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Gesundheitsreformgesetz: Was versprochen war


Heinz Stüwe
Chefredakteur
„Das deutsche Gesundheitswesen wird zukunftsweisend umgestaltet – in den Strukturen, in der Organisation, in den Finanzen und im Bereich der Privatversicherung“, nehmen die Parteivorsitzenden von CDU, SPD und CSU für ihr Projekt in Anspruch. Selten war eine politische Sprachregelung so weit von der Realität entfernt. Nach den eindrucksvollen nationalen und regionalen Protesttagen, zuletzt dem der Hausärzte in Nürnberg, wird beim außerordentlichen Deutschen Ärztetag am 24. Oktober in Berlin Gelegenheit sein, die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD an die Zusagen der Koalition zu erinnern.
Versprochen hat Ulla Schmidt in Magdeburg eine solide Finanzreform der Krankenversicherung, insbesondere eine Lösung des Einnahmeproblems der gesetzlichen Kassen, das aus der ausschließlichen Anbindung der Beiträge an die sozialversicherungspflichtigen Löhne resultiert. Herausgekommen ist – von einem Mini-Bundeszuschuss aus Steuermitteln abgesehen – nichts. Versprochen wurde und wird eine verlässliche Euro-Gebührenordnung für die ambulante Versorgung, die Abschaffung der Budgetierung und die Übertragung des Morbiditätsrisikos auf die Krankenkassen. Tatsächlich geplant ist, die alten Ausgabendeckel durch neue zu ersetzen. Ein Ende der Unterfinanzierung wird zur Fata Morgana. Angekündigt wurde mehr Wettbewerb auf allen Ebenen und weniger Bürokratie. Geplant ist eine Umgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), die das Gegenteil bringen wird. Geplant ist ferner ein Schlag gegen die private Krankenversicherung, der den einzigen Konkurrenten der GKV nachhaltig schwächen soll, um eine spätere Gleichschaltung mit den Krankenkassen vorzubereiten.
Versprochen wurde den Patienten, die Qualität ihrer Versorgung zu verbessern. Geplant ist eine Verstaatlichung der Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, die den Weg bereitet für eine Zuteilungsmedizin. Am Ende der Entwicklung wird nicht mehr der medizinische Fortschritt Maßstab sein, sondern der politisch beschlossene Finanzrahmen. Ist dies das Zukunftsbild der drei Regierungsparteien vom deutschen Gesundheitswesen? Man mag es kaum glauben. Festzuhalten bleibt, dass die Große Koalition die (auch an dieser Stelle formulierten) Hoffnungen und Erwartungen an ihre Arbeit bitter enttäuscht. Nur noch zehn Prozent der Bürger sind der Ansicht, dass die geplante Reform die Probleme im Gesundheitswesen für längere Zeit lösen wird, berichtet das ZDF-Politbarometer. Zumindest stehen Ärztinnen und Ärzte mit ihrem Protest also nicht allein.