ArchivDeutsches Ärzteblatt8/1996Jodprophylaxe in Deutschland

MEDIZIN: Diskussion

Jodprophylaxe in Deutschland

Köhler, Peter; Pickardt, R.; Scriba, C.

Zu dem Beitrag von Prof. Dr. med. Peter C. Scriba und Prof. Dr. med. C. R. Pickardt in Heft 21/1995
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Durch die Einnahme auch geringer Jodmengen (in Form von handelsüblichem Jodsalz) kann die Jod- und Technetiumaufnahme der Schilddrüse stark vermindert werden, auch wenn die latente oder manifeste Hyperthyreose noch nicht verschlechtert wird. Diagnostische Technetium-Szintigraphien ergeben dann gelegentlich "flaue", also kontrastarme Bilder mit geringem Uptake und starkem Hintergrundrauschen, die zum Teil nicht mehr verwertbar sind. Auch bei den therapeutischen Gaben von Jod-131 vorgeschalteten Radiojod-Zweiphasen-Tests ist eine erhebliche Minderung des Uptake in der Schilddrüse bei regelmäßiger Jodsalzeinnahme festzustellen, mit Konsequenz für die Dosisberechnung und die erwartbare Therapiewirkung.
In beiden Fällen legen wir unseren Patienten bis zur Wiederholung der Szintigraphie oder Radiojodtherapie strikte Jodkarenz über sechs Wochen auf und verbieten auch das jodierte Speisesalz.
Der Empfehlung, " . . .Speisesalz grundsätzlich nur als Jodsalz zu verwenden. . . ", ist natürlich zuzustimmen, doch sollte gewährleistet sein, daß eine bewußte, zeitlich begrenzte Jodkarenz auch weiterhin möglich ist. Eine generelle Verwendung von Jodsalz in Großküchen, Betriebskantinen, Krankenhäusern et cetera ist aus diesem Grunde problematisch.


Dr. med. Peter Köhler
Belegabteilung für Strahlentherapie und Nuklearmedizin
Städtische Krankenanstalten
Luisenstraße 7
78462 Konstanz


Schlußwort


Die Leserzuschrift von Dr. Peter Köhler aus Konstanz gibt uns Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Verwendung von jodiertem Speisesalz im Haushalt die tägliche Jodversorgung nur um etwa 20 Mikrogramm anhebt. Bei einer mittleren Urinjodausscheidung von 94,1 ± 93,1 (Median 66) µg Jod/g Kreatinin (1) wäre durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz eine mittlere tägliche Jodversorgung von weniger als 120 Mikrogramm pro Tag zu erwarten. Eine Überprüfung der Korrelation von globaler Technetium-Aufnahme mit der Urinjodausscheidung bei gesunden Probanden im Gegensatz zu Patienten mit einer Struma und normaler Schilddrüsenfunktion (2) zeigte, daß bei einer niedrigen Urinjodausscheidung unter 80 µg Jod/g Kreatinin "erhöhte" TechnetiumAufnahme-Werte von mehr als drei bis maximal 10,9 Prozent gefunden wurden. Im Gegensatz dazu konte aber im Bereich zwischen 80 und 200 µg Urinjod/g Kreatinin keine Korrelation zwischen der Technetium-Aufnahme und der Urinjodausscheidung festgestellt werden.
Bei insgesamt 84 Patienten mit einer Suppression des basalen Thyroid-stimulierenden Hormons (TSH) aufgrund einer funktionellen Autonomie der Schilddrüse oder eines Morbus Basedow war die TechnetiumAufnahme nur in zehn Fällen mit einer Urinjodausscheidung von 120 bis 400 µg Jod/g Kreatinin auf weniger als ein Prozent erniedrigt.
Eine Beeinträchtigung der Qualität der Schilddrüsenszintigraphie dürfte somit durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz nicht zu erwarten sein.
Eine wesentliche Beeinträchtigung der diagnostischen Aussage eines Radiojod-Zweiphasen-Tests durch die Verwendung von jodiertem Speisesalz ist nicht zu erwarten. Zwar sind in der Schweiz die Radiojodspeicherungswerte nach 24 Stunden von 1960 mit einem Wert von 53 ± 13 Prozent während der Verbesserung der Jodsalzprophylaxe auf 38 ± 14 Prozent 1969 zurückgegangen. Die Tatsache, daß die Radiojoddiagnostik in Ländern mit reichlicher Jodversorgung wie den Vereinigten Staaten von Amerika möglich ist (1967 lag der 24-h-Speicherungswert bei 15,4 ± 6,5 Prozent) (3), zeigt, daß die ausreichende alimentäre Jodversorgung von Schilddrüsenkranken die Diagnostik entsprechender Krankheiten nicht ernsthaft behindert.
Wir können uns daher dem Vorschlag von Dr. Köhler, der nuklearmedizinischen Schilddrüsendiagnostik eine zeitlich begrenzte Jodkarenz vorzuschalten, nicht anschließen. Wir sehen daher auch kein Problem in der generellen Verwendung von Jodsalz in Großküchen, Betriebskantinen und Krankenhäusern.
Wir alle sollten daher nicht aus wissenschaftlich nicht belegten diagnostischen Erwägungen heraus Kollegen und Patienten hinsichtlich der Verwendung des jodierten Speisesalzes verunsichern.


Literatur
1. Gutekunst R, Magiera U, Teichert H-M: Jodmangel in der Bundesrepublik Deutschland. Med Klin 1993; 88: 525–528
2. Kreisig T, Pickardt CR, Horn K, Bechtner G, Vaitl C, Kirsch CM, Knesewitsch P: Nativer 99mTc-Uptake in der Differentialdiagnostik von unauffälliger Schilddrüse, Struma mit Euthyreose und Schilddrüsenautonomie in einem Jodmangelgebiet. Nukl Med 1990; 29: 113–119
3. Labhart A: Klinik der inneren Sekretion. Springer, Berlin/Heidelberg/New York, 1978, S. 237
Prof. Dr. med. C. R. Pickardt
Prof. Dr. med. Peter C. Scriba
Medizinische Klinik, Klinikum Innenstadt
Ziemssenstraße 1
80336 München

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