ArchivDeutsches Ärzteblatt30/2006Schwangerschaftsabbruch: Alte Reflexe

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Schwangerschaftsabbruch: Alte Reflexe

Rieser, Sabine

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LNSLNS Ein noch umfassenderer Nichtraucherschutz, geplante Veränderungen am Vertragsarztrecht, mögliche Konsequenzen aus einer Studie zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger – es ist nicht so, dass sich die jüngste Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) keine interessanten Themen vorgenommen hatte. Am meisten Aufsehen erregte jedoch ein Vorstoß aus Sachsen und Thüringen zu Abtreibungen. Deren Gesundheitsminister plädierten dafür, die Einkommensgrenzen für eine staatliche Übernahme der Abtreibungskosten zu senken. Derzeit würden rund 90 Prozent aller rechtswidrigen, aber straffreien Abbrüche aus Steuermitteln finanziert. Außerdem schlugen sie vor, die Einkommen betroffener Frauen genauer zu überprüfen.
Eine Mehrheit für diesen Vorstoß fand sich in der GMK nicht. Vielmehr lautete deren Beschluss am Ende, das Recht auf straffreien Schwangerschaftsabbruch dürfe nicht angetastet werden. Im Übrigen wolle man die jeweilige Datenlage auswerten und austauschen. Wie jedoch zuvor der Änderungsvorschlag öffentlich begründet oder kritisiert wurde – das zeigte, dass beim Thema Schwangerschaftsabbruch nach wie vor eher ideologische Reflexe als ruhige Abwägung die politische Lösungsfindung bestimmen. Einmal mehr erwies sich, dass mit jeder Diskussion um Einzelaspekte die Grundsatzdebatten neu aufflammen.
Dass die geltenden Vorgaben es Frauen erlauben, ihr tatsächliches Einkommen zu verschleiern, weil zum Beispiel nicht nach dem Gehalt des Partners gefragt wird, wird nicht bestritten. Hierüber sollte man diskutieren dürfen. Doch was ist davon zu halten, dass Gesundheitsminister Sparzwänge als Grund für ihren Vorstoß angeben? Oder dass sie anregen, mit dem eingesparten Geld könne man doch die so genannte künstliche Befruchtung fördern? Umgekehrt: Muss man die Diskussion – wie die Linkspartei – gleich abzuwürgen versuchen mit dem Hinweis, dass Einkommensschwache ja nicht mehr unentgeltlich Verhütungsmittel erstattet bekommen? Im Bundestag wird schon länger, wenn auch leiser, um eine Neuregelung bei Spätabtreibungen gerungen. Die GMK-Debatte lässt erahnen, wie schwer eine überzeugende Einigung ist. Sabine Rieser

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