GELDANLAGE
Börsebius zum aktienmarkt: Nach 9/11


Dennoch hat sich in der Wahrnehmung der Bedrohung fundamental einiges geändert, obwohl 9/11 natürlich, wie könnte es auch anders sein, Datum zum Sinnbild für die geballte Unwägbarkeit und die sekundenschnelle dramatische Verletzlichkeit komplexer Systeme geworden ist.
Heute gehört die latente Bedrohung durch den Terrorismus fast schon zum Alltag, aber, man mag den Handelsteilnehmern Zynismus unterstellen, sie ist in den Kursen im Prinzip bereits eingepreist. Als vor Kurzem Scotland Yard verkündete, mehrere Terroranschläge seien gerade mal knapp vereitelt, dauerte der Einbruch an den Börsen nur zwei Stunden, und anschließend waren die Kurse wieder auf dem zuvor gesehenen Niveau. Zuvor hatten die „echten“ Anschläge in London und Madrid zwar deutliche, aber keineswegs nachhaltige Spuren in den Charts hinterlassen.
An der Stelle zeigt sich dann halt doch, dass es den Homo oeconomicus, wie er in den Modellen der Volkswirtschaft gang und gäbe ist, in Wahrheit gar nicht gibt. Zumindest gerade dann nicht, wenn er gefragt oder genauer, gefordert ist: in der Panik. Die Geschehnisse um den Terroranschlag im September 2001, von den Amerikanern plakativ abstrakt 9/11 tituliert, spiegeln klar einen kollektiven Kontrollverlust wider, der sich immer dann einstellt, wenn etwas Unmodellhaftes, etwas völlig Unvorhergesehenes wie das Erlebte passiert. Das Paradoxe an der heutigen Situation ist eben genau das ökonomisch sinnvolle Verhalten, sich nicht verrückt machen zu lassen, obwohl es auf der psychosozialen Ebene fast schon ein schlechtes Gewissen verursacht, gerade deswegen Aktien zu kaufen, weil sich kommende Terrroranschläge vermutlich nicht mehr extrem auswirken könnten.
Auf den Börsenalltag umgesetzt, heißt das nichts anderes, als für die kommenden Monate eher freundlichere Kurse erwarten zu können. Wer seine Anlagestrategie darauf einstellt, begeht im Übrigen keine Untat, sondern hat sich lediglich der Macht der Gewöhnung gebeugt. Oder gestellt, je nachdem.
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