahrgenommen zu werden. Unionsabgeordnete wie Hüppe dagegen, die den Gruppenantrag inhaltlich unterstützen, müssen darauf achten, nicht in Konfrontation zur eigenen Ministerin zu geraten. Hüppe gibt sich denn auch ungewohnt vorsichtig: Eine Ethik-Kommission des Bundestages dürfe nicht gegen den Deutschen Ethikrat gerichtet sein. Das vorausgesetzt, halte er ein solches Bundestagsgremium „nicht für falsch“. Anzustreben sei, wie stets in ethischen Fragen, eine möglichst große Parlamentsmehrheit. Röspel stimmt dem zu und resümiert: „Es wird spannend.“ Norbert Jachertz
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